Eine Frau und ihre Mission

by Bücherstadt Kurier

Im oscar­ge­krön­ten „Three Bill­boards Out­side Ebbing, Mis­souri“ ist eine Mut­ter auf der Suche nach Ver­gel­tung für den Mord an ihrer Toch­ter. Ihr Mit­tel zum Weg: drei Pla­kat­ta­feln, auf denen sie den Poli­zei­chef anklagt. Mit den Tafeln und ihrer kom­pro­miss­lo­sen und hass­erfüll­ten Hal­tung bringt sie bald die ganze Gemeinde gegen sich auf. – Von Bücher­städ­ter Flo­rian Fabozzi

Nach­dem ihre Toch­ter Opfer einer Ver­ge­wal­ti­gung wurde, doch der Täter noch immer auf freiem Fuß ist, ent­schließt Mild­red Hayes (Fran­ces McDor­mand) aus Ebbing, einer Gemeinde in Mis­souri, selbst aktiv zu wer­den. Sie erwirbt die Rechte auf drei unge­nutzte Pla­kat­wände an einer Land­straße, die sie mit boh­ren­den Vor­wür­fen bedruckt. Zum Sün­den­bock hat sie den Poli­zei­chef Will­oughby (Woody Har­rel­son) aus­er­ko­ren. „Raped While Dying“, „Still no Arrests?“ und „How come, Chief Will­oughby?“ sind die Sätze, die nun jeder Auto­fah­rer liest, der sich auf die Durch­fahrt nach Ebbing begibt.

Ihre Absicht, die Auf­merk­sam­keit der Mas­sen auf den Todes­fall zu len­ken, gelingt ohne Wei­te­res. Die Medien berich­ten und auch der Poli­zei­chef selbst sucht nach einem Gespräch mit ihr. Ihm gelingt es aller­dings nicht, Mild­red zu beschwich­ti­gen, die davon über­zeugt ist, dass die Poli­zei sich eher auf die Dis­kri­mi­nie­rung der afro-ame­ri­ka­ni­schen Bevöl­ke­rung kon­zen­triert, als auf die Auf­klä­rung von Mordfällen.

Die Gemein­de­be­woh­ner soli­da­ri­sie­ren sich mit dem Poli­zei­chef, der ein hohes Anse­hen genießt. Zudem lei­det er an Krebs im fort­ge­schrit­te­nen Sta­dium. Mild­red lässt sich jedoch nicht von ihrem Weg abbrin­gen. Von Ver­bit­te­rung und Skep­sis zer­fres­sen, weist sie ihre Wider­sa­cher zurecht und schreckt auch vor kör­per­li­cher Gewalt nicht zurück. Die Stim­mung in der Gemeinde wird zuse­hends aggres­si­ver und als bald ihre Pla­kat­wände abge­brannt wer­den, schrei­tet Mild­red schließ­lich zu ihrer radi­kals­ten Tat.

Ein hoch­ka­rä­ti­ger Cast

Schon ein Blick auf den Cast ver­setzt die geneig­ten Film­fans in Ver­zü­ckung. Da ist zum einen die fabel­hafte Fran­ces McDor­mand, die sich für ihre Dar­stel­lung als Mild­red über den zwei­ten Oscar in ihrer lan­gen Lauf­bahn freuen durfte. Zum ande­ren Sam Rock­wel, der den Oscar als bes­ter Neben­dar­stel­ler erhielt. Flan­kiert wer­den die zwei Preis­trä­ger unter ande­rem von Woody Har­rel­son (bekannt aus „Zom­bie­land“ und „Die Tri­bute von Panem“), Caleb Landry Jones („Get Out“), Lucas Hedges („Man­ches­ter by the Sea“) und Peter Din­klage („Game of Thrones“).

„Three Bill­boards“ in eine Genre-Schub­lade zu pres­sen, wäre ver­ge­bene Mühe. Schließ­lich pen­delt der Film per­ma­nent zwi­schen Rache-Thril­ler und schwar­zer Komö­die, gewinnt im Ver­lauf mehr und mehr an Tiefe, vor allem dann, wenn einige Cha­rak­tere einen Wan­del voll­zie­hen und Mild­reds stein­harte Fas­sade zu brö­ckeln beginnt.

