„Es war einmal ein Mann, der war sehr groß, riesengroß.“

by Zeichensetzerin Alexa

Groß – klein, oben – unten, Him­mel – Erde: Das Bil­der­buch „Mein rie­sen­gro­ßer Papa“ spielt mit Gegen­sät­zen. Es zeigt auf eine ästhe­tisch anspre­chende Art, wie unter­schied­lich die Sicht­wei­sen von Erwach­se­nen und Kin­dern sein kön­nen – und dass man die jeweils andere anneh­men kann. – Von Zei­chen­set­ze­rin Alexa

„Es war ein­mal ein Mann, der war sehr groß, rie­sen­groß.“ Und zwar so groß, dass er über die Baum­spit­zen hin­aus­bli­cken konnte. Schon immer hat er sich gewünscht, selbst ein­mal Papa zu sein, und als er es dann ist, erlebt er eine rie­sen­große Über­ra­schung – oder eher eine win­zig­kleine: Denn seine Toch­ter ist so klein, dass man sie kaum erbli­cken kann. Seine anfäng­li­che Ent­täu­schung – denn er hat sich schon aus­ge­malt, was er alles mit sei­nem rie­sen­gro­ßen Kind unter­neh­men würde – ist schnell ver­flo­gen. Er setzt das Mäd­chen auf seine Schul­ter und will ihm „viele lus­tige Sachen beibringen“.
Doch das ist gar nicht so ein­fach: Was für den gro­ßen Mann all­täg­lich ist, begeg­net dem Kind als Hin­der­nis. Weit oben sind Zweige, wel­che die Wange des Mäd­chens zer­krat­zen, ein Apfel fällt auf sei­nen Kopf und eine Wolke ver­fängt sich in sei­nem Haar. Da ist der Papa so trau­rig, dass er seine Toch­ter wie­der absetzt. Diese hat dann aber eine andere Idee, wie sie trotz­dem gemein­sam etwas erle­ben kön­nen. Von da an wech­selt die Per­spek­tive – und der Papa sieht Dinge, die er zuvor nicht wahr­ge­nom­men hat.

Oben – unten, groß – klein

„Mein rie­sen­gro­ßer Papa“ ver­an­schau­licht nicht nur die unter­schied­li­che Kör­per­größe von einer erwach­se­nen Per­son und einem Kind, son­dern auch deren Per­spek­tive, aus denen sie ihre Welt wahr­neh­men. Der große Mann rich­tet sei­nen Blick vor­wie­gend nach oben, das Kind ist auf­grund sei­ner Größe der Erde näher und nimmt andere Dinge wahr. Indem Vater und Kind trotz ihres Grö­ßen­un­ter­schie­des ver­su­chen, die jeweils andere Sicht­weise ein­zu­neh­men, ler­nen sie, Kom­pro­misse ein­zu­ge­hen. Auf diese Weise kön­nen sie dann doch noch gemein­sam Dinge erle­ben, die ihnen Spaß machen.

Am Ende ist der Papa sehr glück­lich dar­über, eine so kleine Toch­ter zu haben. Diese Tat­sa­che lässt dar­über hin­weg­se­hen, dass er am Anfang noch über die Kör­per­größe „ein wenig ent­täuscht“ war. Und auch der erste Ein­druck, es ginge ihm nur darum, seine Inter­es­sen bezie­hungs­weise Wün­sche durch das Kind zu ver­wirk­li­chen, flacht im Laufe der Geschichte ab. Es wird deut­lich, dass nicht nur die Erwach­se­nen den Kin­dern etwas bei­brin­gen kön­nen, son­dern auch die Kin­der den Erwach­se­nen. Auf nur weni­gen Sei­ten ent­wi­ckeln sich die Prot­ago­nis­ten wei­ter und ver­än­dern ihre Sicht­wei­sen. Den Lesern wird mit auf den Weg gege­ben: Es kommt nicht immer alles so, wie man es sich vor­stellt – aber man kann die Sicht dar­auf ver­än­dern, Kom­pro­misse ein­ge­hen und genauso viel Freude haben.

Gestal­tung und Farben

Die Gestal­tung des Bil­der­bu­ches passt her­vor­ra­gend zum Inhalt: Col­la­gen ver­lei­hen den Bil­dern Tiefe und Per­spek­tive und hier und da kann man an Bild­ele­men­ten fort­ge­führte Linien sehen, wo eigent­lich keine wären. So wird sicht­bar gemacht, was eigent­lich nicht sicht­bar ist. Dies kann sym­bo­lisch betrach­tet wer­den: Das Mäd­chen zeigt ihrem Vater Dinge, die zuvor unsicht­bar für ihn waren. Der Illus­tra­tor macht sicht­bar, was hin­ter einem Baum oder einem Stein ver­steckt wäre.

Die Illus­tra­tio­nen sind trotz detail­vol­ler Bild­ele­mente klar und nicht über­la­den, sodass sowohl das Gesamt­bild als auch Details wahr­ge­nom­men wer­den kön­nen. Dabei spie­len auch Far­ben eine tra­gende Rolle: Anders als man es aus vie­len Bil­der­bü­chern kennt, wer­den hier keine knal­li­gen Far­ben ver­wen­det, son­dern in weni­gen, unter­schied­li­chen Nuan­cen ein­ge­setzt. Dadurch wir­ken die Illus­tra­tio­nen ruhig und der Blick wird auf die far­big her­vor­ste­chen­den Ele­mente gelenkt. Ein­zig die Farb­wahl der Klei­dung des Mäd­chens stört das Gesamt­bild in einer Geschichte, die mit Rol­len­kli­schees bre­chen will.

„Mein rie­sen­gro­ßer Papa“ ist ästhe­tisch anspre­chend gestal­tet und bie­tet dar­über hin­aus eine Geschichte, die sowohl Erwach­sene als auch Kin­der ab 4 Jah­ren auf eine kleine Ent­de­ckungs­reise einlädt.

Ein Bei­trag zum Pro­jekt #lit­kin­der. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

Mein rie­sen­gro­ßer Papa. Cathy Hors. Illus­tra­tio­nen: Samuel Ribey­ron. Über­set­zung: Anna Taube. Mixtvi­sion. 2013. BK-Alters­emp­feh­lung: ab 4 Jahre.

Illus­tra­tion: Buch­stap­le­rin Maike

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