Eine Geschichte über Tod, Intrigen und eine Drohne

by Bücherstadt Kurier

Das Motiv der Spio­nage hat in Kri­mi­nal­ro­ma­nen und Thril­lern eine lange Tra­di­tion. Ins­be­son­dere in Polit­thril­lern, deren Hand­lun­gen nicht sel­ten im kal­ten Krieg statt­fin­den, gehört Über­wa­chung und Bespit­ze­lung der Ver­däch­ti­gen zur Tages­ord­nung. Die öster­rei­chi­sche Jugend­buch­au­torin Ursula Pozn­an­ski nimmt sich die­ses Motivs an und stellt es in einen unge­wohn­ten Kon­text. – Von Bücher­städ­ter Florian

Statt Geheim­dienste und poli­ti­sche Kon­flikte von glo­ba­len Groß­mäch­ten bie­tet Pozn­an­ski der Leser­schaft eine beschau­li­che Klein­stadt, in der ein hoch­be­gab­ter Jugend­li­cher durch sein ganz beson­de­res For­schungs­pro­jekt ver­blüf­fende Beob­ach­tun­gen macht. Schnell ent­steht eine unheil­volle Geschichte vol­ler selt­sa­mer Bege­ben­hei­ten und dunk­len Geheimnissen.

Jona Wolf­ram ist 17 Jahre alt und hoch­be­gabt. Seine Intel­li­genz ver­schafft ihm ein Sti­pen­dium für eine renom­mierte Uni­ver­si­tät im fik­ti­ven Rothen­heim, in der größ­ten­teils Söhne von rei­chen Geschäfts­män­nern und Olig­ar­chen imma­tri­ku­liert sind. Was Natur­wis­sen­schaf­ten und Mathe­ma­tik angeht, ist Jona über jeden Zwei­fel erha­ben, doch an sozia­ler Kom­pe­tenz man­gelt es ihm gehö­rig. In sei­nem Umfeld eckt er stets an und erhält schnell den Ruf eines „Klug­schei­ßers“.
Auch das Ver­hält­nis zu sei­ner neuen Gast­fa­mi­lie ist eher unter­kühlt. Um mehr über sein Umfeld zu erfah­ren (und aus rei­ner Neu­gier), schickt Jona bald sein liebs­tes Spiel­zeug auf die Reise: Ela­nus, eine hoch­wer­tig aus­ge­stat­tete und selbst­ge­baute Drohne. Als wäre die Spio­nage auf eigene Faust noch nicht unter­halt­sam genug, steckt er sei­nen Mit­stu­den­ten heim­lich kleine Zet­tel mit bedroh­li­chen Inhal­ten zu. Aus einem ver­meint­lich harm­lo­sen Spaß wird Ernst, als eines Mor­gens ein Uni­ver­si­täts­pro­fes­sor tot auf­ge­fun­den wird – Selbst­mord die Todes­ur­sa­che – und Jona sich dafür ver­ant­wort­lich wähnt.

Der Selbst­mord und wei­tere mys­te­riöse Gescheh­nisse, Ver­wick­lun­gen und Auf­fäl­lig­kei­ten in dem beschau­li­chen Dorf ver­an­las­sen Jona, seine Drohne noch öfter los­zu­schi­cken, um der Sache sel­ber auf den Grund zu gehen. Schon bald stellt er fest, dass er nicht nur stil­ler Beob­ach­ter ist, son­dern viel mehr selbst in gro­ßer Gefahr schwebt. Die ver­meint­li­che Gefah­ren­quelle lau­ert aber nicht nur in der Uni­ver­si­tät, son­dern auch in den eige­nen vier Wänden.