In vie­ler­lei Hin­sicht bewegt sich Regis­seur Mar­tin McDo­nagh, der das Dreh­buch selbst ent­wi­ckelt hat, auf den Spu­ren von Quen­tin Taran­tino: das Rache­mo­tiv einer Frau, der Unrecht wider­fuhr und die nun auf Ver­gel­tung aus ist. In einer Gesell­schaft, deren Ein­woh­ner von Impul­si­vi­tät und unter­drück­tem Hass erfüllt sind, kommt es dabei zu rasan­ten und derb-wit­zi­gen Dia­lo­gen, gefolgt von schlag­ar­ti­gen, nicht sel­ten blu­ti­gen Gewalt­sze­nen. Zwi­schen Belus­ti­gung und Schock lie­gen für die Zuschauer oft nur wenige Sekun­den. Die Gemein­de­ein­woh­ner las­sen – ent­spre­chend dem Ste­reo­typ von Süd­staa­ten­be­woh­ner – ras­sis­ti­sche Ten­den­zen durch­bli­cken, auch das kennt man von Taran­ti­no­strei­fen. Der Sound­track, der an alte Spa­ghet­ti­wes­tern erin­nert, run­det den Taran­ti­no­es­ken Gesamt­ein­druck ab.

Skur­rile Cha­rak­tere sor­gen für Lacher

Dass die komi­schen Ele­mente bei „Three Bill­boards“ gegen­über den tra­gi­schen letzt­end­lich die Ober­hand behal­ten, liegt nicht zuletzt an eini­gen skur­ri­len Cha­rak­te­ren und deren Zusam­men­spiel mit­ein­an­der. Sei es der aggres­sive und ras­sis­ti­sche Offi­cer Jason Dixon (gespielt von Oscar­ge­win­ner Sam Rock­well), der eigent­lich doch nur ein unsi­che­res Mut­ter­söhn­chen ist, oder der klein­wüch­sige James (Peter Din­klage), der mit allen noch so lächer­li­chen Mit­teln um die Liebe Mild­reds kämpft und spä­ter zu einem Kom­pli­zen wird. Regis­seur McDo­nagh fin­det auch Gefal­len daran, sich bit­te­rer Iro­nie zu bedie­nen, etwa wenn der rüpel­hafte Offi­cer Dixon erst­mals sein unmo­ra­li­sches Ver­hal­ten in Frage stellt – wäh­rend sich um ihn herum unbe­merkt Feuer ausbreitet.

Die meis­ten Cha­rak­tere sind viel­schich­tig, bewe­gen sich in Grau­zo­nen. Auf Ein­tei­lun­gen in Gut und Böse ver­zich­tet der Regis­seur. Selbst bei der Prot­ago­nis­tin, der ver­meint­li­chen Iden­ti­fi­ka­ti­ons­fi­gur, wer­den ver­gan­gene Ver­feh­lun­gen offen­bart. Letzt­end­lich blei­ben die Zuse­her doch auf der Seite Mild­reds, deren Han­deln letzt­lich ein Aus­druck von Ver­zweif­lung ist und eine spe­zi­elle Form der Trau­er­be­wäl­ti­gung. Der Mör­der ihrer Toch­ter ist unbe­kannt – es fehlt das greif­bare Pro­jek­ti­ons­ob­jekt für ihren Hass, den sie statt­des­sen auf den Poli­zei­chef und die ganze Gemeinde bezieht. Der Film stellt die Frage in den Raum, zu wel­chen Taten Trauer legi­ti­miert und wo man dies­be­züg­lich die Grenze zie­hen muss. Auch hin­ter­fragt „Three Bill­boards“ den Sinn von Selbst­jus­tiz, schließ­lich ent­wi­ckeln sich die Dinge für Mild­red, trotz allen Auf­wands, letzt­lich nicht so, wie erhofft.

Three Bill­boards Out­side Ebbing, Mis­souri. Regie und Dreh­buch: Mar­tin McDo­nagh. Dar­stel­ler: Fran­ces McDor­mand, Woody Har­rel­son, Sam Rock­well u.a. 20th Cen­tury Fox. USA und Groß­bri­tan­nien. 2017. FSK 12.

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