Ein Grab in der Wüste

by Geschichtenerzähler Adrian

„Spec Ops: The Line“ vom deut­schen Ent­wick­lungs­stu­dio Yager Deve­lo­p­ment macht anfangs den Ein­druck eines nor­ma­len Third-Per­son-Deckungs-Shoo­ters. Neben den sonst im Jahr 2012 erschie­ne­nen Shoo­ter-Spie­len geht das Spiel tech­nisch etwas unter, doch hin­ter der ein­fa­chen Fas­sade ver­steckt sich ein dra­ma­ti­sches Anti-Kriegs­spiel. – Von Geschich­ten­er­zäh­ler Adrian

Dubai liegt nach meh­re­ren hef­ti­gen Stür­men unter Ton­nen von Sand begra­ben und der Afgha­ni­stan-Vete­ran Colo­nel John Kon­rad wird mit dem 33. Batail­lon in die Stadt geschickt, um bei der Eva­ku­ie­rung zu hel­fen. Jedoch scheint eini­ges schief zu gehen und der Kon­takt zur 33. bricht ab.

Erst einige Zeit spä­ter emp­fängt das Mili­tär eine Radio­über­tra­gung von Kon­rad, der von einem tota­len Fehl­schlag berich­tet. Dar­auf­hin wer­den die Sol­da­ten Cap­tain Mar­tin Wal­ker, Lieu­ten­ant Alphanso Adams und Ser­geant John Lugo mit einer Auf­klä­rungs­mis­sion nach Dubai geschickt. Doch was als simple Mis­sion begann, wird bald schon zu einem ver­stö­ren­den und mora­lisch anzu­zwei­feln­den Horrortrip.

Was zum Teufel!

Wie schon erwähnt, beginnt die Geschichte nicht anders als viele andere Shoo­ter. Man bekommt mit Cap­tain Wal­ker eine spiel­bare Figur und eine Waffe, mit der man auf seine Geg­ner schie­ßen muss. Der Akt des Zurück­schie­ßens ist ver­ständ­lich: Jemand schießt auf mich, ich schieße zurück und hoffe, dass mein Angrei­fer zuerst fällt. Töten oder getö­tet werden.

Als Spie­ler trifft man auf viele Situa­tio­nen, in denen eine Ent­schei­dung zu tref­fen ist, oder Wal­ker eine trifft, die im ers­ten Moment inner­halb des Sze­na­rios einer Kriegs­si­tua­tion logisch erscheint – zwar bru­tal, aber soweit nach­voll­zieh­bar. Bei­spiels­weise trifft die Gruppe auf zwei Men­schen, die mit Sei­len gefes­selt an einem Trä­ger hän­gen und her­um­zap­peln. Scharf­schüt­zen zie­len auf die bei­den und Kon­rad stellt Wal­ker vor die Wahl. Die bei­den seien Ver­bre­cher – der eine sei ein Dieb, der Was­ser gestoh­len hat, der andere ein Sol­dat, der den Dieb fan­gen sollte, wor­auf­hin er fünf unschul­dige Men­schen tötete – und sie müss­ten für ihre Taten bezahlen.

Nun soll Wal­ker ent­schei­den, was er tut: Erschießt er einen der bei­den? Nur wen? Oder viel­leicht die Scharf­schüt­zen? Man muss eine Ent­schei­dung tref­fen, sonst wird man von Kon­rads Män­nern erschos­sen. Jedoch eröff­net sich Stück für Stück ein Blick hin­ter alles und das Spiel endet mit einer scho­ckie­ren­den Auf­lö­sung. Und schließ­lich weicht die Geschichte mit eini­gen dra­ma­ti­schen Bil­dern dem kom­plet­ten Irrsinn.

Die rote Linie zwi­schen Hoff­nung und Dunkelheit

Das Spiel macht kei­nen Hehl dar­aus, dass es anders sein will als die ande­ren Shoo­ter. Es soll kei­nen Unter­schied zwi­schen Gut und Böse geben, mit dem man sein Tun in ande­ren Shoo­tern recht­fer­tigt. Wie der Lead Level Desi­gner von Yager meinte, ist es Ziel des Spiels, dass die Spie­ler sich schlecht füh­len. So wer­den den Spie­lern auch immer wie­der Ent­schei­dun­gen aus der Hand genom­men, um den Kon­troll­ver­lust dar­zu­stel­len, dem man in solch einem Sze­na­rio unter­wor­fen ist.

Es gibt einige pop­kul­tu­relle Anspie­lun­gen auf bereits bestehende Anti-Kriegs-Medien und allein der Name John Kon­rad ist solch eine mit Bezug auf Joseph Con­rad und sei­nen Roman „Herz der Fins­ter­nis“. Die­ser inspi­rierte schon Fran­cis Ford Cop­pola zum Anti-Kriegs­film „Apo­ca­lypse Now“.

Einen Moment der Hoff­nungs­lo­sig­keit sym­bo­li­siert Colo­nel Kon­rads Aus­sage, dass Sol­da­ten, die ein­mal diese bestimmte Linie über­schrit­ten haben, nie wie­der nach Hause kom­men würden.

Der Rest ent­steht im Kopf

Das Haupt­au­gen­merk von „Spec Ops: The Line“ liegt wohl auf der Story, denn nach tech­ni­schen Stan­dards ist das Spiel eher Mit­tel­feld. Die Gra­fik lässt wenige Mög­lich­kei­ten, wirk­li­che Emo­tio­nen anhand der Gesich­ter abzu­le­sen. Es sind viel­mehr die Bil­der im Gesam­ten, die den Schre­cken trans­por­tie­ren. Durch die Farb­wahl, wel­che sich auf erdige Töne beschränkt, ist zwar die triste Stim­mung und die Sym­bo­lik, dass nachts alle Kat­zen grau sind, gut dar­ge­stellt. Aller­dings heben sich hier­durch die Spiel­fi­gu­ren schwer von der Umge­bung ab und so sucht man in man­chen Feu­er­ge­fech­ten lange, um den letz­ten ver­blei­ben­den Geg­ner zu lokalisieren.

Ähn­li­ches gilt für die Steue­rung. Zwar funk­tio­nie­ren das Deckungs­sys­tem und das Gun-Play im Gro­ßen und Gan­zen, doch es gibt immer wie­der hake­lige Situa­tio­nen, in denen Wal­ker sich bei­spiels­weise nicht hin­ter eine Deckung duckt bezie­hungs­weise nicht über eine sol­che hin­weg­sprin­gen will. Oder die Hit­box – den Raum, den ein Objekt ein­nimmt und in dem man es als Spiel­fi­gur berüh­ren kann –, die dem Spie­len­den einen Strich durch die Rech­nung macht, wenn er gerade vor einem Kugel­ha­gel flieht und an der Ecke eines Sand­sacks hän­gen bleibt, wo eigent­lich gar kein Sand­sack mehr ist.

„Spec Ops: The Line“ lege ich jedem ans Herz, der Shoo­ter mag und mal eine andere Geschichte erle­ben will. Jedoch muss man sich dar­auf ein­stel­len, nicht mit dem Gefühl aus dem Spiel zu gehen, dass etwas Posi­ti­ves geschafft wurde.

Spec Ops: The Line. Ent­wick­ler: Yager Deve­lo­p­ment. Publis­her: 2K Games. 2012. FSK 18.

Screen­shots: Geschich­ten­er­zäh­ler Adrian

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