Ein Vampir mit Anstand #Todesstadt

by Bücherstadt Kurier

Die Todes­stadt wäre ohne Vam­pire ein­fach nicht voll­stän­dig. Des­halb haben sich Bücher­tän­ze­rin Michelle, Geschich­ten­be­wah­re­rin Michaela, Geschich­ten­er­zäh­ler Adrian, Satz­hü­te­rin Pia und Zei­len­schwim­me­rin Ronja zusam­men­ge­setzt, um eine Geschichte zu erzäh­len, die die­sen schau­rig-wun­der­ba­ren Krea­tu­ren wür­dig ist. Ob die Geschichte einen wür­di­gen Abschluss fin­det oder hier viel­leicht die Hilfe von euch geneig­ten Leser:innen gebraucht wird? Lest selbst!

Er schlug sich die Hände vor die Augen. „Arrggghh!“ Das grelle Fun­keln und Glit­zern vor ihm fraß sich regel­recht in seine Netz­haut. Nata­niel sank auf die Knie, panisch fle­hend, er wolle nicht erblin­den. Mit der Zeit ließ das Fun­keln und Glit­zern nach. Auch wenn er sich vor den Fol­gen fürch­tete, wollte Nata­niel Gewiss­heit. Lang­sam öff­nete er die Augen und was anfangs ver­schwom­men war, ließ ihn mit jedem Augen­blick des Auf­kla­rens mehr und mehr den Atem sto­cken. Er sollte absto­ßend sein und von Kopf bis Fuß ganz schwarz geklei­det, statt­des­sen trug er Weiß. Seine Haut schil­lerte in bun­ten Far­ben und erin­nerte Nata­niel an die­sen Regen­bo­gen­fisch aus dem Lieb­lings­buch sei­ner klei­nen Schwester.

„Guten Tag“, sagte der Vam­pir und ließ den leb­lo­sen Kör­per auf den Boden fal­len, den er bis eben fast wie in einer lie­be­vol­len Umar­mung gehal­ten hatte. „Kann ich Ihnen helfen?“

„Nun ähm ... ja, wie soll ich sagen ...“, stam­melte Nata­niel und rang um Fas­sung. Vor dem schil­lern­den Blut­sauger wollte er tun­lichst seine Furcht ver­ber­gen. „Ähem ...“, räus­perte er sich. „Favo­ri­sie­ren Sie eigent­lich eine bestimmte Blut­gruppe?“, kam es mit einem leich­ten Lächeln aus ihm her­aus. Er ver­fluchte sich inner­lich. Zwei Jahre hatte es gedau­ert, bis er die Spur eines Vam­pirs ent­deckt hatte. Und noch ein­mal sie­ben Monate bis er ihn gefun­den hatte. Doch nun, wo er end­lich vor ihm stand, schlot­ter­ten ihm die Knie und der schöne Text, den er sich über­legt hatte, war ein­fach ver­pufft. Er hatte cool und abge­klärt wir­ken wol­len. Statt­des­sen stam­melte er sich eine Frage über Blut­grup­pen zusam­men. Peinlich.

Noch immer kniff Nata­niel geblen­det die Augen zusam­men, aber es wurde lang­sam bes­ser. Nun erkannte er auch das süf­fi­sante Grin­sen im Gesicht des Vam­pirs. „Es ist wohl wie bei einem guten Wein – die Traube ist ent­schei­dend. Oder auch: Das Auge isst mit.“ Zufrie­den blickte er auf den leb­lo­sen Kör­per vor sich hinab. Nata­niel folgte sei­nem Blick. Vor ihren Füßen lag eine junge Frau, viel­leicht nur wenige Jahre jün­ger als Nata­niel. Ihre wal­len­den gold­blon­den Locken erstreck­ten sich strah­len­för­mig, einer Sonne gleich, neben ihrem Kopf auf dem Boden. Wie sie so dalag, erin­nerte sie ihn an Mari­lyn Mon­roe. Nur mit Blut­sprit­zern in ver­ein­zel­ten Sträh­nen ihres Haars und zwei run­den Biss­spu­ren am Hals.

