Ende? Bitte alternativ!

by Satzhüterin Pia

Es ist bald ein Jahr her, dass wir die Spiel­straße mit einer Reihe von Bei­trä­gen zu ent­schei­dungs­ba­sier­ten Spie­len bestück­ten. Satz­hü­te­rin Pia greift das äußerst nahe­lie­gende „Genre“ für die Blog­pa­rade #schra­e­ge­sEnde von schraeg­le­sen zum Thema Ende noch ein­mal auf.

„Sie wol­len Ein­fluss auf eine gut insze­nierte Welt neh­men und das Schick­sal inter­es­san­ter, tief­grün­di­ger Cha­rak­tere bestim­men. Je höher dabei der eigene Ein­fluss, desto bes­ser gefällt das Spiel. Die Fas­zi­na­tion besteht darin, eine Art fil­mi­sche Geschichte nicht nur zu kon­su­mie­ren, son­dern Teil von ihr wer­den und sie ver­än­dern zu kön­nen.“ So schön fasste die Kol­le­gin Erzähl­de­tek­ti­vin Annette in ihrem ein­lei­ten­den Bei­trag zu der Reihe um die ent­schei­dungs­ba­sier­ten Spiele zusam­men, was Spie­ler an eben die­sen so zu fas­zi­nie­ren scheint. Mal sind diese Ent­schei­dun­gen – die auch immer eine kri­ti­sche Hin­ter­fra­gung bedin­gen – mit einer grö­ße­ren Trag­weite behaf­tet und mal doch eher Schein als Sein.

Ent­we­der – oder

Dies scheint die Grund­idee zu sein – der grund­le­gende Reiz der Spiele, die ver­spre­chen, von den Ent­schei­dun­gen des Spie­len­den zu leben. Dass es oft kei­nen wirk­li­chen Ein­fluss auf das Ende der Geschichte nimmt, lässt einen scha­len Nach­ge­schmack zurück. Den­ken wir nur an „Life is strange“. In ihrem Bei­trag zu dem fran­zö­si­schen Indie­game hat Erzähl­de­tek­ti­vin Annette her­aus­ge­stellt, wie eine Spiel­si­tua­tion erst dann ver­las­sen wer­den kann, „wenn die – aus Sicht der Ent­wick­ler – ‚rich­tige‘ Ent­schei­dung getrof­fen wor­den ist.“ An der einen oder ande­ren Stelle möge so das Gefühl auf­kom­men, wich­tige Hand­lungs­op­tio­nen stün­den gar nicht erst zur Ver­fü­gung. Und so oder so: Es läuft alles auf eine letzte Ent­we­der-Oder Ent­schei­dung hin­aus. Ist das wirk­lich ent­schei­dungs­ba­siert? Dar­über ließe sich wohl streiten.

Auch bei „Mass Effect“ war das Ende für viele Spie­ler ent­täu­schend. Nach unzäh­li­gen Ent­schei­dun­gen kamen Spie­ler ans Ende und wur­den ledig­lich vor ein wei­te­res Dia­lograd gestellt, um sich zwi­schen einer Hand­voll von End­se­quen­zen zu ent­schei­den, wie Code­jä­ger Peter in sei­ner Rezen­sion schreibt. Warum er das Ende als Game­play Ent­schei­dung schwach, als nar­ra­tive Kon­se­quenz jedoch stark fin­det, könnt ihr dort nachlesen.

Ent­schei­den und beeinflussen

Aber wir wis­sen auch, dass es bes­ser funk­tio­nie­ren kann, dass Ent­schei­dun­gen Kon­se­quen­zen haben kön­nen. Auch in vor­pro­gram­mier­ten Spie­len, die natur­be­dingt immer eine ein­ge­schränkte eigene Hand­lungs­mög­lich­keit mit sich brin­gen. Ein schö­nes Bei­spiel und quasi ein Pio­nier sei­nes Gen­res ist „Heavy Rain“. Über­haupt sind diese „inter­ak­ti­ven Filme“, wie sie so schön genannt wer­den, ein gutes Bei­spiel für die (gelun­ge­nere) Umset­zung von Ent­schei­dun­gen und deren Ein­fluss­nahme in Videospielen.

Bei „Heavy Rain“ sind es 17 ver­schie­dene Enden, die wir Spie­ler durch unsere Ent­schei­dun­gen errei­chen kön­nen. Gibt FBI-Agent Jay­den dem Ver­lan­gen nach Dro­gen nach? Fan­gen Ethan und Madi­son etwas mit­ein­an­der an? Die Ent­schei­dun­gen blei­ben ten­den­zi­ell auf der cha­rak­ter­li­chen Ebene.

„Es sind cha­rak­ter­li­che Ent­schei­dun­gen, die so etwas wie Ein­fluss zu neh­men schei­nen“, schrieb ich auch in mei­nem Bei­trag zu „Bey­ond: two souls“, dem Nach­fol­ger von „Heavy Rain“. Ob wir nun „Ja“ oder „Weiß nicht“ als kleine Jodie ant­wor­ten, die Szene danach bleibt immer gleich, die Sequen­zen mit der älte­ren Jodie ver­än­dern diese Ent­schei­dun­gen nicht. Bei „Bey­ond: two souls“ gibt es 26 ver­schie­dene End­sze­nen, ganz streng genom­men aber nur zehn ver­schie­dene Enden, die eben je nach Ver­lauf des Spiels leicht abge­wan­delt dar­ge­stellt wer­den können.

