Frankfurter Buchmesse 2019

by Geschichtenbewahrerin Michaela

Die Frank­fur­ter Buch­messe ist ein fes­ter Ter­min im Kalen­der von Geschich­ten­be­wah­re­rin Michaela. Sie freut sich jedes Jahr sehr dar­auf, doch die­ses Mal war sie als Fach­be­su­che­rin unter­wegs. Der Bücher­stadt Kurier hatte Ein­la­dun­gen zum KiWi-Blog­ger­früh­stück und zum Dio­ge­nes-Blog­ger­tref­fen erhal­ten und so durfte sie bereits am Frei­tag auf die Messe.

Tag 1: Das KiWi-Bloggerfrühstück

Beim KiWi-Blog­ger­früh­stück war die Autorin Dana von Suff­rin mit ihrem Erst­lings­ro­man „Otto“ zu Gast und hatte ihren Lek­tor mit­ge­bracht. Die bei­den erzähl­ten von ihrer Zusam­men­ar­beit, die zu Beginn wohl nicht immer ganz ein­fach gewe­sen war. Vor allem hatte Dana anfäng­lich Schwie­rig­kei­ten mit sei­ner „Lek­to­ren­spra­che“ und es gab ein Rin­gen um die eine oder andere Szene im Roman. Doch dann ver­lief die Zusam­men­ar­beit rei­bungs­los. „Man muss ler­nen, mit­ein­an­der zu reden“, erzählte Dana.

Die Autorin nannte ihr Buch zu Beginn ihrer Arbeit einen Anti­fa­mi­li­en­ro­man, wobei Fami­li­en­ro­mane sie sehr inter­es­sie­ren. „Jede unglück­li­che Fami­lie ist auf ihre Art unglück­lich.“ Das klingt nach einem sehr erns­ten Buch. Doch das ist „Otto“ nicht. „Humor ist wich­tig“, sagte uns die Autorin. „Skur­ri­les und Gro­tes­kes, auch im Erns­ten. Das ist wich­tig.“ Das ist die Mes­sage des Buches.

Ihr Roman­held Otto lebte ein chao­ti­sches Leben und nun, am Ende, ist er krank. Jetzt ist sein Leben ein Auf und Ab und er kann sich nicht ent­schei­den, wie und wann er gehen soll. Dana las einige Pas­sa­gen aus ihrem Buch und erzählte anschlie­ßend mit viel Humor vom Ent­ste­hungs­pro­zess ihres Romans. Ihrer Mei­nung nach hat jedes Buch auto­bio­gra­fi­sche Züge. So kommt ihr Vater aus Sie­ben­bür­gen wie Otto und sie spre­chen mit­ein­an­der sie­ben­bür­gi­sches Deutsch.

Zum Ende konnte sich jeder ein Exem­plar von „Otto“ mit­neh­men und signie­ren las­sen. Dana von Suff­rin nahm sich viel Zeit und war auch für ein Gespräch bereit.

Blog­ger­tref­fen beim Dio­ge­nes Verlag

Die Schwei­zer Autorin Simone Lap­pert stellte ihren Roman „Sprung“ vor. Sie erzählt darin von einer Frau, die auf einem Dach steht und von den vie­len Men­schen, die zu ihr her­auf­schauen. Sie geben erschre­ckende Kom­men­tare von sich. Eine ältere Frau meint, so jeman­den wie diese Frau müsste man erschie­ßen, eine andere for­dert die Frau auf, vom Dach zu sprin­gen. Eine reale Situa­tion inspi­rierte Simone Lap­pert zu ihrer Geschichte. Sie wollte wis­sen, was Men­schen dazu bringt, so etwas in einer sol­chen Situa­tion zu sagen.

Mir hat sehr gefal­len, dass die Autorin den Pro­log nicht las, son­dern vor­trug. Sie arbei­tet schon wäh­rend des Schreib­pro­zes­ses mit dem Klang ihrer Stimme und liest viel laut. Simone Lap­pert schreibt auch Lyrik und Gedichte und ist für den Schwei­zer Lite­ra­tur­preis 2019 nomi­niert. Lei­der gab es keine Lesung und die Autorin ver­ab­schie­dete sich nach kur­zer Zeit. Im Anschluss wurde das Früh­jahrs­pro­gramm des Dio­ge­nes Ver­la­ges vorgestellt.

Über­all Prominente

Danach ging ich zum Lese­zelt, um Sebas­tian Fit­zek zu sehen. In sei­nem neuen Buch „Das Geschenk“ ist der Prot­ago­nist ein Analpha­bet. Bei sei­nen Recher­chen beschäf­tigte sich der Autor inten­siv mit dem Thema und lernte viele Analpha­be­ten ken­nen. Er erzählte uns von ihren Geschich­ten und wie sie es schaf­fen, durch den All­tag zu kom­men, ohne dass ihrer Umge­bung auf­fällt, dass sie weder lesen noch schrei­ben können.