Jona, der Anti-Held

Trotz aukt­o­ria­ler Erzähl­form beglei­tet der Roman durch­weg den All­tag von Jona, wobei vor allem seine Gedan­ken­welt und seine Emo­tio­nen in den Vor­der­grund tre­ten. Seine Gefühle – von Ver­är­ge­rung über Genug­tu­ung bis hin zu Gewis­sens­bis­sen – sind den Situa­tio­nen ange­mes­sen, glaub­wür­dig und über­zeu­gend dar­ge­stellt. Die Hand­lun­gen Jonas erschei­nen nicht immer nach­voll­zieh­bar, ste­hen aber durch­aus im Ein­klang mit sei­nem impul­si­ven Cha­rak­ter. Er reprä­sen­tiert einen typi­schen Anti-Hel­den, der aber an sei­nen Her­aus­for­de­run­gen wächst und an Reife gewinnt.

Die wich­tigs­ten Prot­ago­nis­ten neben Jona ist die Mit­stu­den­tin Mar­lene und der Nach­bar Pas­cal, mit denen Jona sich anfreun­det und die mit der Zeit essen­ti­elle Rol­len im Roman ein­neh­men. Wäh­rend Mar­lene die gewis­sen­hafte und mora­li­sche Instanz dar­stellt, ist Pas­cal der humor­volle Kum­pel­typ. Die drei Freunde ergän­zen sich präch­tig und durch ihre gegen­sätz­li­chen Wesens­züge erge­ben sich immer wie­der unter­halt­same Situationen.

Cle­vere Geschichte und guter Spannungsbogen

„Ela­nus“ erin­nert zeit­weise an einen Krimi, in dem Jona unbe­wusst die Rolle des Detek­tivs über­nimmt. Der Leser tappt lange im Dun­keln, denn es wer­den ihm viele Puz­zle­teile vor­ge­legt, die nicht inein­an­der zu pas­sen schei­nen. Die letzt­lich ent­schei­den­den Hin­weise sind sub­til in der Geschichte ein­ge­baut und die Auf­lö­sung dem­entspre­chend für den Leser überraschend.

Der Roman kommt eher lang­sam in Fahrt, wird dann aber suk­zes­siv span­nen­der und hält diese Span­nung kon­se­quent bis zum Ende. Die Kapi­tel, in denen die Geschichte etwas ent­schleu­nigt wird, stö­ren nicht, weil sie einen Ein­blick ins Innen­le­ben Jonas bie­ten und somit nie ein Gefühl der Sta­gna­tion ent­steht. Das Ende des Romans ist uner­war­tet und ver­setzt den Leser ins Stau­nen, wenn­gleich ein paar Fra­gen offen­blei­ben und sich klei­nere Logik­feh­ler einschleichen.
Etwas ent­täu­schend ist die Dar­stel­lung vie­ler Neben­cha­rak­tere, die eher farb­los und unzu­gäng­lich blei­ben. Ins­be­son­dere über die Gast­el­tern, die – wie sich her­aus­stellt – eine Lei­che im Kel­ler haben, wer­den zu wenig Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen preisgegeben.

Auf der Höhe der Zeit

Ein Grund dafür, warum der Roman ins­ge­samt gut funk­tio­niert, liegt in der inter­es­san­ten, weil aktu­el­len The­ma­tik. Die Droh­nen­tech­no­lo­gie ent­wi­ckelt sich ste­tig wei­ter und die Anwen­dungs­be­rei­che für Droh­nen deh­nen sich aus. Der Roman ver­deut­licht die Schat­ten­seite der Tech­no­lo­gie, die Mög­lich­keit der Über­wa­chung und Nach­stel­lung ande­rer Zivi­lis­ten. Da Pozn­anskis Beschrei­bun­gen der tech­ni­schen Pro­zesse und Zusam­men­set­zung der Drohne nach­voll­zieh­bar ist, wer­den auch tech­nik­in­ter­es­sierte Leser Freude an dem Roman haben kön­nen. Die Ziel­gruppe, an die sich das Werk rich­tet, ist breit gefä­chert: Krimi- und Thril­ler­freunde, ob jugend­lich oder erwach­sen, soll­ten „Ela­nus“ einen Platz in ihrer To-Read-Liste zugestehen.

Ela­nus. Ursula Pozn­an­ski. Loewe Ver­lag. 2016.

Weiterlesen

Leave a Comment

Diese Seite verwendet Cookies. Mit der Nutzung unserer Website erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. OK Erfahre mehr