Endlich wieder hinter den Spiegeln

by Zeilenschwimmerin Ronja

Zehn Jahre ver­folgt Zei­len­schwim­me­rin Ronja nun schon die Brü­der Jacob und Will Reck­less auf ihrer Reise durch die Welt der Mär­chen. Nun ist mit „Reck­less – Auf sil­ber­ner Fährte“ der vierte Teil von Cor­ne­lia Funkes Spie­gel­welt­reihe erschie­nen. Ein­mal im Buch abge­taucht, war die lange War­te­zeit völ­lig vergessen.

Die Suche nach Jacobs jün­ge­rem Bru­der hat ihn und Fuchs bis nach Nihon geführt. Gerade als sie alle Hoff­nun­gen auf­ge­ge­ben haben, läuft Will ihnen prak­tisch vor die Füße. Doch er ist nicht allein. Gemein­sam mit Jacobs Erz­feind Ner­ron ist Will auf der Suche nach einem Heil­mit­tel für Sech­zehn, einer Krea­tur aus Glas und Sil­ber, geschaf­fen von nie­mand ande­rem als dem Erl­elf Spie­ler. Jacob und Fuchs beglei­ten Will auf sei­ner Suche, wohl wis­send, dass sie das in große Gefahr bringt, denn Jacob hat ein­mal einen Han­del mit Spie­ler geschlos­sen, um Fuchs zu retten.

Eigent­lich hatte ich die vori­gen Bände noch ein­mal lesen wol­len, damit ich mich an alles erin­nere. Das war mir zwar lei­der gerade nicht mög­lich, zum Glück war es aber auch nicht not­wen­dig. Schon nach weni­gen Kapi­teln hatte die Geschichte mich zurück: „Wer war noch mal ...? Ach ja, natür­lich. Und diese bei­den kön­nen sich nicht aus­ste­hen, weil … Rich­tig.“ Kurz: Die Spie­gel­welt ist zu gut kon­stru­iert, als dass nichts davon hän­gen bleibt.

Der vierte Band führt in die fern­öst­li­che Mär­chen­welt, die Jacob, Will und Fuchs ebenso fremd ist wie vie­len Leser*innen in hie­si­gen Brei­ten­ge­ra­den. Im Ver­gleich erschien es mir eher wie eine Stipp­vi­site, denn es tau­chen nicht über­mä­ßig viele „exo­ti­sche“ Mär­chen- und Sagen­ele­mente auf. Rela­tiv schnell hat die Rei­se­gruppe das japa­nisch inspi­rierte Nihon wie­der ver­las­sen. Dafür ist der neu ein­ge­führte Cha­rak­ter Yanagita Hideo aller­dings äußerst inter­es­sant und bie­tet viel Poten­tial für die Fortsetzung(en) der Reihe. Denn ja, es wird ein­deu­tig noch mehr von der Spie­gel­welt zu lesen geben.

Die Geschichte der Reck­less-Brü­der war von Beginn an düs­te­rer und „erwach­se­ner“ als die meis­ten von Cor­ne­lia Funkes ande­ren Roma­nen. Sogar etwas erwach­se­ner als Tin­ten­herz. Die einen mögen das gut fin­den, ande­ren miss­fällt das viel­leicht. Per­sön­lich emp­finde ich es als äußerst pas­send. Mit poli­ti­schen Intri­gen und all den – immer kom­ple­xer wer­den­den – Bezie­hun­gen zwi­schen den Figu­ren spre­chen „Reck­less – Auf sil­ber­ner Fährte“ und seine Vor­gän­ger ein­fach ein ande­res Ziel­pu­bli­kum an.

Die Spie­gel­welt wird im wahrs­ten Sinne mit jedem neuen Band grö­ßer, die Cha­rak­tere haben lie­bens­werte und absto­ßende Eigen­schaf­ten und irgend­wann weiß man gar nicht mehr so recht, ob man „die Bösen“ eigent­lich wirk­lich so rich­tig böse fin­det. Ein­fa­che Ant­wor­ten gibt es in der Spie­gel­welt genauso wenig wie im wah­ren Leben …

Wisst ihr, posi­tive Rezen­sio­nen sind doch im Prin­zip oft eher lang­wei­lig. Man möchte ledig­lich sagen, dass das Buch gut ist, zum Schein pickt man sich hier und da viel­leicht einen klei­nen Kri­tik­punkt her­aus, aber eigent­lich … Cor­ne­lia Funke ist eben ein­fach eine mei­ner Lieb­lings­au­torin­nen, was soll ich also noch groß her­um­schwat­zen? Da lasse ich lie­ber ein Zitat ohne wei­te­ren Kom­men­tar für sich sprechen:

„Die Füch­sin blickte hin­auf zu den Ster­nen und fand in ihren Bil­dern all die Stra­ßen, die sie in den letz­ten Mona­ten mit Jacob bereist hatte. Var­an­gia, Kas­akh, Mon­gol, Zhong­gua … Vor einem Jahr hat­ten all diese Namen noch nichts bedeu­tet. Nun waren sie mit unver­gess­li­chen Erin­ne­run­gen ver­bun­den […].“ (S. 11)

P.S. Wer Tin­ten­herz ver­misst, wird bei genauem Lesen mit einem klei­nen Wort in einem unschein­ba­ren Neben­satz im vier­ten Band belohnt, der Kenner*innen ein wis­sen­des Lächeln auf die Lip­pen zau­bert. Du hast ihn auch gefun­den? Will­kom­men im ver­schwo­re­nen Club der ver­we­ge­nen Zauberzungen.

Reck­less – Auf sil­ber­ner Fährte. Cor­ne­lia Funke. Mit Illus­tra­tio­nen der Autorin. Dress­ler. 2020. Erhält­lich in der Buch­hand­lung eures Vertrauens.

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