Übri­gens: Dadurch, dass wir bei „Heavy Rain“ meh­rere Figu­ren spie­len, gibt es im Falle des Ster­bens einer die­ser Figu­ren kei­nen klas­si­schen Game over-Bild­schirm. Die Spie­ler müs­sen ledig­lich mit den Kon­se­quen­zen davon leben und haben eine Figur weni­ger, die sie durch die Geschichte steu­ern müs­sen. Auch bei „Bey­ond: two souls“ gibt es kein Game over. Aber – Mini-Spoi­ler – ein Ende ist Jodies Tod.

Durch­bre­chen von Narration

Code­jä­ger Peter stellt in sei­nem Bei­trag zu „The Stan­ley Para­ble“ eine ganz ele­men­tare Frage, wenn es um Ent­schei­dun­gen in Video­spie­len geht: „Han­delt es sich […] um den freien Wil­len des Spie­lers, eine Ent­schei­dung zu tref­fen, oder ist die­ser freie Wille in der vir­tu­el­len Welt nur eine Illu­sion und wenn wir nicht unse­rem eige­nen Wil­len fol­gen, wes­sen Wil­len fol­gen wir dann?“

Wir spie­len einen Ange­stell­ten, Employé Num­mer 472, der in sei­nem Büro in einer ver­wais­ten Firma erwacht. Wir fol­gen dem vor­ge­ge­be­nen Weg – doch wenn die Erzäh­ler­stimme sagt, wir sol­len nach links gehen, ent­schei­den wir uns natür­lich für die rechte Tür und durch­bre­chen damit erst­mals die fest­ge­legte Nar­ra­tion. Wie viele Enden es bei „The Stan­ley Para­ble“ gibt? Laut Ent­wick­ler Davey Wre­den seien es sechs im ursprüng­li­chen Spiel, die Neu­auf­lage habe dage­gen 18 Enden. Wäh­rend Spiele im Grunde immer eine Ent­schei­dungs­frei­heit sug­ge­rie­ren, die letzt­lich mehr Schein als Sein ist, ist die Idee hin­ter „The Stan­ley Para­ble“ eine andere: Hier bringt jede Ent­schei­dung ein ande­res Ende mit sich.

An die­ser Stelle einen ganz gro­ßen Tipp für „The Stan­ley Para­ble“: Ein klei­nes, aber hoch­gra­dig fei­nes Spiel, das nicht durch Action, Emo­tio­nen oder eine groß­ar­tige Optik bestechen muss, son­dern ein­fach durch Dekon­struk­tion des The­mas „Ent­schei­dun­gen in Video­spie­len“ und zudem durch eine gehö­rige Por­tion Witz dank der Erzählerstimme.

Ihr wollt noch mehr über Ent­schei­dun­gen und alter­na­tive Enden von Spie­len lesen? Dann schaut euch die Bei­träge in der Reihe um ent­schei­dungs­ba­sierte Spiele an. Euch fehlt dort ein ganz wich­ti­ges Spiel? Wir freuen uns über einen Hin­weis oder sogar einen Gast­bei­trag!

Mögt ihr alter­na­tive Enden? Habt ihr viel­leicht noch Spiele-Tipps, die die Idee der Ent­schei­dungs­frei­heit gut umset­zen, einen neuen Ansatz ver­fol­gen oder ein­fach rich­tig spie­lens­wert sind? Schreibt es uns in die Kommentare!

Weiterlesen

7 comments

Ende? Anfang. | schraeglesen 26. Dezember 2017 - 8:55

[…] Ende? Bitte alter­na­tiv! – von Satz­hü­te­rin Pia (Bücher­stadt Kurier) […]

Reply
Blogparade: Ende? | schraeglesen 26. Dezember 2017 - 8:56

[…] Ende? Bitte alter­na­tiv! – von Satz­hü­te­rin Pia (Bücher­stadt Kurier) […]

Reply
Ein Kreis hat kein Ende | schraeglesen 2. Januar 2018 - 12:18

[…] Ende? Bitte alter­na­tiv! – von Satz­hü­te­rin Pia (Bücher­stadt Kurier) […]

Reply
Ich hasse Enden. | schraeglesen 2. Januar 2018 - 12:19

[…] Ende? Bitte alter­na­tiv! – von Satz­hü­te­rin Pia (Bücher­stadt Kurier) […]

Reply
Traumfänger mit losen Enden | schraeglesen 2. Januar 2018 - 12:20

[…] Ende? Bitte alter­na­tiv! – von Satz­hü­te­rin Pia (Bücher­stadt Kurier) […]

Reply
Endgame: Computerspiele bewahren? | schraeglesen 3. Januar 2018 - 14:08

[…] Ende? Bitte alter­na­tiv! – von Satz­hü­te­rin Pia (Bücher­stadt Kurier) […]

Reply
In Endlosschleife | schraeglesen 15. Januar 2018 - 17:40

[…] Ende? Bitte alter­na­tiv! – von Satz­hü­te­rin Pia (Bücher­stadt Kurier) […]

Reply

Leave a Comment

Diese Seite verwendet Cookies. Mit der Nutzung unserer Website erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. OK Erfahre mehr