Ein Platz für Altes Themenreihe: Lieblingsbuchhandlung

by Bücherstädter Thilo

Auch wenn es der Name nicht ver­mu­ten lässt: Mit­ten in Leip­zig gibt es einen schma­len Laden, der Bücher beher­bergt, die sonst schnell feh­len. Eine Emp­feh­lung von Bücher­städ­ter Thilo.

Es ist schwer, in die­sen Zei­ten über die Lieb­lings­buch­hand­lung zu spre­chen, aber es ist umso nötiger.

Meine Freunde und Ver­wand­ten konn­ten mein Auf­at­men in die­sem März nicht nach­voll­zie­hen, als ich sagte, dass ich nun end­lich wie­der Bücher kau­fen könne. Denn in Sach­sen waren die Buch­hand­lun­gen, anders als in Sach­sen-Anhalt, nicht als not­wen­dig ein­ge­stuft wor­den und daher geschlos­sen. Und weil die Lan­des­re­gie­rung ange­sichts der Fall­zah­len beson­ders hart durch­grei­fen wollte, war auch ein­fa­ches Abho­len nicht mög­lich. Das bedeu­tete für einen Buch­lieb­ha­ber, dass ich genau über­le­gen musste, ob ich mir das Buch doch bestelle oder ob ich mich gedulde. Da meine Schränke auch noch einige Bücher ent­hal­ten, die ich noch nicht gele­sen habe, herrschte keine Not.

Als es dann end­lich wie­der mög­lich war, musste ich eine Ent­schei­dung tref­fen, wo ich denn nun meine lange Liste an Titeln, die mir auf­ge­fal­len waren, besor­gen wollte. Denn ich bin kein Fein­schme­cker (obwohl ich natür­lich auch Geschmack habe – hoffe ich zumin­dest), son­dern ein Viel­fraß. Wenn ich Zeit habe, dann gehe ich in jeden Buch­la­den, den ich errei­chen kann und ich mag sie nicht klein, son­dern groß und voll. Selbst­ver­ständ­lich will ich auch Neues ent­de­cken, aber ich will auch Bücher wie­der­fin­den, von denen ich schon Gutes gehört habe oder die ich viel­leicht sogar schon gele­sen habe, um mir dann zu den­ken: „Die schei­nen hier guten Geschmack zu haben, denn die­sen Titel habe ich auch.“ (Ich habe ja schon ange­deu­tet, dass ich von mei­nem Geschmack über­zeugt bin.)

An ande­rer Stelle habe ich bereits erzählt, dass ich mir gerne vor­her schon über­lege, was ich als mein Lieb­lings-Wasau­chim­mer angebe, meine Emp­feh­lung. Des­we­gen hatte ich mir auch in Leip­zig eine Lieb­lings­buch­hand­lung gesucht – immer­hin gibt es in der Buch­stadt auch eini­ges an Aus­wahl. Doch irgend­wann musste ich diese Ent­schei­dung wie­der revi­die­ren und davon möchte ich euch erzählen.

Damals fiel meine Wahl auf die Filiale einer klei­nen Kette, die direkt neben dem Cam­pus der Uni lag. Da ich hier oft im Hör­saal­ge­bäude zu tun hatte, bin ich fast täg­lich an dem Laden vor­bei­ge­kom­men und wenn ich Zeit hatte, bin ich auch hin­ein­ge­gan­gen. Durch die Lage lag der Fokus auf einem jun­gen, gebil­de­ten Publi­kum, zu dem ich mich auch zäh­len würde: anspruchs­volle und enga­gierte Sach­bü­cher, ein gutes Ange­bot an Comics und Man­gas und eine große Wand mit Bel­le­tris­tik, die auch Platz für klei­nere und unbe­kann­tere Sachen ließ. Außer­dem gab es ein Regal für Lyrik, das ich sehr mochte. Es gab auch Notiz­bü­cher, Post­kar­ten und Hör­bü­cher, aber das gedruckte Buch stand ein­deu­tig im Zentrum.

Die Händ­le­rin, die für die Bel­le­tris­tik ver­ant­wort­lich war, und ich waren oft ziem­lich auf einer Wel­len­länge: Auf dem zen­tra­len Tisch lagen fast immer Titel, die ich mir zu lesen vor­ge­nom­men hatte oder die mich inter­es­sier­ten. An der Wand gab es ein Seg­ment über­schrie­ben mit „Per­len“, wo immer zahl­rei­che Bücher aus unab­hän­gi­gen Ver­la­gen stan­den, die mich immer wie­der über­rasch­ten. Irgend­wann begann die Händ­le­rin mich freu­dig zu begrü­ßen, wenn ich ein­trat, denn ver­mut­lich waren ihr meine häu­fi­gen Besu­che auf­ge­fal­len – und ich bin ein ein­fa­cher Mensch und mag es, wenn man mich will­kom­men heißt. Spä­ter habe ich für den Pod­cast „Seite 37“ (möge er in Frie­den ruhen, bis er wie­der auf­er­ste­hen darf) einen Bei­trag über Buch­ti­tel gemacht, wo ich auch mit ihr gespro­chen habe. Seit­dem haben wir immer eines die­ser „Schwätz­chen“ gehal­ten, haben „gequatscht“ – über alles Mög­li­che, aber natür­lich auch über Bücher. Sie war meine Buch­händ­le­rin – das habe ich sehr genossen.