Sebas­tian saß gemein­sam mit einer Mode­ra­to­rin und dem Kin­der­buch­au­tor und frü­he­ren Analpha­bet Tim-Thilo Fell­mer von der Orga­ni­sa­tion „Alpha-Selbst­hil­fe­gruppe“ auf der Bühne. Fell­mer erzählte seine Geschichte und berich­tete, dass Sebas­tian Fit­zek die Schirm­herr­schaft über den neu gegrün­de­ten Dach­ver­band übernimmt.

Auf mei­nem Weg zum Pavil­lon des Gast­lan­des Nor­we­gen besuchte ich vor allem die Hal­len 3.0 und 3.1. Bei Droemer Knaur wurde gerade das Autoren­paar Iny Lorentz inter­viewt, auf dem Blauen Sofa saß Richard David Precht und auf der ARD Bühne sprach Rita Süssmuth.

Gast­land Norwegen

Im Gast­land­pa­vil­lon erwar­tete ich eine Prä­sen­ta­tion des Lan­des mit viel Holz. Immer­hin befin­den sich in Nor­we­gen einige der nörd­lichs­ten Wäl­der Euro­pas und der nörd­lichste Buchen­wald der Welt. Doch weit gefehlt. Die Halle wirkte spar­ta­nisch und kalt, mit ver­ein­zel­ten Bücher­ti­schen, die jeweils an einem Alu­mi­ni­um­rohr befes­tigt waren. Gegen­über des Ein­gangs befan­den sich rechts und links an je einer Wand zwei große Schwarz-Weiß-Foto­gra­fien von Bäu­men. Dazwi­schen lag eine kleine Bühne für Gesprä­che und Dar­bie­tun­gen. Auf der Rück­seite gab es noch ein Sofa für Inter­views. Rechts und links an den Stirn­sei­ten der Halle waren große Spie­gel ange­bracht, die den Raum grö­ßer erschei­nen lie­ßen. Und auf einem Tisch stan­den Dosen, die ver­schie­dene Gerü­che ent­hiel­ten. Ich würde von nor­we­gi­schem Zie­gen­käse abraten.

Mit Sicher­heit hatte sich jemand Gedan­ken über die Gestal­tung des Pavil­lons gemacht. Mir erschloss sich die­ser jedoch nicht und so konnte er mich nicht über­zeu­gen. Ich war mir im Vor­hin­ein nicht sicher, ob ich einen nor­we­gi­schen Autor kenne, bis auf Ibsen. Und doch, das 2017 in deut­scher Über­set­zung erschie­nen Buch „Die Geschichte der Bie­nen“ wurde von der nor­we­gi­schen Schrift­stel­le­rin Maja Lunde geschrie­ben, und den Anfang der 1990er Jahre erschie­ne­nen und bis heute welt­weit erfolg­rei­chen Roman „Sofies Welt“ ver­fasste der nor­we­gi­sche Päd­agoge und Schrift­stel­ler Jostein Gaar­der. Der Roman wurde 1999 sogar von dem nor­we­gi­schen Regis­seur Erik Gus­tav­son verfilmt.

Tag 2: Publi­kums­tag und Tolkiennachmittag

Am Sams­tag warf ich mich mit einer Freun­din unter die Mes­se­be­su­cher des Publi­kums­ta­ges. Das Gedränge war groß und an mei­nen Kaf­fee­stand kam ich nicht mehr so leicht. Über­all befan­den sich wie­der die bekann­ten lan­gen Schlan­gen. Die­ses Jahr durf­ten nicht nur am Sonn­tag, son­dern bereits am Sams­tag Bücher ver­kauft wer­den und diese Mög­lich­keit wurde rege genutzt.

50 Jahre Tol­ki­ens „Der Herr der Ringe“

Am Sams­tag wurde mit dem Tol­ki­en­nach­mit­tag das 50jährige Jubi­läum der ers­ten deut­schen Her­aus­gabe von „Der Herr der Ringe“ began­gen. Das Jugend­sin­fo­nie­or­ches­ter Hoch­tau­nus beglei­tete den Nach­mit­tag, spielte einige Stü­cke aus den Fil­men und begann natür­lich mit der Titel­mu­sik. Mode­riert wurde die Ver­an­stal­tung vom Lite­ra­tur­kri­ti­ker Denis Scheck, der als ers­ten Gast den Ver­le­ger Michael Klett begrüßte. Die­ser erzählte sehr amü­sant, dass er „Der Herr der Ringe“ in Ame­rika ken­nen­lernte, als er seine Cou­sine besuchte. Sie besaß eine Aus­gabe, aber er zeigte kein Inter­esse daran. Es gab zu viel ande­res zu ent­de­cken. Nach­dem er im Anschluss drei Monate durch die kana­di­sche Wild­nis wan­derte, besuchte er einige Tage einen Freund in Chi­cago, der ihm die Tri­lo­gie auf den Nach­tisch gelegt hatte. Zu erschöpft, um etwas zu unter­neh­men, las er die drei Bände inner­halb von 10 Tagen.

