Edgar Allan Poe – der Meister des Phantastischen und Erfinder der Detektivromane

by Geschichtenbewahrerin Michaela

Es ist spä­ter Abend, der Raum ist dun­kel und Kin­der drän­gen sich um einen Tisch. In der Mitte liegt ein Buch und am Kopf­ende sitzt die Leh­re­rin. Sie leuch­tet mit einer Taschen­lampe in das Buch und beginnt zu lesen: „Die Fol­ter“ von Edgar Allan Poe. Geschich­ten­be­wah­re­rin Michaela mochte schon als Kind Gru­sel­ge­schich­ten und auf die­ser Klas­sen­fahrt lernte sie Edgar Allen Poe kennen.

Edgar Allan Poe schrieb vor allem Kurz­ge­schich­ten, die heute in Antho­lo­gien ver­öf­fent­licht wer­den. Seine Geschich­ten beschrei­ben die Urängste des Men­schen. Angst vor dem Uner­klär­li­chen, davor, gefol­tert zu wer­den, einen qual­vol­len Tod zu erlei­den oder leben­dig begra­ben zu wer­den. Zu Leb­zei­ten Edgar Allan Poes war eine hun­dert­pro­zen­tige Fest­stel­lung des Todes näm­lich noch nicht mög­lich. Die Angst der Men­schen, leben­dig begra­ben zu wer­den, war also durch­aus berechtigt.

Auch durch auf­ge­la­dene Schuld und Reue dicht am Wahn­sinn zu sein oder die Grenze zu über­schrei­ten, ist oft sein Thema. Und auch Tiere spie­len bei Poe immer wie­der eine unheim­li­che Rolle.

„Das Ver­rä­te­ri­sche Herz“

Der namen­lose Prot­ago­nist beteu­ert im ers­ten Satz, nicht wahn­sin­nig zu sein. Doch ist er es, denn ein ande­res Motiv für den Mord, den er begeht, gibt es nicht. Und auch der Wahn­sinn ist es, der ihn den Mord geste­hen lässt.

„Der schwarze Kater“

Der einst lie­bens­wür­dige und tier­freund­li­che Erzäh­ler ver­fällt dem Alko­hol und dem damit ein­her­ge­hen­den Wahn­sinn. Er gibt dies zu, denn er emp­fin­det Reue. Ein schwar­zer Kater ist zunächst sein bevor­zug­tes Haus­tier, dem er nach jah­re­lan­gem, immer stär­ke­rem Alko­hol­kon­sum Schlim­mes antut. Ein ande­rer schwar­zer Kater besie­gelt sein Schicksal.

„Der Unter­gang des Hau­ses Usher“

Der Erzäh­ler wird von sei­nem Jugend­freund Rode­rick Usher gebe­ten, ihn auf sei­nem Schloss zu besu­chen. Er soll ihn auf­hei­tern, da Usher sich in einer düs­te­ren Stim­mung befin­det. Seine Schwers­ter Lady Made­line ist ster­bens­krank, sie lei­det an Katalep­sie, bekannt als Starr­sucht, eine neu­ro­lo­gi­sche Erkran­kung, bei der eine Kör­per­hal­tung unge­wollt lange ein­be­hal­ten wird. Sie betrifft vor allem Men­schen, die an Schi­zo­phre­nie lei­den. Er selbst ist Melan­cho­li­ker und lei­det unter Angst­zu­stän­den. Nach­dem Lady Made­line stirbt, bahrt Rode­rick Usher sie mit Hilfe sei­nes Freun­des in der Gruft des Schlos­ses auf. Melan­cho­lie und Angst ver­wan­deln sich in Wahn­sinn und in einer stür­mi­schen Nacht glaubt der Erzäh­ler, eben­falls den Ver­stand zu ver­lie­ren. Doch es ist nicht Wahn­sinn, der ihn aus dem Haus flie­hen lässt, son­dern die Rea­li­tät. Und so schreck­lich die Wahr­heit ist, sie ret­tet ihm das Leben.

„Die Schein­to­ten“

Der Erzäh­ler berich­tet von Men­schen, die leben­dig begra­ben wur­den, bevor er seine eigene Geschichte erzählt. Er ver­fällt nicht dem Wahn­sinn, doch er hat Angst und seine Gedan­ken krei­sen stän­dig um das Thema schein­tot zu sein und leben­dig begra­ben zu wer­den. Seine Ängste sind ver­ständ­lich, denn er lei­det an Katalep­sie und erlitt schon öfter todes­ähn­li­che Zustände. „Man kann in der Tat kaum einen Kirch­hof umgra­ben, ohne Ske­lette in Stel­lun­gen zu fin­den, die zu den grau­en­volls­ten Mut­ma­ßun­gen füh­ren müssen.“

Der erste Detek­tiv­ro­man der Lite­ra­tur­ge­schichte: „Der Dop­pel­mord in der Rue Morgue“

In Paris wer­den eine Frau und ihre Toch­ter grau­sam ermor­det. Doch wie konnte der Mör­der flie­hen? Die Woh­nung liegt im vier­ten Stock und die Türen und Fens­ter sind von innen ver­rie­gelt. Die Befra­gun­gen der Zeu­gen hel­fen auch nicht weiter.

Der Erzäh­ler und sein Freund C. Auguste Dupin neh­men sich des Falls an. Dupin wird als intel­li­gen­ter, fan­ta­sie­vol­ler und ana­ly­tisch den­ken­der Mann beschrie­ben. Er ist ein genauer Beob­ach­ter und Men­schen­ken­ner. Mit die­sen Fähig­kei­ten gelingt es ihm, den Fall zu lösen.

Mit dem Ermitt­ler C. Auguste Dupin erschuf Edgar Allan Poe den ers­ten Detek­tiv­ro­man der Lite­ra­tur­ge­schichte. Er lässt Dupin und sei­nen Freund noch in zwei wei­te­ren Geschich­ten ermit­teln. Mit dem neuen Genre inspi­rierte Poe viele Schrift­stel­ler, unter ande­rem Sir Arthur Conan Doyle zu Sher­lock Holmes.

Düs­tere Geschichten

Die Geschich­ten von Edgar Allan Poe sind nicht über­sinn­lich. Der Wahn­sinn, die Hal­lu­zi­na­tio­nen und die Angst lie­gen in den Figu­ren selbst. Er weiß düs­tere Atmo­sphä­ren zu beschrei­ben, in die man beim Lesen hin­ein­ge­zo­gen wird. Man spürt die kühle Luft der Gruft, hört das kläg­li­che Mau­zen der Katze und meint in die angst­ver­zerr­ten Gesich­ter der Prot­ago­nis­ten zu schauen. Ich finde, es sind die rich­ti­gen Geschich­ten an stür­mi­schen Herbstabenden.

Bis heute wird Edgar Allan Poe gele­sen und viele sei­ner Geschich­ten wur­den ver­filmt und als Hör­spiele ver­tont. Die Gruppe The Alan Par­sons Pro­ject ver­öf­fent­lichte 1976 das Album „Tales of Mys­tery and Ima­gi­na­tion – Edgar Allan Poe“, in dem einige der Geschich­ten Poes musi­ka­lisch umge­setzt wur­den. Bis heute inspi­riert Edgar Allan Poe zahl­rei­che Künst­le­rin­nen und Künstler.

Phan­tas­ti­sche Erzäh­lun­gen. Edgar Allan Poe. Über­set­zung: Hedda Moel­ler-Bruck und Hed­wig Lach­mann. Illus­tra­tio­nen: Leo Leon­hard. Park­land Ver­lag. 1996.

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