Experiment „Nachtigall“

by Worteweberin Annika

Worte­we­be­rin Annika hat ein Expe­ri­ment gewagt: ihre erste Gra­phic Novel und ihr ers­ter Blick in Har­per Lees „Wer die Nach­ti­gall stört…“ in einem. Also Labor­kit­tel anzie­hen, Sicher­heits­bril­len auf­set­zen und los geht’s.

Die 1930er Jahre in Ame­rika: Vor­ur­teile und Dis­kri­mi­nie­rung sind an der Tages­ord­nung. Die junge Scout kann nicht ganz ver­ste­hen, wel­chen Ein­fluss die Haut­farbe eines Men­schen auf seine Rolle in der Gesell­schaft haben soll. Ver­tieft in Kind­heits­spiele mit ihrem Bru­der Jem und in den Ferien mit dem Groß­stadt­jun­gen Dill, fal­len Scout doch nach und nach immer mehr Unge­rech­tig­kei­ten in der Klein­stadt May­comb auf. Warum schauen die Leute selt­sam, wenn Scout das Haus­mäd­chen in deren Got­tes­dienst beglei­tet? Warum wird jemand als Ver­ge­wal­ti­ger ange­klagt, obwohl alles gegen ihn spricht, nur weil er eine dunkle Haut hat? Warum beschimp­fen die Bewoh­ner der Klein­stadt Scouts Vater, weil er die­sen Mann als Anwalt verteidigt?

Die Geschichte beglei­tet Scout und Jem, ihren Vater Atti­cus und Dill durch die Jahre 1933 bis 1935. Scout kommt in die­ser Zeit in die Schule, wo sie aller­dings vor allem aneckt. Der ein paar Jahre ältere Jem hin­ge­gen kommt in die Puber­tät und wird für Scout immer rät­sel­haf­ter. Beson­ders fas­zi­niert sind die bei­den in die­ser Zeit von ihrem Nach­barn Boo Rad­ley, über den aller­hand Gerüchte kur­sie­ren und der eigent­lich nie das Haus ver­lässt. Am Ende ver­bin­det sich der Hand­lungs­strang um ihn mit dem Pro­zess um den Land­ar­bei­ter Tom Robin­son, den Atti­cus ver­tei­digt. Die­ser Pro­zess bringt ihn und seine Kin­der in uner­war­tet große Gefahr…

Ergeb­nis: Bestanden

„Wer die Nach­ti­gall stört…“ erschien 1960 und gehört mitt­ler­weile zu den Klas­si­kern der Welt­li­te­ra­tur. Aus mir uner­klär­li­chen Grün­den habe ich mich nie an die­sen Titel her­an­ge­traut und wit­terte des­we­gen in der Aus­gabe als Gra­phic Novel meine Chance. Die Bear­bei­tung von Fred Ford­ham fängt die som­mer­schwüle Süd­staa­ten­stim­mung gut ein. In den Zeich­nun­gen kommt Ford­ham den Figu­ren sehr nahe und gibt durch aus­ge­prägte Mimik deren Gefüh­len viel Raum. Wie der Roman selbst ist auch die Gra­phic Novel aus Scouts Per­spek­tive erzählt und viele Pas­sa­gen fin­den sich direkt im Roman bezie­hungs­weise in der Lese­probe wieder.

Nach der Lek­türe bin ich mir sicher, einen guten ers­ten Über­blick über Har­per Lees Glanz­stück zu haben – und noch dazu bin ich davon über­zeugt, dass ich auch den Roman bald ein­mal lesen werde. Die Gra­phic Novel emp­fehle ich aber nicht nur den­je­ni­gen, die etwas Scheu vor groß erschei­nen­den Büchern haben, son­dern auch Har­per Lee Fans, die in die­ser Aus­gabe noch ein­mal einen ande­ren Blick auf ihr erfolg­reichs­tes Werk wer­fen können.

Wer die Nach­ti­gall stört… Har­per Lee. Illus­triert und bear­bei­tet von Fred Ford­ham. Aus dem Eng­li­schen von Claire Mali­gnom. Über­ar­bei­tet von Niko­laus Stingl. Rowohlt Taschen­buch. 2018.

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