„Er liest das Buch ja sowieso nicht.“

by Bücherstadt Kurier

[Krümel] Schulbücherei

Bücher­bän­di­ge­rin Eli­sa­beth arbei­tet außer­halb der Bücher­stadt als Leh­re­rin. Sie ver­kün­det eine Ode an die Schulbüchereien.

Wir schrei­ben das Jahr 2015. An unse­rer Schule wird das all­jähr­li­che Früh­lings­fest geplant: Die Schü­ler füh­ren Lie­der und Tänze auf, es gibt Selbst­ge­bas­tel­tes zu kau­fen und alle paar Jahre gibt es auch Bücher. Diese Bücher ent­stam­men der gut sor­tier­ten Schul­bü­che­rei die­ser Schule. Alle paar Jahre wüh­len sich ein paar uner­schro­ckene Bücher­wür­mer, Leh­re­rin­nen, durch die klei­nen Schätze und „sor­tie­ren aus“.
Als Teil die­ses Büche­rei­teams kann ich sagen: Schätze kann man da durch­aus fin­den. Bücher aus den 60er Jah­ren, wel­che die Nost­al­gie wecken. Schöne Illus­tra­tio­nen im „alten“ Stil, ver­gilbte Sei­ten, Seri­fen­schrift. Lei­der nichts mehr, wonach die Kin­der von heute grei­fen und – zuge­ge­be­ner­ma­ßen – ich auch nicht. Gerade dann, wenn die Schrift­größe einer Größe 8 gleicht und der Auf­bau der Sei­ten ohne Punkt, Komma und Absatz erscheint. Sol­che Bücher wer­den aussortiert.

Beim Früh­lings­fest gibt es dann einen eige­nen Stand, an wel­chem diese Bücher gegen eine frei­wil­lige Spende mit­ge­nom­men wer­den kön­nen. Das Geld fließt natür­lich in Neu­an­schaf­fun­gen für die Büche­rei. Ein schö­ner Kreis­lauf, nicht? Wäre da nicht der trübe Hin­ter­ge­danke, dass alle Bücher, die kei­nen neuen Besit­zer fin­den, in die Tonne wan­dern. Ich hasse es, Bücher wegzuwerfen.

Nun ja, wei­ter im Text. Das Früh­lings­fest läuft an. Das Inter­esse ist noch ver­hal­ten. Hin und wie­der ver­irrt sich jemand an den Bücher­tisch, kramt ein wenig, nimmt ein Buch mit, spen­det etwas. Nach einer Stunde immer noch so viele Bücher. Das wird wohl ein schlim­mes Ende neh­men mit den klei­nen Schätzen.
Doch dann wer­den Schü­ler auf den Tisch auf­merk­sam. Sie bemer­ken, dass sie sich mit ihrem klei­nen Taschen­geld, das sie mit­be­kom­men haben, um sich etwas zu kau­fen, durch­aus auch Bücher leis­ten kön­nen: Eines oder sogar meh­rere. Von da an ist am Bücher­tisch stän­dig Bewe­gung. Es wird gesucht, gekramt, gefeilscht (wenn man das bei Spen­den so nen­nen kann) und sta­pel­weise mit­ge­nom­men. Die Rei­hen lich­ten sich. Lei­der gibt es auch die Gegen­bei­spiele wie: „Oh, das kos­tet etwas. Nein, dann schauen wir mal wei­ter.“ Aber das kennt man ja. Geschenkt ist noch zu teuer.

Zurück zu den fröh­li­chen und strah­len­den Kin­dern, die ein Buch oder mehr aus­ge­sucht haben: Die letz­ten Minu­ten des Fes­tes sind ange­bro­chen und es lie­gen noch immer Bücher da. Bücher, die in die Tonne wan­dern wür­den. Die­ses Schick­sal wird aber durch nur einen Satz abge­wen­det: „Nehmt mit. Die sind jetzt gra­tis.“ Erst ein­mal große Ver­wir­rung. Gra­tis? Geschenkt? Doch sobald die Kin­der gemerkt haben, was gemeint ist, wird gebun­kert. Zum Zeit­punkt t‑0 liegt kein ein­zi­ges Buch mehr auf dem Tisch und die Kar­tons sind leer. Kein ein­zi­ges Buch fin­det den Weg in die Tonne. Alle fin­den ein neues Zuhause.

Nun, ob die Bücher alle gele­sen wer­den wür­den? Wahr­schein­lich nicht. Aber sie ste­hen in einem Regal. Viel­leicht wür­den sie irgend­wann aus­sor­tiert wer­den, viel­leicht an andere wei­ter­ge­schenkt, viel­leicht wirk­lich gele­sen. Aber das Ange­bot steht bei den Schü­lern in den Rega­len. Es ist wie bei allem ande­ren auch. Wenn man das Ange­bot nicht schafft und der Zugang nicht gewähr­leis­tet ist, wie soll man dann Kin­der zum Lesen brin­gen? Wenn sie an Büchern nur vor­bei­ge­hen und sie durch Schau­fens­ter sehen, wird es schwer für sie, einen Bezug dazu aufzubauen.

Warum ich das alles erzähle? Mir geht eine Dis­kus­sion vor zwei, drei Jah­ren nicht mehr aus dem Kopf, in wel­cher die Frage auf­kam, warum eine Schul­bü­che­rei über­haupt not­wen­dig wäre. Warum sollte man nicht bes­ser in die ört­li­che oder regio­nale Büche­rei gehen, unter ande­rem auch die Eltern in die Pflicht neh­men? Wenn ich daran denke, wie viele Schü­ler jede Woche in die Büche­rei stür­men, um im Sor­ti­ment zu stö­bern und sich neue Bücher aus­zu­lei­hen, oder wie sie mit Span­nung und Freude in den eigent­lich alten Büchern beim Früh­lings­fest gewühlt haben und mit Sta­peln von Büchern auf den Armen nach Hause gewat­schelt sind, fällt mir nur eines ein: GENAU DAFÜR!

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