Ein ungleiches Duo auf einem wilden Ritt durch die Weiten Englands #BKtastisch

by Bücherstädterin Kathrin

Vie­len wird der Autor Jona­than Stroud durch seine Rei­hen über den Dschinn Bar­ti­mäus oder die Geis­ter­jä­ger aus Lock­wood & Co. ein Begriff sein. Nun wid­met er sich einer neuen Geschichte. In sei­nem jüngs­ten Werk beglei­ten wir die Gesetz­lose Scar­lett McCain, die sich zusam­men mit Albert Browne durch die wil­den Wei­ten Eng­lands schlägt. Rich­tig gele­sen – Eng­land, nicht Ame­rika. Klingt trotz­dem nach klas­si­scher Wild West Story? Ist es aber ganz und gar nicht. Bücher­städ­te­rin Kath­rin hat sich den ers­ten Band näher ange­schaut und sich über­ra­schen lassen.

Die sieb­zehn­jäh­rige Scar­lett kämpft sich als Out­law durchs Leben. Ihr Brot ver­dient sie sich mit Bank­über­fäl­len in ganz Eng­land. Sie zieht von einer Ver­blie­be­nen Stadt zur nächs­ten, denn lange kann sie sich auf­grund ihres „Berufs“ nir­gendwo auf­hal­ten. Doch davon lässt sich die Meis­ter­schüt­zin nicht unter­krie­gen. Auf der Flucht durch die Wild­nis Eng­lands fin­det sie einen zer­stör­ten Bus und den ein­zi­gen Über­le­ben­den eines schreck­li­chen Unglücks: Albert Browne. Sie ent­schließt sich, dem etwa gleich­alt­ri­gen Jun­gen zu hel­fen, wider bes­se­res Wis­sen. Schnell merkt sie jedoch, dass das keine gute Idee war, denn halb Eng­land jagt Scar­lett wegen ihrer Bank­über­fälle. Nun ist auch noch die andere Hälfte des Lan­des hin­ter Albert her.

Im Kon­trast zu sei­nem schlak­si­gen, harm­lo­sen Erschei­nungs­bild scheint auch Albert nicht ganz unschul­dig zu sein: Er hat ganz beson­dere Fähig­kei­ten, die ihn zu einem wert­vol­len Fang machen. Auf ihn ist ein ordent­li­ches Kopf­geld aus­ge­setzt. Eine wilde Flucht durch die gefähr­li­che Wild­nis Eng­lands beginnt.

Viel mehr als eine klas­si­sche Wild West Story

Bis zu die­sem Moment weist die Geschichte klas­si­sche Merk­male einer Wild West Story auf, doch je wei­ter sie vor­an­schrei­tet, desto mehr Über­ra­schun­gen hält sie bereit. Man stol­pert über Begriffe wie „Ver­blie­bene Städte“, „Gum­mi­stie­fel“ oder „Bus“ und lang­sam wird klar, dass es sich bei Scar­lett & Browne defi­ni­tiv nicht um eine gewöhn­li­che Geschichte in die­sem Genre han­delt. Wir befin­den uns näm­lich nicht im Eng­land der Ver­gan­gen­heit, son­dern der Zukunft.

Wie schon bei Lock­wood & Co. ent­wirft Jona­than Stroud ein alter­na­ti­ves Eng­land: Nicht näher benannte Kata­stro­phen ver­än­der­ten das Leben der Men­schen radi­kal. Nur noch wenige Städte sind übrig und zie­hen sich wie kleine Split­ter über das Land. Zwi­schen ihnen herrscht die Wild­nis. Rie­sige Wesen strei­fen durch die Nacht und machen Jagd auf Beute. Gezeich­nete zie­hen durch die Wäl­der und suchen Nah­rung. Auch sie gehen auf Men­schen­jagd. Über­all lau­ern Gefah­ren und nie­mand wagt sich aus den Städ­ten, hin­ter deren Mau­ern es wei­test­ge­hend sicher ist.

Men­schen, die in wel­cher Form auch immer anders sind (manch­mal reicht ein Mut­ter­mal aus), wer­den aus den Städ­ten ver­bannt und ihrem Schick­sal über­las­sen. Für sie ist kein Platz in der Gesell­schaft. Auch Albert gehört zu die­ser Gruppe. Seine beson­de­ren Fähig­kei­ten machen ihn einer­seits sehr gefähr­lich und ande­rer­seits sehr wert­voll für die Leute, die ihm auf den Fer­sen sind. Doch stellt die­ser schlak­sige Junge in dem zu gro­ßen Pull­over wirk­lich eine Gefahr dar oder wird ihm das nur ein­ge­re­det? Und warum ver­hält er sich so welt­fremd? Kann Scar­lett ihm hel­fen? Und kön­nen sie ihre Ver­fol­ger abschütteln?

