Engelsspiel: Zur falschen Zeit am falschen Ort

by Satzhüterin Pia

… bes­ser lässt sich die Geschichte „Engels­spiel“ von Klaus Schu­ker nicht auf den Punkt brin­gen. Was braucht es, um ein Leben zu zer­stö­ren? Wie ver­hin­dert man Aus­wir­kun­gen von Ver­leum­dung? Und ist Schuld immer ein­deu­tig? Ein Kri­mi­nal­ro­man, der Satz­hü­te­rin Pia nach­denk­lich stimmt.

Eine lang­jäh­rige Lebens­part­ne­rin, ein klei­nes Töch­ter­chen, ein Haus und ein guter Job: Mehr braucht es im Leben nicht, um sich zufrie­den schät­zen zu kön­nen. Doch für Daniel Schön­wind schon, denn hin und wie­der kann er einem One-Night-Stand, dem all­täg­li­chen Trott ent­ge­gen­wir­kend, nicht wider­ste­hen. Genau dies wird ihm zum Ver­häng­nis, als er sich auf eine nächt­li­che Tram­pe­rin ein­lässt: Die 17-jäh­rige Janina Heit­mann beschul­digt ihn der Ver­ge­wal­ti­gung. Kurz dar­auf ver­liert er sei­nen Job und seine Freun­din ver­lässt ihn mit­samt der gemein­sa­men Toch­ter Ramona. Für die Poli­zei und seine Nach­barn ist schnell klar: Daniel Schön­wind ist schul­dig, eine Min­der­jäh­rige ver­ge­wal­tigt zu haben. Nur er kennt die Wahr­heit und wehrt sich – anfangs noch unge­schickt und erfolg­los, geht er schließ­lich abge­brüh­ter an seine Rache heran. Mit Erfolg?

EngelsspielBeängs­ti­gend rea­les Szenario

Der Kri­mi­nal­ro­man „Engels­spiel“ beginnt 17 Stun­den vor der „Tat“. Kapi­tel­weise ver­rin­gert sich die Zeit bis zu dem einen Wen­de­punkt, der für Daniel Schön­wind den Zusam­men­sturz sei­nes bis­he­ri­gen Lebens bedeu­tet. Der Fort­lauf der Zeit tut dem Span­nungs­bo­gen kei­nen Abbruch und auch – oder beson­ders – „58 Tage danach“ fes­selt die Geschichte. Schu­ker bleibt nicht bei der Per­spek­tive Schön­winds, son­dern erzählt auch aus der Sicht Jani­nas und wei­te­rer Neben­fi­gu­ren – bis hin zu den Poli­zis­ten. Leser wis­sen schnell um Jani­nas Moti­vik und statt selbst mit zu rät­seln, inter­es­siert die Frage, ob und wie der Prot­ago­nist sich aus der immer enger wer­den­den Schlinge zieht.
So rich­tig sym­pa­thisch ist keine der Figu­ren. Schön­wind, der attrak­tive und leicht cho­le­ri­sche Frau­en­held nicht und Janina, der abge­brühte und ego­is­ti­sche „Engel“ erst recht nicht. Ledig­lich einige der Neben­fi­gu­ren wecken Sym­pa­thien. Doch die Geschichte scheint diese Sym­pa­thien nicht zu brau­chen, denn auch ohne die­ses posi­tive Inter­esse an den Haupt­fi­gu­ren fes­selt sie. Der nach­voll­zieh­bare Hand­lungs­ab­lauf und die Inten­tio­nen der Figu­ren tra­gen sicher­lich ihren Teil dazu bei und bie­ten Denk­an­stöße: Wie schnell kann doch ein Leben aus den Fugen geraten!

Schwach ein­ge­stie­gen…

Die direkt zu Anfang noch beson­ders son­nig beschrie­bene Bezie­hung von Daniel und sei­ner Part­ne­rin Karin schüt­telt den Schein schnell ab und zeigt sich als fest­ge­fah­rene und unlieb­same Bezie­hung, die im Grunde nur noch aus Gewohn­heit und der gemein­sa­men Toch­ter zu liebe auf­recht gehal­ten wird. Der erste Ein­druck ist für eine höhere Fall­höhe ver­än­dert wor­den, wirkt jedoch lei­der stark kon­stru­iert. Beson­ders der Start in ein Buch ent­schei­det vie­les – vor allem, ob wei­ter­ge­le­sen wird.

…stark wei­ter­ge­macht

Schu­ker schafft es jedoch, sei­nen schwa­chen Start ins Buch wett­zu­ma­chen und Leser, die über die ers­ten holp­ri­gen Sei­ten hin­weg­se­hen kön­nen, wer­den mit vie­len span­nen­den Ent­wick­lun­gen belohnt. Die Spra­che bleibt dabei durch­weg flüs­sig und geht, bis auf wenige Aus­nah­men, den siche­ren Weg, was dem Lese­fluss und kurz­wei­li­gen Ein­tau­chen in den Roman jedoch zugu­te­kommt. Sein küh­ler Blick auf die Haupt­fi­gu­ren schmei­chelt die­sen nicht – weder dem erwach­se­nen und zu Unrecht beschul­dig­ten Mann, noch dem min­der­jäh­ri­gen, angeb­li­chen Opfer. Der ver­meint­lich obli­ga­to­ri­sche erho­bene Zei­ge­fin­ger am abrup­ten Ende der Geschichte bleibt aus, und man fie­bert, trotz aller Anti­pa­thien, mit: Schafft Schön­wind seine Reha­bi­li­ta­tion? Merkt Heit­mann, was sie für ein ego­is­ti­sches Spiel treibt? Wird alles über­haupt ein gutes Ende neh­men? Nur so viel sei ver­ra­ten: Das Ende hat mich überrascht!

„Engels­spiel“ ist kein revo­lu­tio­nä­rer Text, kann jedoch mit einer sehr zufrie­den­stel­len­den Geschichte die­nen und bie­tet ins­ge­samt mehr als solide Krimi-Unter­hal­tung, die sich in sehr kur­zer Zeit lesen lässt!

Engels­spiel. Klaus Schu­ker. Fabu­lus-Ver­lag. 2016.

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