Ein Fest für die Ohren

by Zeichensetzerin Alexa

Es zwit­schert, es don­nert, es grollt: Das Hör­spiel „Vor dem Fest“ bie­tet ein leben­di­ges Hör­erleb­nis, das Gefühle und Stim­mung durch Geräu­sche, Laute und Stim­men ver­mit­teln kann. Ein Fest für die Ohren, in das man sich immer wie­der stür­zen kann. – Von Zei­chen­set­ze­rin Alexa

Vor dem Ern­te­fest ist in Fürs­ten­felde alles ganz anders als sonst: Die Dorf­be­woh­ner befällt die Schlaf­lo­sig­keit, die Erin­ne­run­gen neh­men den Groß­teil ihrer Gedan­ken ein und bei dem einen oder ande­ren hat man schon das Gefühl, er würde ein wenig ver­rückt wer­den. Da ist Anna, die sich nichts sehn­li­cher wünscht als die­ses Dorf zu ver­las­sen – bald schon soll das erste Semes­ter begin­nen und sie kann es kaum erwar­ten, hin­aus in die Welt zu gehen. Da ist Frau Kranz, die für ihre Male­rei im Dorf bekannt ist und anläss­lich ihres Geburts­ta­ges von einem Jour­na­lis­ten inter­viewt wird. Sie spre­chen über Hei­mat, Heim­weh und Krieg, der sie letzt­end­lich dazu gebracht hat, mit der Male­rei anzufangen.

Und dann ist da noch Herr Schramm, der als ehe­ma­li­ger Offi­zier nicht aus­rei­chend Geld erhält und gezwun­gen ist, mit Schwarz­ar­beit dazu­zu­ver­die­nen. „Den Tod erlebst du nicht“, sagt er. So wirk­lich opti­mis­tisch scheint er nicht zu sein, auch was seine Zukunft angeht: Als sich Frau Mahlke nicht bei ihm mel­det, beschließt er, sich das Leben zu neh­men. Schließ­lich hätte er eh nichts zu ver­lie­ren und die Ziga­ret­ten sind auch alle. Doch trotz so man­cher Eska­pa­den und Gefah­ren – und das darf sicher­lich schon mal ver­ra­ten wer­den – dür­fen am nächs­ten Tag doch noch alle das Fest miterleben.

Die­ses Hör­spiel macht Spaß! Hier wird gelacht, gegähnt, geschrien, vor allem aber viel gere­det. Beson­ders ange­nehm ist der Wech­sel der unter­schied­li­chen Stim­men. Jede scheint den rich­ti­gen Ton zu tref­fen, um den Cha­rak­ter des jewei­li­gen Prot­ago­nis­ten dar­zu­stel­len. Wäh­rend es unter die­sen auch mal tur­bu­lent zugeht, bleibt die Erzäh­ler­stimme stets ruhig und beglei­tet die Zuhö­rer in leich­tem Fluss bis zum Schluss.

Über­haupt sind gerade die Worte, die Anna und der Erzäh­ler spre­chen, poe­tisch. Klänge und Musik unter­strei­chen zusätz­lich das Gefühl von Melan­cho­lie und Ruhe, bauen jedoch auch genauso effek­tiv wie­der Span­nung auf. Die Stim­mung, in der sich die Prot­ago­nis­ten befin­den, wird vor allem durch Geräu­sche erzeugt: Regen, Don­ner, Schritte, das Rol­len von Fla­schen, Gril­len­zir­pen, Vogel­ge­zwit­scher, das Sum­men einer Mücke und vie­les mehr erscheint einem, als ob es wirk­lich gegen­wär­tig wäre. Selbst beim zwei­ten Hören musste ich um mich schauen und mich ver­si­chern, dass die Mücke nicht doch an mein Ohr flog. Ner­vig war die­ser Laut wie auch im rea­len Leben, was nur für die gelun­gene Umset­zung spricht.

Zu kurz ist die­ses Hör­spiel­erleb­nis: nach gerade ein­mal einer Stunde ist das Fest auch schon wie­der vor­bei. Aber tröst­lich ist der Gedanke, dass es neben die­ser Ver­sion auch noch das Hör­buch und das Buch gibt. Da kann der Spaß gleich fort­ge­setzt werden.

Vor dem Fest – Das Hör­spiel. Nach dem gleich­na­mi­gen Roman von Saša Sta­nišić. der Hör­ver­lag. 2015. Spre­cher: Mar­kus Meyer, Marc Hose­mann, Effi Rab­sil­ber, Chris­tine Schorn, Mandy Rudsky, Jaeckie Schwarz, Steffi Küh­nert. Musik: Lutz Glandien, Sören Linke, die Glo­cken­spie­ler aus Northbourne.

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1 comment

„Herkunft“: Von Schlangen, einer Großmutter und Saša Stanišić (mit Verlosung) 14. Oktober 2019 - 19:12

[…] Rezen­sion zum Hör­buch von „Vor dem Fest“ […]

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