Wie war der wilde Ritt?

Jona­than Stroud über­rascht mit einem wil­den Gen­re­mix und einer dys­to­pi­schen Welt, die Lust auf mehr machen. Meis­ter­haft ver­streut er kleine Details über das alter­na­tive Eng­land und spielt mit der Phan­ta­sie von Lese­rin­nen und Lesern. Hier und da hät­ten es ruhig etwas mehr Infor­ma­tio­nen sein dür­fen, aber auch so rei­chen die Hap­pen aus, um sich einen ers­ten Über­blick über das ent­wor­fene Sze­na­rio zu machen. Außer­dem han­delt es sich natür­lich erst um Band 1 einer Reihe.

Strouds unver­kenn­ba­rer Humor, der schon aus den vor­an­ge­gan­ge­nen Rei­hen bekannt ist, schlägt auch hier wie­der durch. Die wit­zi­gen Dia­loge mit Hang zum Sar­kas­mus haben es in sich. Das unglei­che Duo Scar­lett und Albert har­mo­niert wun­der­bar zusam­men und ergänzt sich her­vor­ra­gend. Komik und Span­nung ent­ste­hen durch genau diese Ungleich­heit: Die wilde, knall­harte Scar­lett mit ihrem guten Herz trifft auf den etwas nai­ven, welt­frem­den Albert.

Beide Cha­rak­tere haben ihre Ecken, Kan­ten und Geheim­nisse. Scar­lett zum Bei­spiel, die nicht davor zurück­scheut, Ban­ken aus­zu­rau­ben und Leute mit der Waffe zu bedro­hen, unter­sagt sich selbst Kraft­aus­drü­cke. Eigens zu die­sem Zweck hat sie eine Fluch­kasse, in die sie jedes Mal einen Penny zahlt, sollte ihr doch ein­mal ein sol­ches Wort über die Lip­pen kom­men (das pas­siert häu­fi­ger und ent­wi­ckelt sich zu einem unter­halt­sa­men Run­ning Gag). Lese­rin­nen und Leser dür­fen sich also dar­auf gefasst machen, Scar­lett und Albert ganz schnell ins Herz zu schlie­ßen. Es macht wirk­lich Spaß, die bei­den zu beglei­ten, ihren Weg zu ver­fol­gen und um sie zu ban­gen und zu hoffen.

Im Gegen­satz zu den Rei­hen Bar­ti­mäus und Lock­wood & Co. sei aller­dings dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es hier deut­lich här­ter zur Sache geht. Wilde Schie­ße­reien zie­hen den ein oder ande­ren Toten nach sich, aber schließ­lich befin­den wir uns hier in den wil­den Wei­ten Eng­lands in einer dys­to­pi­schen Welt, die keine Gnade kennt. Scar­lett & Browne wirkt erwach­se­ner als die vor­an­ge­gan­ge­nen Rei­hen, was nicht nur an den älte­ren Prot­ago­nis­ten liegt, denn auch die gna­den­lose Welt trägt ihren Teil dazu bei.

Die Kom­bi­na­tion aus genia­len Dia­lo­gen, einem lie­bens­wer­ten Duo mit inter­es­san­ten Hin­ter­grund­ge­schich­ten und einer grau­sa­men und dys­to­pi­schen Welt erzeu­gen eine explo­sive Mischung, sodass man nur so durch die Sei­ten fliegt.

Soll­ten Geschich­ten im Stile des Wil­den Wes­tens sonst eher nichts für euch sein, lasst euch davon nicht abschre­cken, denn Scar­lett & Browne ist so viel mehr als das und hält viele Über­ra­schun­gen bereit, die Lust auf den zwei­ten Band machen! Also sat­telt euer Pferd und lasst euch auf diese außer­ge­wöhn­li­che Reise ein. Ihr wer­det es bestimmt nicht bereuen – versprochen!

Scar­lett & Browne – Die Out­laws. Jona­than Stroud. Aus dem Eng­li­schen von Katha­rina Orgaß und Gerald Jung. Cbj. 2021.

Ein Bei­trag zum Spe­cial #BKtas­tisch. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

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