Eine inszenierte Welt: „Das Theater von nebenan“

by Zeichensetzerin Alexa

In Sonja Danow­skis neuem Werk „Das Thea­ter von nebenan“ dreht sich alles um Thea­ter, Spiel und Freund­schaft. Ein Buch vol­ler Büh­nen­bil­der und pup­pen­haf­ter Prot­ago­nis­ten in einer Welt, die es nicht gibt. Zei­chen­set­ze­rin Alexa ist nicht überzeugt.

Die Geschwis­ter Pia und Pablo lie­ben das Pup­pen­thea­ter über alles. Ihre Hand­pup­pen sind kleine Kunst­werke, lie­be­voll bemalt und geklei­det. Jede Puppe hat einen Namen und bringt bestimmte Eigen­schaf­ten mit. Die wich­tigs­ten Hand­pup­pen in die­sem Buch sind die Gärt­ne­rin Linda, der Zwerg Zuc­chino und der Koch Estragon.

Als die Geschwis­ter den neuen Nach­bars­jun­gen Ricky ken­nen­ler­nen, wen­det Pablo sei­nem gro­ßen Hobby den Rücken zu. Denn Ricky mag keine Pup­pen und spielt lie­ber mit Autos. Dass Pablo keine Zeit mehr für das Pup­pen­thea­ter und für seine Schwes­ter hat, stimmt Pia trau­rig. Aber es ändert sich alles, als Ricky krank wird.

Ein (Rollen-)Spiel

„Das Thea­ter von nebenan“ ver­knüpft ver­schie­dene Kin­der-The­men: Das (Rollen-)Spiel wird zu einem zen­tra­len Ereig­nis, durch das Freund­schaf­ten ent­ste­hen kön­nen. Dabei wird das Vor­ur­teil auf­ge­grif­fen, dass Pup­pen nur etwas für Mäd­chen seien und Autos für Jungs. Im Schlüs­sel­mo­ment ändert sich diese Sicht­weise und Ricky beginnt, das Pup­pen­thea­ter wertzuschätzen.

Wert­schät­zung ist etwas, das neben­bei – ins­be­son­dere durch die Bil­der – zum Thema gemacht wird. Wäh­rend die Geschwis­ter lie­be­voll mit ihren Hand­pup­pen umge­hen und sie pfle­gen, tritt Ricky beim Rück­wärts­ge­hen auf eine Puppe und denkt sich nichts wei­ter dabei.

Auf Distanz

Trotz der the­ma­ti­sier­ten Kon­flikte, die mit Emo­tio­nen der Prot­ago­nis­ten ver­bun­den sind, berührt die Geschichte nicht. Dies ist einer­seits der ein­fa­chen, sehr nüch­tern-sach­li­chen Spra­che geschul­det und ande­rer­seits der Dar­stel­lung der Cha­rak­tere, deren Gefühle nicht son­der­lich zum Aus­druck kom­men. Bild und Text hal­ten dadurch eine Distanz zu den Rezi­pi­en­ten auf­recht, die unüber­wind­bar ist.

Im Prin­zip hätte der Text, der kaum wei­tere Infor­ma­tio­nen gibt, auch weg­ge­las­sen wer­den kön­nen. Die Hand­lung kann allein anhand der Illus­tra­tio­nen erschlos­sen wer­den. Diese fül­len fast die kom­plet­ten Dop­pel­sei­ten aus, sind detail­reich und mit vie­len unter­schied­li­chen Farb­nu­an­cen und Schat­tie­run­gen gestal­tet. Dadurch wir­ken die Bil­der wie auf­wen­dig gemalte Gemälde.

Insze­nierte Welt: Bühnenbilder

Die Bil­der erschei­nen in der Anord­nung der Bild­ele­mente aber vor allem insze­niert und erin­nern an Büh­nen­bil­der: der Blick auf die Prot­ago­nis­ten, ihre Hal­tung, die Per­spek­tive, aus der ein Raum dar­ge­stellt wird, aber auch die Idylle, in der sich die Geschichte abspielt, und die Dar­stel­lung der Natur, der viel Platz ein­ge­räumt wird.

Inmit­ten die­ser Bil­der ste­hen drei Kin­der, deren Gesich­ter sich sehr ähneln, pup­pen­haft und daher unecht wir­ken. Die­ser Ein­druck des Insze­nier­ten spie­gelt sich nicht nur im Äußer­li­chen, son­dern auch in den irri­tie­ren­den Hand­lun­gen der Kin­der. Wür­den sich Kin­der wirk­lich so ver­hal­ten wie in die­sem Buch dar­ge­stellt? Zu per­fekt erschei­nen sie – ihr Auf­tre­ten, ihr Aus­se­hen, ihre Hand­lun­gen – und die Welt, in der sie leben, um die Rea­li­tät abzubilden.

