Ein Einhorn im Weingarten

by Zeilenschwimmerin Ronja

Es ist die Zeit des Ein­horns. Ein­hör­ner, wo man auch hin­sieht: Ein­horn­seife, Ein­horn­kekse, Ein­horn­ta­schen, Ein­horn­post­kar­ten … Nein, jetzt mal ernst­haft: Damit hat Peter S. Bea­gles neuste Erzäh­lung „In Kala­brien“ nun gar nichts zu tun. Zei­len­schwim­me­rin Ronja war hin und weg von die­sem Ein­horn, das ganz ohne Glit­zer auskommt.

Clau­dio braucht kei­nen Kon­takt zur gro­ßen, wei­ten Welt. Er ist völ­lig damit zufrie­den, sich um die Tiere und Pflan­zen auf sei­nem abge­le­ge­nen Hof zu küm­mern und grum­melnd mit dem Post­bo­ten zu spre­chen. Doch als Clau­dio eines Tages einem Ein­horn gegen­über steht, weiß er, dass etwas Beson­de­res gesche­hen wird.

„Dann bückte er sich, um den schwar­zen Kater Mez­zanotte hin­ter den Ohren zu krau­len. Wäh­rend er sich wie­der auf­rich­tete und in seine abge­wetzte, heiß geliebte Leder­ja­cke schlüpfte, dachte er: In dem Klei­dungstück steckt ein Gedicht. Genüss­lich streckte er die Arme aus, gähnte, kratze sich den strup­pi­gen Nacken und sah das Ein­horn in sei­nem Wein­gar­ten.“ (S. 18f.)

„In Kala­brien“ ist eine wun­der­schön erzählte, mär­chen­hafte Geschichte, die sich so ruhig und gelas­sen lesen lässt wie Clau­dio sei­nem All­tag begeg­net. Zwi­schen Bau­ern­hof und Ein­horn ver­ste­cken sich tief­grün­dige Gedan­ken, die man ganz nach Belie­ben inten­siv betrach­ten oder im Lese­fluss unter­ge­hen las­sen kann. Auf kaum mehr als 160 Sei­ten ver­mi­schen sich ita­lie­ni­sches Flair, mys­ti­sches Ein­horn, eine Orga­ni­sa­tion ähn­lich der Mafia, Roman­tik und die Aus­wir­kun­gen der Glo­ba­li­sie­rung und der neuen Medien zu einem erstaun­lich stim­mi­gen Bild.

Der US-Ame­ri­ka­ni­sche Autor Peter S. Bea­gle ist unter ande­rem für den Roman „Das letzte Ein­horn“ (1970) bekannt, der 1982 auch als Zei­chen­trick­ani­ma­tion ver­filmt wurde. „In Kala­brien“ besitzt eine gänz­lich andere Her­an­ge­hens­weise an den Mythos Ein­horn. Die Erzäh­lung ist in einer Rea­li­tät ange­sie­delt, die der unse­ren zu ent­spre­chen scheint, vom Ein­horn ein­mal abge­se­hen. Phan­tas­tisch bleibt sie dennoch.

„In Kala­brien“ rich­tet sich eher an ein erwach­se­nes Publi­kum. Die Geschichte übt eine wahre Sog­wir­kung aus und ist eigent­lich viel zu schnell vor­bei. Ande­rer­seits macht genau diese mär­chen­hafte Flüch­tig­keit ihren Reiz noch größer.

In Kala­brien. Peter S. Bea­gle. Aus dem Ame­ri­ka­ni­schen über­setzt von Oli­ver Plaschka. Hob­bit Pres­se/­Klett-Cotta. 2018. Erhält­lich in der Buch­hand­lung dei­nes Vertrauens.

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