Eine Verfilmung mit vielen Schrecken

by Erzähldetektivin Annette

Die Kin­der­buch­ver­fil­mung „Burg Schre­cken­stein“ möchte einem heu­ti­gen Publi­kum päd­ago­gisch wert­volle Unter­hal­tung bie­ten. Dies gelingt nur bedingt und auch die Über­tra­gung der alten Vor­lage in die heu­tige Zeit funk­tio­niert nicht immer. Erzähl­de­tek­ti­vin Annette ist sich den­noch sicher: Sein Publi­kum wird der Film trotz­dem finden.

2015 wagte sich Regis­seur Ralf Huett­ner an die Ver­fil­mung der Kin­der­buch­klas­si­ker um die Jungs von „Burg Schre­cken­stein“. Der Film basiert auf der gleich­na­mi­gen Buch­reihe von Oli­ver Has­sen­camp, die die­ser zwi­schen 1959 und 1988 in ins­ge­samt 27 Bän­den ver­öf­fent­lichte. Dabei möchte die Ver­fil­mung den Geist der Bücher in die Gegen­wart über­tra­gen und ihrem Publi­kum nicht nur Unter­hal­tung bie­ten, son­dern eine posi­tive Bot­schaft vermitteln.

Von guten und schlech­ten Werten

Tat­säch­lich wer­den Werte wie Freund­schaft und Soli­da­ri­tät recht gut ver­mit­telt. Andere Werte blei­ben jedoch auf der Stre­cke. So sind die Strei­che, wel­che die Jungs um Haupt­fi­gur Ste­phan und sei­nem bes­ten Kum­pel Dampf­walze den Mäd­chen vom benach­bar­ten Inter­nat spie­len, zwar gelun­gen an die heu­ti­gen tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten ange­passt. Von der ursprüng­li­chen Schre­cken­stein-Defi­ni­tion, wonach nichts zer­stört wer­den darf und auch das Opfer hin­ter­her noch lachen kön­nen muss, ist jedoch nichts mehr zu spüren.

Wenn die Jungs Hüh­ner erst in Säcke ste­cken, um sie dann im Infor­ma­tik­saal des Mäd­chen­in­ter­nats aus­zu­set­zen, zeugt dies bereits von einem unnö­tig leid­vol­len Umgang mit Tie­ren. Bekom­men die Hüh­ner, wenn auch nicht ganz beab­sich­tigt, noch scharfe Nüsse zu essen und davon Durch­fall, ist die Situa­tion nicht nur für die Schü­le­rin­nen am nächs­ten Mor­gen eklig, son­dern ganz sicher kein Umgang mit Tie­ren, den ein Film pro­pa­gie­ren sollte. Glei­ches gilt für das Ver­hal­ten gegen­über der Katze von Schul­di­rek­to­rin Frau Dr. Horn. Ganz sicher sollte die leicht­sin­nige Zer­stö­rung teu­ren Schu­le­quip­ments här­tere Fol­gen als eine Stand­pauke vom Schul­di­rek­tor nach sich ziehen.

Über­tra­gung der Vor­lage nur teil­weise gelungen

Auch die Dar­stel­lung der Figu­ren ist recht platt, vor allem die Erwach­se­nen schei­nen kaum mehr als Schwach­stel­len in der Hand­lung zu über­brü­cken. Ledig­lich Haupt­cha­rak­ter Ste­phan gewinnt an Tiefe, wenn er die Bezie­hung zu sei­nen Eltern reflek­tiert und erste eigene, erwach­sene Ent­schei­dun­gen trifft. Die Jung­dar­stel­ler machen ihre Sache jedoch sehr gut und zei­gen sym­pa­thi­sche Figu­ren, die ihrem jun­gen Publi­kum Pro­jek­ti­ons­flä­che bie­ten. Lese­rin­nen und Leser der Buch­vor­lage bemän­geln der­weil die Abwei­chun­gen vom Ori­gi­nal: Wich­tige Attri­bute wie die Fahr­rad­be­geis­te­rung von Dampf­walze wer­den nicht umgesetzt.

Gene­rell wirkt die Anpas­sung an das all­täg­li­che Erle­ben des heu­ti­gen Publi­kums eher gestellt und über­am­bi­tio­niert. Dies zeigt sich bereits zu Beginn wäh­rend der Ein­füh­rung der Haupt­fi­gur. Zu ver­meint­lich coo­len Hip Hop-Beats rich­tet Ste­phan mit sei­nem Skate­board auf den Bür­ger­stei­gen einer deut­schen Groß­stadt Flur­scha­den an – natür­lich eben­falls ohne Kon­se­quen­zen und nur zur Belus­ti­gung der Zuschauer. An ande­rer Stelle funk­tio­niert die Aktua­li­sie­rung des Stof­fes jedoch gut; etwa, wenn die Jun­gen eine Drohne ins Mäd­chen­in­ter­nat steu­ern, um den Feind bes­ser aus­spio­nie­ren zu kön­nen. Posi­tiv anzu­mer­ken ist in jedem Fall das Auf­bre­chen der Geschlech­ter­rol­len: Jun­gen wie Mäd­chen ste­hen sich bei ihren Strei­chen in puncto Ein­falls­reich­tum und Selbst­be­wusst­sein in nichts nach.

Fazit

Eine rea­lis­ti­sche Dar­stel­lung des Inter­nats­le­bens ver­mag „Burg Schre­cken­stein“ sicher nicht zu lie­fern. Dies ist auch nicht der Anspruch des Films. Sehr wohl möchte er jedoch päd­ago­gisch posi­tive Werte ver­mit­teln – und dies gelingt nur bedingt. Als Unter­hal­tungs­film á la „Schloss Ein­stein“ mit Rit­ter­ele­men­ten dürfte er ein jun­ges Publi­kum aber unter­hal­ten, wenn er hier­bei auch nicht die erste Wahl sein sollte.

Illus­tra­tion: Buch­stap­le­rin Maike

Ein Bei­trag zum Pro­jekt #lit­kin­der. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

Burg Schre­cken­stein. Regie: Ralf Huett­ner. Dreh­buch: Chris­tian Lim­mer. Mit M. Magno, C. Nwo­kolo. Con­corde Home Enter­tain­ment. Deutsch­land. 2016.

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1 comment

Finstere (Zeit-)Reisen (Verlosung) – Bücherstadt Kurier 17. Juni 2017 - 13:01

[…] Ne­ben all die­sen Buch­emp­feh­lun­gen ist auch die Kin­der­buch­ver­fil­mung „Burg Schre­cken­stein” ge­rutscht, von der Er­zähl­de­tek­ti­vin An­net­te nicht gänz­lich über­zeugt war. […]

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