Für Kin­der eher ungeeignet

„Das Thea­ter von nebenan“ spie­gelt im Grunde genau das: Thea­ter. Die Welt ist eine Bühne, die Prot­ago­nis­ten sind leb­lose Pup­pen – das hat nichts mit der Rea­li­tät zu tun. Aber genau diese suchen Kin­der in Büchern: Wenn nicht in der dar­ge­stell­ten Welt (denn diese kann schließ­lich auch fiktiv/magisch sein), so zumin­dest in den Prot­ago­nis­ten, in denen sie sich wie­der­fin­den kön­nen. Durch Hand­lun­gen, die ihnen ver­traut sind, oder Emo­tio­nen und Dia­loge. Das Per­fekte jedoch irri­tiert nur und es stellt sich die Frage, wel­chen Sinn ein Bil­der­buch hat, das sich an Kin­der rich­tet, wenn es die Kin­der nicht in deren Lebens­welt abholt. Nur The­men auf­zu­grei­fen, die Kin­der inter­es­sie­ren (könn­ten), reicht nicht aus, um als „Kin­der­buch“ durchzugehen.

Das Thea­ter von nebenan. Sonja Danow­ski. Bohem. 2019.

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3 comments

Tina 19. September 2019 - 21:08

Inter­es­sant, ich hätte nie gedacht, dass man das Buch auch so schlecht fin­den kann. Wir pla­nen gerade eine Ver­an­stal­tung dazu und so bin ich auf die­sen Bei­trag gesto­ßen. Wir hier sind total begeis­tert vom ‚Thea­ter von nebenan‘, auch bei den Kin­dern in der Lese­gruppe kommt es super an. Uns alle hat die Geschichte mit ihren kunst­vol­len Illus­tra­tio­nen sehr berührt. Zum Glück sind Geschmä­cker ver­schie­den. Ich kann nur allen emp­feh­len, sich selbst einen Ein­druck von die­sem beson­de­ren Bil­der­buch zu verschaffen.

Mit bes­ten Grüßen,
Tina aus der Kinderbibliothek

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Zeichensetzerin Alexa 23. Oktober 2019 - 18:40

Liebe Tina, vie­len Dank für dei­nen Kom­men­tar! Ich teile abso­lut deine Mei­nung: Jede und jeder sollte sich stets einen eige­nen Ein­druck ver­schaf­fen, da – wie du schon geschrie­ben hast – Geschmä­cker unter­schied­lich sind und die Wahr­neh­mung eines Wer­kes stets sub­jek­tiv ist. Ich habe in der Kita die Erfah­rung gemacht (ich „teste“ in der Regel jedes Bil­der­buch, das ich rezen­siere, mit Kin­dern, denn auf diese kön­nen Bücher schließ­lich eine gänz­lich andere Wir­kung haben als auf mich), dass die Kin­der schnell vom Inhalt gelang­weilt waren, da der Span­nungs­bo­gen fehlt und sie sich in den Figu­ren nicht wie­der­erken­nen konn­ten. Da ist es natür­lich sehr inter­es­sant zu lesen, dass das Buch bei den Kin­dern in eurer Lese­gruppe anders ange­kom­men ist. Herz­li­che Grüße!

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Tina 27. Oktober 2019 - 14:18

Liebe Alexa,
vie­len Dank für deine nette Ant­wort. Es kommt sicher auch auf das Alter der Kin­der an. Die Kin­der in unse­rer Lese­gruppe sind zwi­schen 5 und 10, wir laden auch öfters ganze Grund­schul­klas­sen zu uns in die Biblio­thek ein. Neben der Hand­lung der Geschichte, die sehr viel Gesprächs­stoff zu bie­ten hat, geht es uns beim gemein­sa­men Betrach­ten der Bil­der­bü­cher auch um die Illus­tra­ti­ons­kunst. Das hat gar nicht so viel mit Geschmack zu tun, ob man nun lie­ber Comic oder Rea­lis­mus mag, es geht uns darum, die Kin­der an die ver­schie­dens­ten Stil­rich­tun­gen her­an­zu­füh­ren. Kunst­voll erstellte Gemälde wie im Thea­ter von Nebenan sind auf dem Bil­der­buch­markt eine Sel­ten­heit. Die Kin­der stau­nen über die wun­der­ba­ren Details und sind fas­zi­niert von der mär­chen­haf­ten Atmo­sphäre. Das ist eine sur­real schöne Welt, in die man gern abtaucht. Auch in Hin­blick auf die Kunst im Bil­der­buch hätte ich es Schade gefun­den, die Rezen­sion unkom­men­tiert ste­hen zu las­sen, denn aus­ge­fal­lene Bücher, die nicht dem kom­mer­zi­el­len Schema ent­spre­chen ver­die­nen eine beson­dere Würdigung.
Wei­ter alles Gute und viel Freude am Lesen,
Tina

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