Zu Hause über­re­dete er sei­nen Vater, „Der Herr der Ringe“ in deut­scher Über­set­zung auf den hie­si­gen Markt zu brin­gen. Kein leich­tes Unter­fan­gen für einen Mann, der einen Schul­buch­ver­lag betreibt. Auch wurde „ein Extra“ benö­tigt und der Ver­lag Hob­bit Presse wurde gegrün­det. Denn wie sich her­aus­stellte, hat­ten schon viele „Der Herr der Ringe“ auf Eng­lisch gele­sen und woll­ten dies nun auch auf Deutsch tun – für einen Preis von 30 bis 35 DM nicht selbst­ver­ständ­lich. Dann kam der grüne Schu­ber und „Der Herr der Ringe“ war aus der deut­schen Bücher­land­schaft nicht mehr weg­zu­den­ken. Viele Jahre führte die Tri­lo­gie die Spie­gel­be­stel­ler­liste der Bel­le­tris­tik an. Man hörte Michael Klett an, wie stolz er dar­auf ist, dass „Der Herr der Ringe“ inzwi­schen Kult und nicht nur Lite­ra­tur ist, son­dern für viele auch eine Lebens­ein­stel­lung. Die Frage, ob er je J.R.R. Tol­kien ken­nen­lernt habe, ver­neinte er. Warum es nie zu einem Tref­fen kam, konnte er nicht sagen.

Als nächs­tes stand eine Lesung mit den Syn­chron­spre­chern Manuel Straube (Bilbo Beut­lin) und Timmo Nies­ner (Frodo Beut­lin) auf dem Pro­gramm. Es war ein Erleb­nis, die bekann­ten Sze­nen mit den ver­trau­ten Stim­men zu hören. Und wie­der fiel mir auf, in welch schö­ner Spra­che die Geschichte um den Ring geschrie­ben und auch über­setzt wurde. Im Anschluss bat Denis Scheck Straube und Nies­ner zum Inter­view. Timmo Nies­ner hatte bereits als Kind ange­fan­gen, die Tri­lo­gie zu lesen und liest sie immer wie­der, Manuel Straub sah erst die Filme und wagte sich dann an die Bücher. Sie erzähl­ten von ihrer Tätig­keit als Syn­chron­spre­cher und spe­zi­ell über ihre Arbeit an „Der Herr der Ringe“. Die Arbeit des Syn­chron­spre­chers geschieht buch­stäb­lich im Dun­keln und nur wenige wis­sen, dass mit Dia­log­buch gear­bei­tet wird und es Regis­seure gibt.

Nach dem Gespräch lasen die bei­den eine Text­pas­sage, in der Gol­lum vor­kommt. Straub hatte sicht­lich Spaß, das Wesen zu spre­chen, und pfiff, röchelte und zischte. Der Unter­schied zwi­schen der Lesung vor Publi­kum und in einem Syn­chron­stu­dio ist, dass nicht gelacht wird, wenn der Spre­cher bei der Arbeit auch Kör­per und Mimik einsetzt.

Die Ver­an­stal­tung hat viel Spaß gemacht. Denis Scheck bekannte sich zum Schluss dazu, Fan­tasy zu lesen. „Fan­tasy ist nicht Tri­vi­al­li­te­ra­tur, die nur Eska­pis­ten lesen.“ Ich gebe ihm Recht. Es ist wirk­lich Zeit, Fan­t­asy­li­te­ra­tur und ihre zahl­rei­chen Unter­grup­pen aus dem Nischen­da­sein her­aus­zu­ho­len und ihr end­lich einen gleich­be­rech­tig­ten Platz in der Welt der Lite­ra­tur einzuräumen.

Ich bin froh, dies­mal auch am Frei­tag auf der Messe gewe­sen zu sein. Es ist dann doch um eini­ges ent­spann­ter, es gibt weni­ger Gedränge und keine lan­gen Schlan­gen. Ich freue mich schon auf das nächste Jahr und bin gespannt, wie sich dann das Gast­land Kanada prä­sen­tie­ren wird.

Fotos: Geschich­ten­be­wah­re­rin Michaela

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