Du siehst gar nicht schwul aus

by Bücherstadt Kurier

Julius The­sings Buch „You don’t look gay“ ist eine per­sön­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit homo­pho­ber Dis­kri­mi­nie­rung und gewährt einen guten Ein­blick in die Sprü­che, mit denen Homo­se­xu­elle oft­mals kon­fron­tiert sind. Da dies nach wie vor ein aktu­el­les Thema ist, hat Bücher­städ­te­rin Julia nicht lange gezö­gert und sich das nur 96 Sei­ten kurze Büch­lein zu Gemüte geführt.

In die­sem Buch erzählt der Autor von sich selbst, von sei­nem ers­ten Com­ing-Out und sei­nen Erfah­run­gen. The­sing will mit sei­ner Geschichte kein Mit­leid erzeu­gen, er will die Leser*innen zum Nach­den­ken anre­gen. Er möchte der Gesell­schaft einen Spie­gel vor­hal­ten und dazu bewe­gen, das eigene Ver­hal­ten zu über­den­ken und zu reflektieren.

Das erste, was an dem Buch von Julius The­sing auf­fällt: Es ist alt­rosé. Das Cover, die Rück­seite, der Buch­rü­cken – und auch die Sei­ten und der Buch­schnitt sind es. Das Lay­out des Tex­tes ist unge­wöhn­lich: Er läuft in schwar­zer Schrift über die Sei­ten und wird immer wie­der durch Absätze mit grö­ße­ren Buch­sta­ben in roter Schrift unter­bro­chen. Am bes­ten gefal­len mir die zahl­rei­chen Illus­tra­tio­nen im Buch. Diese hat der Autor selbst ent­wor­fen. Mein per­sön­li­cher Favo­rit ist eine Seite mit einer Wand voll mit Fotos von glück­li­chen, schwu­len Pärchen.

All­tags­ho­mo­pho­bie

Die Illus­tra­tio­nen spie­len humor­voll mit Iko­no­gra­phien oder grei­fen bit­ter­ernste aktu­elle Sze­na­rien der Welt auf, vor allem machen sie aber nach­denk­lich. Eine Illus­tra­tion zum Bei­spiel ver­än­dert das Gemälde „Ame­ri­can Gothic“ von Grant Wood. Wäh­rend auf dem Ori­gi­nal ein Mann mit Heu­ga­bel und eine streng schau­ende Frau abge­bil­det sind, zeigt die Illus­tra­tion zwei Män­ner, wobei einer stark geschminkt ist. Zwei Män­ner. Ist das wit­zig? Die Reak­tion dar­auf kann ein Lächeln sein, ein Kopf­schüt­teln, Diskriminierung.

Man blät­tert in dem Buch und denkt an Bekannte, Freunde. Viel­leicht auch an das eigene Ver­hal­ten. Der Autor ver­schafft sich Gehör. Er erzählt seine eigene Geschichte, spickt sie mit sta­tis­ti­schen Zah­len, mit Zita­ten und mit häu­fig gestell­ten Fra­gen. Zum Bei­spiel: Wer von bei­den ist die Frau? Oder: Das ist doch bestimmt nur eine Phase, oder? Die Zitate sind groß und pla­ka­tiv ein­ge­fügt, damit man sie im Kon­text zum Buch bewuss­ter und kla­rer wahrnimmt.

Was bleibt nach der Lektüre?

Ein Nach­den­ken, ein Wei­ter­den­ken, ein Umden­ken. Man wird sich beim Lesen der vie­len all­täg­li­chen Dis­kri­mi­nie­run­gen bewusst. Beim Lesen wird schnell klar: Es liegt noch ein lan­ger Weg vor uns. Doch Bücher wie die­ses hel­fen, die­sen Weg des Umden­kens zu bestrei­ten. The­sing öff­net eine Tür und lädt zum Dia­log ein. Er zeigt Dis­kri­mi­nie­rung und Homo­pho­bie auf, er macht auf Unrecht auf­merk­sam, gibt Selbst­be­wusst­sein und Mut mit. Wie sagte der Autor so tref­fend: „Die­ses Buch ist ein Gesprächs­an­ge­bot, kein Mani­fest.“ (S. 7)

You don’t look gay. Julius The­sing. Bohem Ver­lag. 2020.

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