„Fas­zi­nie­rend, nicht wahr?“, hauchte der Vam­pir plötz­lich sehr dicht neben Nata­ni­els lin­kem Ohr. Er zuckte zusam­men und wich zurück. „Ver­zei­hen Sie.“ Der Vam­pir trat eben­falls einen Schritt zurück und leckte sich geis­tes­ab­we­send einen Bluts­trop­fen von der Hand. „Eine unhöf­li­che Ange­wohn­heit von mir. Ein der­ar­ti­ges unge­be­te­nes Ein­drin­gen in ihre per­sön­li­che Sphäre ist voll­kom­men unan­ge­bracht. Schließ­lich hatte ich nicht vor, Sie zu beißen.“

Das Blut in Nata­ni­els Adern pul­sierte mit jedem Wort des Vam­pirs zuneh­mend, aber er musste die Con­ten­ance wah­ren, um aus die­ser Begeg­nung noch wich­tige Infor­ma­tio­nen für seine Vam­pir­for­schung zu erlan­gen. Er schaute ihm direkt in die kal­ten Augen und lächelte. „Durch­aus. Wirk­lich fas­zi­nie­rend! Beson­ders die prä­zise Plat­zie­rung des Bis­ses an der Hals­schlag­ader!“, erwi­derte er in einem fach­li­chen Ton­fall und rückte dabei seine schwarze Brille zurecht.

„Hal­ten sie mich für einen Bar­ba­ren?“ Der Vam­pir klang ver­är­gert und das Letzte, was Natha­niel wollte, war einen Vam­pir zu verärgern.

„Ent­schul­di­gung, ich wollte Sie kei­nes­falls kränken.“

„Natür­lich gibt es Vam­pire, die weder Anstand noch Manie­ren besit­zen. Die rei­ßen die Arte­ria caro­tis auf. Dann sähe es hier aus wie in einem Schlacht­haus. Mit sol­chen Vam­pi­ren haben wir nichts zu tun“, erklärte der Vam­pir arrogant.

„Natür­lich nicht. Ihr schil­lert ja auch bunt“, dachte Nathaniel.

Lang­sam ver­engte der Vam­pir die Augen noch wei­ter, fixierte sein mensch­li­ches Gegen­über, ohne zu blin­zeln. „Ja“, sagte er gedehnt und offen­barte damit, dass ihm Nata­ni­els Gedan­ken nicht ver­bor­gen blie­ben. „Wir haben eine beson­dere Haut. Aber“, und damit nähert er sich bedroh­lich, „wir haben diese nicht umsonst.“ Er blieb dicht vor Nata­niel ste­hen, der inzwi­schen deut­lich ent­mu­tigt wirkte. „Möch­ten Sie ein­mal erle­ben, was es mit unse­rer schil­lern­den Haut auf sich hat?“, fragte der Vam­pir süf­fi­sant grin­send und mit eiser­nem Atem.

„Ähm ...“ Natha­niel brach der kalte Schweiß aus. „Ähm ... ja?“ Er wich – mög­lichst unauf­fäl­lig, wie er hoffte – einen Schritt vor dem Vam­pir zurück.

„Nun, wenn das so ist ...“ Das Grin­sen des Vam­pirs ver­blasste und ein Aus­druck tie­fer Kon­zen­tra­tion trat an seine Stelle. Plötz­lich riss er sich das Hemd vom Kör­per und der dunkle Raum erstrahlte wie im fun­keln­den Licht dut­zen­der Dis­co­ku­geln. Kleine Regen­bö­gen tanz­ten mit jeder Bewe­gung des Vam­pirs über die Wände. „Glit­zer für alle!“, schrie die­ser, packte Natha­niel und wir­belte ihn in einem flot­ten Wal­zer durch den Raum. Wäh­rend sich alles um Natha­niel drehte, sodass ihm schwin­de­lig wurde, fragte er sich, wo diese Musik plötz­lich herkam ...

Ja, wo kommt diese Musik nur her? Warum hat sich Nata­niel auf die Suche nach einem Vam­pir gemacht? Ist „Glit­zer für alle“ wirk­lich Sinn und Zweck des vam­pi­ri­schen Glit­zerns? Wir haben keine Ahnung! Aber viel­leicht wisst ihr ja mehr? Ihr seid herz­lich ein­ge­la­den, diese Wei­ter­schreib­ge­schichte aus unse­rer Redak­tion fort­zu­füh­ren und uns das Ergeb­nis an kreativlabor[at]buecherstadtkurier.com zu schi­cken. Wir freuen uns schon dar­auf, eure Ein­sen­dun­gen zu lesen und einen Teil zwei von „Ein Vam­pir mit Anstand“ zu veröffentlichen.
Ein Bei­trag zum Spe­cial #Todes­stadt. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

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