Eine Portion Kunstkrimi, bitte!

by Worteweberin Annika

Statt über Mord und Tot­schlag, Ver­fol­gungs­jag­den und Schuss­wech­sel hat Bern­hard Jau­mann mit „Der Turm der blauen Pferde“ einen Krimi über Kunst geschrie­ben. Worte­we­be­rin Annika ist der Kunst­de­tek­tei von Schle­e­witz auf die Spur des berühm­ten Gemäl­des von Franz Marc gefolgt.

Der bedeu­tende Unter­neh­mer und Kunst­samm­ler Schwar­zer betraut die Detek­tei von Schle­e­witz mit einem uner­hör­ten Fall: Angeb­lich ist Franz Marcs seit dem Zwei­ten Welt­krieg ver­schol­le­nes Gemälde „Der Turm der blauen Pferde“ wie­der auf­ge­taucht, zumin­dest hat Schwar­zer ein sol­ches Bild erste­hen kön­nen. Die Kunst­de­tek­tei von Schle­e­witz wird mit der Ermitt­lung der Pro­ve­ni­enz, also der Her­kunft die­ses Bil­des beauftragt.

Was ist eigent­lich „echt“?

Rupert von Schle­e­witz, Klara Iva­no­vic und Max Mül­ler sind das Ermitt­ler­team in Bern­hard Jau­manns neuer Kri­mi­reihe. Abwech­selnd wird aus den Per­spek­ti­ven der drei erzählt, wobei zudem Rück­blen­den in die Ver­gan­gen­heit ein­ge­scho­ben sind. Die drei bege­ben sich auf Spu­ren­su­che, klop­fen ver­schie­dene Etap­pen ab und lan­den bald in Berch­tes­ga­den. Wurde das Bild hier aus einem Zug vol­ler Kunst­schätze geklaut? Wer war der Ver­käu­fer und wie kam er an das Bild heran? Und ist das Bild tat­säch­lich echt?

„Die blauen Pferde sag­ten ihm, dass alles ganz anders war, als er gedacht hatte. Es gab einen Sinn, es gab eine Wahr­heit. Sie ver­steckte sich tief unter der sicht­ba­ren Ober­flä­che der Welt und hatte eine Farbe, die man nicht vor­he­r­ah­nen konnte. Er würde danach suchen.“ (S. 14)

Mit der Spu­ren­su­che ver­bun­den sind im Roman auch all­ge­meine Refle­xio­nen über Authen­ti­zi­tät – was ist denn eigent­lich bes­ser an einem „ech­ten“ Marc, wenn er sich optisch nicht von einer Fäl­schung unter­schei­det? Müs­sen wir unsere Wert­vor­stel­lun­gen in Bezug auf Kunst und auch auf Berei­che des All­tags überdenken?

Drei Detek­tive

Das Ermitt­ler­trio besteht aus ganz unter­schied­li­chen Figu­ren, die in sich und im Zusam­men­spiel mit­ein­an­der viel Poten­zial für wei­tere Bände bie­ten: Klara Iva­no­vic ist „gera­dezu ekel­haft ver­nünf­tig“, hat stän­dig Sche­re­reien mit ihrem Vater, einem altern­den Künst­ler und ein unter­kühl­tes Lie­bes­le­ben. Rupert von Schle­e­witz hin­ge­gen erweckt eher den Ein­druck eines Auf­rei­ßers, hat aber auch ein Herz, das er schnell und leicht­fer­tig ver­schenkt. Und Max Mül­ler schließ­lich ist der typi­sche, etwas spie­ßige Fami­li­en­va­ter, den aber auch einige Pro­bleme plagen.

Und so unter­schied­lich, wie die Lebens­ent­würfe die­ser drei sich dar­stel­len, so unter­schei­den sich auch die Her­an­ge­hens­wei­sen an den Kri­mi­nal­fall. Max ist für Com­pu­ter­re­cher­chen und Archiv­ar­beit zustän­dig und schießt sich schnell auf eine Lösung ein, Rupert lässt sich emo­tio­nal leicht in den Fall ver­wi­ckeln, wäh­rend Klara mit küh­lem Kopf vor­geht. Die Span­nung zwi­schen den Detek­ti­ven lässt sich auch in wei­te­ren Bän­den gut auf­grei­fen und weiterentwickeln.

Der Kunst­zir­kus

Natür­lich wer­den viele Infor­ma­tio­nen über Kunst und Franz Marc ein­ge­streut, so dass die Lek­türe infor­ma­tiv ist. So geht es um ent­ar­tete Kunst im Natio­nal­so­zia­lis­mus und die Kunst­züge vol­ler bedeu­ten­der Werke aus Görings Pri­vat­be­sitz, die nach Berch­tes­ga­den geschickt wur­den. Doch es bleibt auch span­nend, denn obwohl durch Rück­blen­den vie­les für die Lesen­den bekannt ist, was das Ermitt­ler­team noch nicht weiß, bleibt ande­res bis kurz vor und auch noch am Ende offen. Jau­mann setzt aber nicht auf Tricks und bil­lige Span­nungs­ef­fekte. Sein Krimi ist ruhig und über­legt erzählt. Beson­ders gut hat mir die meta­fik­tio­nale Wen­dung am Ende gefal­len, die große Teile des Romans relativiert.

Ein Kunst­krimi, das ist mal etwas ande­res – und es wird zum Glück wei­ter­ge­hen mit der Kunst­de­tek­tei von Schleewitz!

Der Turm der blauen Pferde. Bern­hard Jau­mann. Galiani Ber­lin. 2019.

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