Ein Krimi für regnerische Herbsttage

by Buchstaplerin Maike

Wie ange­spannt und vol­ler Miss­trauen die Atmo­sphäre kurz vor Beginn des Ers­ten Welt­krie­ges ist, zeigt Ange­lika Felenda mit ihrem Kri­mi­nal­ro­man „Der eiserne Som­mer“. Darin ermit­telt Kom­mis­sär Reit­meyer in meh­re­ren Mord­fäl­len, deren Wur­zeln sich bis in die höchs­ten Schich­ten der Gesell­schaft erstre­cken. – Von Buch­stap­le­rin Maike

Mün­chen, 1914: Zwi­schen dem Atten­tat auf Franz Fer­di­nand und dem Aus­bruch des Ers­ten Welt­krie­ges ereig­nen sich Morde, die in einer ange­spann­ten poli­ti­schen Lage wie die­ser weit­rei­chende Skan­dale aus­lö­sen kön­nen: Kom­mis­sär Reit­meyer, der unzu­frie­den damit ist, für den Poli­zei­prä­si­den­ten Kri­mi­nal­sta­tis­ti­ken zu fäl­schen, beginnt im Todes­fal­les eines jun­gen Man­nes zu ermit­teln, der am Isar­ufer gefun­den wurde. Pikant wird alles dadurch, dass die­ser nicht nur im Homosexuellen-„Milieu“ Mün­chens aktiv war, son­dern auch noch Ver­bin­dun­gen zu Offi­zie­ren hatte.

Die Ermitt­lun­gen füh­ren Reit­meyer nicht nur in höchste gesell­schaft­li­che Kreise, son­dern auch poli­ti­sche und mili­tä­ri­sche – und das, obwohl die Poli­zei eigent­lich nicht gegen das Mili­tär vor­ge­hen darf. Noch dazu schei­nen alte Kind­heits­freunde des Kom­mis­sars in die Sache ver­wi­ckelt zu sein. Bald taucht eine zweite Lei­che auf, wodurch sich der Ver­dacht erhär­tet, dass hier Rache an Erpres­sern genom­men wurde. Doch wer hat ein Motiv? Ein homo­se­xu­el­les Erpres­sungs­op­fer oder ein Offi­zier, der um seine Ehre bangt? Reit­meyer und sein über­eif­ri­ger Poli­zei­schü­ler Ratt­ler kom­men nach und nach einer gro­ßen Ver­schwö­rung auf die Spur...

„Wer schwach ist, muss untergehen.“

So heißt es mehr­fach in dem Kri­mi­nal­ro­man, der den Auf­takt zu einer Serie um Kom­mis­sär Reit­meyer bil­det. Und genau so lässt sich die Stim­mung und Gesin­nung wie­der­ge­ben, die im Buch vor­herrscht: Zwi­schen natio­na­lis­ti­schem und kon­ser­va­ti­vem Gedan­ken­gut, das auch die Zeit vor dem Ers­ten Welt­krieg prägt, zeich­net Felenda ein Mün­chen und ein Deutsch­land, die im Umbruch begrif­fen sind. Wer sich darin nicht behaup­ten kann, oder unbe­quem ist, muss um seine Exis­tenz fürch­ten. Diese Span­nung wird meist gut gehal­ten. Die Ermitt­lun­gen wer­den ergänzt durch Berichte von Offi­zie­ren, sodass der Leser bald mehr um die Ver­schwö­rung und die Morde zu wis­sen glaubt, als Reit­meyer. Ledig­lich die Per­spek­tiv­wech­sel zwi­schen den Figu­ren brem­sen den Lese­fluss etwas, da mit­un­ter nicht sofort klar ist, wo man sich gerade befindet.

Die Figu­ren sind gut gezeich­net und lockern die Geschichte auf. Reit­meyer ist als Sprö­der, jun­ger Kom­mis­sär genauso glaub­wür­dig wie der Poli­zei­schü­ler, des­sen „Sher­lock-Hol­mes-Metho­den“ belä­chelt wer­den. Dar­über hin­aus bie­tet sich ein guter Ein­blick in das Mün­chen vor hun­dert Jahren.

Ein Wer­muts­trop­fen ist für mich, dass ein Roman, der sich in wei­ten Tei­len mit den „homo­se­xu­el­len Zir­keln“ Mün­chens beschäf­tigt, diese recht ober­fläch­lich dar­stellt. Wenig sen­si­bel und wei­test­ge­hend kri­mi­na­li­siert wer­den die Betrof­fe­nen abge­bil­det. Auch wenn 1914 Homo­se­xua­li­tät noch unter Strafe stand, hätte man damit dif­fe­ren­zier­ter umge­hen können.

Der Roman, der bei mir auf­grund des spek­ta­ku­lä­ren Trai­lers hohe Erwar­tun­gen geweckt hat, kann diese nur zu einem gewis­sen Grad auf­recht erhal­ten. Kein per­fek­ter Krimi, aber ein soli­der. Ich bin gespannt, wie der nächste Band der Reit­meyer-Serie aus­fal­len wird. Bis dahin kann ich mit „Der eiserne Som­mer“ die­sen hoch­po­li­ti­schen Krimi, der noch dazu viel Lokal­ko­lo­rit ver­mit­telt, für reg­ne­ri­sche Herbst­tage empfehlen.

Der eiserne Som­mer. Ange­lika Felenda. Suhr­kamp, 2014.

Weiterlesen

1 comment

amethyststurm 9. Oktober 2014 - 18:04

Hat dies auf ame­thyst­sturm rebloggt.

Reply

Leave a Comment

Diese Seite verwendet Cookies. Mit der Nutzung unserer Website erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. OK Erfahre mehr