Eine unscheinbare Horrorperle

by Geschichtenerzähler Adrian

Im Juni 2012 sorgte Ent­wick­ler und You­Tuber Mark J. Had­ley mit sei­nem Spiel „Slen­der: The Eight Pages“ für einen wah­ren Inter­net­hype. Zwar ist die­ser Hype längst abge­klun­gen, doch Geschich­ten­er­zäh­ler Adrian wirft einen Blick zurück und fin­det, dass „Slen­der“ hin­ter sei­ner kan­ti­gen Gra­fik und simp­len Spiel­me­cha­nik noch immer eines der bes­ten Hor­ror­spiele sei­nes Gen­res ist.

Das ober­fläch­li­che Sze­na­rio von „Slen­der: The Eight Pages“ ist ebenso schnell erklärt wie seine Regeln: Man star­tet allein in einem Wald bei Nacht, nur mit einer Taschen­lampe bewaff­net muss man sich nun auf die Suche nach den im Titel erwähn­ten acht Sei­ten machen, die über­all im Spiel­ge­biet ver­teilt sind. Wie und warum die Spiel­fi­gur hier gelan­det ist, wird nicht ver­ra­ten. Doch man ist nicht allein in dem Wald, denn der namens­ge­bende Slen­der­man, ein gesichts­lo­ses, huma­no­i­des Wesen, ver­folgt einen.

Same same, but different

Obwohl die Karte des Spiel­ge­bie­tes die­selbe bleibt – beson­dere Orte haben ihren fes­ten Platz – sind die Sei­ten immer unter­schied­lich im Wald ver­teilt und ver­steckt. Kein Spiel­durch­lauf ist wie der andere, obwohl die Grund­prä­misse stets gleich bleibt.

Hier spielt ebenso der Slen­der­man eine große Rolle, denn sein Ver­hal­ten und seine Posi­tion sind kaum bis gar nicht vor­her­zu­sa­gen. So kann es sein, dass der Spie­lende den Slen­der­man hin­ter einem Baum in der Ferne ent­deckt und im nächs­ten Moment steht er direkt hin­ter der nächs­ten Ecke. Klingt zwar ein wenig nach bil­li­gem Jumps­care-Spiel, doch durch den Trick, dass sich der Gesichts­lose solange nicht bewe­gen kann, wie ihn der Spie­ler anschaut, ent­steht ein wenig das Gefühl von Kon­trolle. Die Tat­sa­che, dass man jedoch Stück für Stück den Ver­stand ver­liert, je län­ger man den Slen­der­man anschaut, lässt den Spie­len­den nicht über­mäch­tig erschei­nen. Es ist ein Wech­sel­spiel zwi­schen Angst und dem Ver­such, die Lage zu kon­trol­lie­ren, was jedoch mal bes­ser, mal schlech­ter gelingt. Hinzu kom­men noch die beson­de­ren Orte – bei­spiels­weise eine Art Wasch­haus und eine Bau­stelle, die ein bei­nahe klaus­tro­pho­bi­sches Gefühl vermitteln.

Gekonnte Immer­sion

Natür­lich kann man jetzt Spiele wie etwa „Alien: Iso­la­tion“ anfüh­ren, deren Story viel umfang­rei­cher ist und neben­bei noch viel bes­ser aus­sieht. Schließ­lich ist das geg­ne­ri­sche Alien ebenso unbe­re­chen­bar und gar nicht zu durch­schauen, doch gegen „Alien: Iso­la­tion“ hat „Slen­der: The Eight Pages“ einen ent­schei­den­den Vor­teil, der ebenso wich­tig für ein Hor­ror­spiel ist wie eine bedrü­ckende Atmo­sphäre und Gru­sel: gekonnte Immer­sion. Immer­sion bedeu­tet: Ein Spiel oder Buch erzeugt ein so stim­mi­ges und fes­seln­des Erleb­nis, dass man sich als Spie­len­der darin ver­lie­ren kann.

Zwar schafft es „Alien: Iso­la­tion“ auch, solch eine Grund­stim­mung zu erzeu­gen, bis man stirbt und stirbt und stirbt, denn das Alien ist zu unbe­re­chen­bar und scheint ebenso will­kür­lich. Man stirbt, aber es geht wei­ter, denn man hat unend­lich viele Leben, unend­lich viele Chan­cen, es zu schaf­fen und ebenso unend­lich viele Chan­cen, erneut getö­tet zu wer­den. Es gleicht einem Lim­bus, in dem jeder Ver­such anders ist. Die Will­kür des Ali­ens macht ein Pla­nen bei­nahe unmög­lich und so kommt irgend­wann die Frus­tra­tion und die Immer­sion, wel­che das Spiel so stim­mungs­voll auf­ge­baut hat, ist für die Katz. Ange­spannt krampft man sich von Check­point zu Check­point und ist halb mit den Ner­ven fer­tig, wenn alles geschafft ist.

Auch in „Slen­der“ ist der Tod häu­fig, aber dann ist das Spiel aus und beginnt von vorne – was bei der kur­zen Spiel­zeit nicht so tra­gisch erscheint. Jeden Spiel­durch­lauf baut das Spiel erneut seine Atmo­sphäre, seine Immer­sion gekonnt schnell auf und je län­ger durch­ge­hal­ten wird, desto stär­ker wer­den diese bei­den Aspekte. Natür­lich ist ein kur­zer Ärger da, wenn wie­der nicht geschafft wurde, die acht Sei­ten ein­zu­sam­meln, doch man ist dem Spiel nicht böse, da es nie unfair erscheint.

Immer wie­der gut

„Slen­der: The Eight Pages“ ist ein nost­al­gi­sches Hor­ror­er­leb­nis, wel­ches auch nach Jah­ren noch begeis­tern kann. Da es kos­ten­los ist und nied­rige Anfor­de­run­gen für den PC hat, ist es für alle mög­lich, einen Blick zu ris­kie­ren, was ich auch emp­fehle. Man sollte nur über die kan­tige Gra­fik hin­weg­se­hen, denn dahin­ter steckt eine echte Horrorperle.

Slen­der: The Eight Pages. Von: Mark J. Had­ley. Par­sec Pro­duc­tions. 2012. FSK 12.

Screen­shots: Geschich­ten­er­zäh­ler Adrian

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