Dann hat sie eine Aus­zeit genom­men, was ganz wun­der­bar für sie war. Aber es war danach etwas weni­ger mein Laden. Nicht nur wegen der „Schwätz­chen“. Unter den „Per­len“ ent­stand eine Front aus Beige und Pas­tell – zig­mal das­selbe Buch (ich glaube, es ist wirk­lich gut, jedoch ein­fach nicht mein Geschmack). Ich bin den­noch wei­ter­hin gerne hin­ge­gan­gen, bis es wirk­lich schlimm wurde: Eine noch grö­ßere Kette kaufte die Läden auf, genauer gesagt die größte Kette, deren Namen ich an die­ser Stelle nicht nenne. Das hat natür­lich alles durch­ein­an­der­ge­wir­belt. Am Anfang waren zwar immer noch die glei­chen Bücher da, aber die uner­war­te­ten Sachen stan­den nun im Regal, wie Über­reste aus einer ande­ren Zeit und auch die Mitarbeiter:innen wirk­ten auf ein­mal so gedrückt, gehetzt – denn jetzt war es wirk­lich ein Geschäft. Ich war nun schon sehr lange nicht mehr da.

Glück­li­cher­weise habe ich schon vor­her einen ande­ren Laden gekürt: die Con­ne­wit­zer Verlagsbuchhandlung.

Ent­ge­gen ihrem Namen liegt die­ser Laden nicht in dem bun­ten Vier­tel im Süden der Stadt, son­dern mit­ten im Zen­trum in einer Neben­straße bei der berühm­ten Niko­lai­kir­che. Ein von Büchern gesäum­ter Schlauch öff­net sich in die Fas­sade. Wenn ich hin­ein­gehe (ich fürchte, offi­zi­ell ist es der Hin­ter­ein­gang), lie­gen dort einige schöne Bil­der­bü­cher und beson­dere Gra­phic Novels. Rechts fin­det sich in einem Regal ver­mut­lich das gesamte Pro­gramm des (sehr guten) Seces­si­ons­ver­la­ges. In der Mitte steht ein lan­ger Tisch, auf des­sen lin­ker Hälfte Sach­bü­cher und auf der rech­ten Romane dicht an dicht aus­ge­legt sind. Am ande­ren Ende wer­den die jüngs­ten Emp­feh­lun­gen prä­sen­tiert. An der rech­ten Regal­wand ste­hen die gebun­de­nen Bücher, auf der lin­ken die Taschen­bü­cher. Es gibt wie­der einen gan­zen Schrank nur mit Lyrik und einen Tisch mit femi­nis­ti­schen Themen.

Das Beson­dere an die­sem Laden ist, dass er auch die Back­list pflegt. Hier steht nicht nur das neu­este Buch die­ses geschätz­ten Autors oder die­ser geschätz­ten Autorin, son­dern noch zahl­rei­che Bücher, die bereits vor­her erschie­nen sind. Für mich ist das ein Zei­chen gegen die Schnell­le­big­keit, gegen Halb­werts­zeit. Gute Lite­ra­tur ist keine Mode: Diese Sai­son ist vio­lett und die nächste gelb. Gute Romane behal­ten ihren Wert auch nach fünf, zehn oder 20 Jah­ren. Ja, es gibt auch den Zeit­geist und Lite­ra­tur, die dem ent­spricht – das ist gut so. Aber es gibt eben noch viel mehr Bücher, die dar­über hin­aus gehen. Wie bereits gesagt, mag ich es auch sehr, Bücher in Läden wie­der zu ent­de­cken. In die­sem Laden freue ich mich, dass die­ses eine Buch immer noch dasteht, das viel­leicht schon vor lan­ger Zeit mal mein Inter­esse geweckt hatte oder noch unge­le­sen in mei­nem Schrank steht. Das zeigt mir: Es ist noch nicht zu spät, es zu lesen.

In die­sen Zei­ten komme ich lei­der nicht so gut zum Stö­bern, weil ich ein schlech­tes Gewis­sen bekomme, wenn ich zu lange in dem klei­nen Raum stehe. Statt­des­sen schi­cke ich stän­dig Mails mit Buch­be­stel­lun­gen. Ich mag es, wie unkom­pli­ziert und ohne große Bedin­gun­gen es abläuft. Es gibt keine Kun­den­kon­ten, keine web­ba­sier­ten Bestell­mas­ken, keine offi­zi­elle URL, son­dern ein Stan­dard-Mail-Hos­ter. Ich merke ein­fach, in die­sem Geschäft geht es um Bücher und nicht ums Geschäft.

Fotos: Bücher­städ­ter Thilo

Ein Bei­trag zur The­men­reihe Lieb­lings­buch­hand­lung. Ihr habt auch eine Lieb­lings­buch­hand­lung und möch­tet sie beim Bücher­stadt Kurier vor­stel­len? Dann schreibt uns eine eMail an info[at]buecherstadtkurier.com – wir freuen uns über eure Beiträge!

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