Einmal Döner mit Philosophie, bitte!

by Poesiearchitektin Lena

Ein klas­si­scher Diens­tag­abend: Regen, Gehupe und ich in Jog­ging­hose, starre in den fast lee­ren Kühl­schrank, wäh­rend ich mir mei­nen 12-Tage-Bart kratze und über­lege, wie wich­tig mir Essen ist. Was ist über­haupt wich­tig? Brau­che ich Essen, um ein gutes Leben zu füh­ren? Was ist ein gutes Leben? Auf jeden Fall muss es etwas mit Essen zu tun haben. Ein Blick auf mein iPhone sagt mir, dass Ali noch eine halbe Stunde geöff­net hat. Ree­boks an, Power­bank ange­stöp­selt, die drei Euro in die Tasche gesteckt und los.

„Ein­mal wie immer.“ Ali schaut mich an und grinst so breit, dass ich sei­nen Gold­zahn sehen kann. „Scheint als ob du heute schon wie­der kein Date hast. Knob­lauch­küsse sind soweit ich weiß nicht gerade im Trend. Im Gegen­satz zu Snap­chat. Guck mal! Mit dem neuen Fil­ter sehe ich aus wie eine Giraffe! Haha­haha.“ Ich ver­drehe nur die Augen und setze mich weit weg, um mir heim­lich den neuen Giraf­fen­fil­ter anzu­schauen, als ich meh­rere selt­sam aus­se­hende Typen bemerke. Erst denke ich, ich bin im Trop­fen­den Kes­sel und hier ist ein Zau­berer­tref­fen. Lange Bärte, komi­sche Gewän­der und … Wein? Ich wusste nicht, dass Ali neu­er­dings auch Wein anbie­tet. Ich schnappe ein „Wis­sen ist Macht!“ auf, nicke nur abwe­send und denke wie recht der Mann hat, wäh­rend ich durch die News blät­tere und einen Arti­kel über Kylie Jen­ner überfliege.

Mein schlech­tes Gewis­sen mel­det sich, als ich höre, dass einer sagt: „Mir sind die Schü­ler sehr zuge­tan. Der Wis­sens­durst die­ser hüb­schen Jüng­linge ist bemer­kens­wert! Beson­ders Pla­ton ver­wun­dert mich immer wie­der. Er inter­es­siert sich sehr für den Staat. Ich denke, er wird einen Klas­si­ker her­vor­brin­gen!“ Na toll. Jetzt sitzt hier auch noch ein Poli­tik­prof. Und wie kann man bitte so moti­viert sein wie die­ser Pla­ton? Lus­ti­ger Name übri­gens, kommt bestimmt aus Schweden.

„AHA! Du hast gerade gesagt, dass du denkst. Da bin ich geneigt eine neue These in den Raum zu wer­fen. Und zwar: Ich denke, also bin ich. Na? Naaa? Das ist ein neuer Mei­len­stein, meine Freunde!“ Ich ver­kneife mir ein Lachen. Ich denke, also bin ich? Aha. Ich esse gleich, also bin ich. Ich befinde mich im 15. Semes­ter, also bin ich. So etwas hätte auch von mir kom­men kön­nen. „Freunde, nun möchte ich auch etwas bei­tra­gen. Mir ist ein Licht auf­ge­gan­gen! Hört genau hin: Es gibt eine Welt, wie sie uns erscheint, und die Welt der Dinge an sich. Logisch, nicht wahr?“ „Imma­nuel, du hast zu viel von die­sem pri­ckeln­den, brau­nen und süßen Trunk genom­men. Mir scheint, du bist etwas durch­ein­an­der.“ Brau­ner und süßer Trunk? Inter­es­sante Beschrei­bung für Cola.

Ich ver­su­che zu erra­ten, wie weit Ali mit mei­nem Döner ist, aber ich sehe nichts. Viel­leicht befin­det er sich ja gerade in einer ande­ren Welt. In der Welt der Dinge. Viel­leicht ist er ja auch ein Ding. Ein Ali-Ding. Plötz­li­ches Gebrüll lässt mich zusam­men­zu­cken. Ich kann aber nicht genau ver­ste­hen, worum es geht. Die ein­zel­nen Wort­fet­zen kann ich irgend­wie nicht zusam­men­set­zen. „Ideen! Über­mensch! Seele! Sin­nes­ein­drü­cke!“ Lang­sam nervt es aber. Ich möchte ein­fach in Ruhe auf mei­nen Döner war­ten und der Musik von Ed Sheeran lauschen.

Der Lärm endet so schnell wie er begon­nen hat, als ich auch ein paar Wör­ter in den Raum schreie: „Tief­kühl­pizza! Flücht­lings­krise! Bücher­stadt Kurier! BAföG-Antrag!“ Die Män­ner star­ren mich an als wäre ich hier der Ver­rückte. Immer­hin ist jetzt Ruhe, abge­se­hen von mei­nem Bauch, der vor sich hin grum­melt. Ein Glück, dass in die­sem Moment Ali ruft: „Ein­mal Döner mit Kuss­ab­schre­ckung!“ Ein generv­ter Blick mei­ner­seits: „Jajaja, bis in drei Tagen dann“ und ich befinde mich wie­der auf dem Rück­weg in meine olle Dreier-WG. Nach dem ers­ten gro­ßen Bis­sen habe ich end­lich die Ant­wort. Ich weiß jetzt, was ein gutes Leben aus­macht. Weder irgend­wel­che See­len­teile noch Gerech­tig­keit. Der Sinn des guten Lebens ist so einfach:

Ein Döner mit viel Knoblauch.

Ein Bei­trag zum Spe­cial #phi­lo­so­phie­stadt. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

Bild: pixabay​.com

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