Willkommen am Bücher-Versum!

by Wortklauberin Erika

Atme bes­ser noch­mal tief durch, bevor Du durch die Türen hin­ein in die Tie­fen der Uni­ver­si­tät der Bücher­stadt trittst.

Da sich unsere Jubi­lä­ums­aus­gabe April rund um die Bücher­stadt dreht, und Anfang März für viele das Semes­ter begon­nen hat, beglei­tet Erika euch zur Uni­ver­si­tät der Bücher­stadt, dem Buch-Versum.

Du stehst vor der Uni­ver­si­tät der Bücher­stadt, Stift und Papier in dei­nem Hand­ge­päck. Die gro­ßen Dop­pel­flü­gel­tü­ren sehen aus wie Buch­rü­cken. Oder sind das etwa Buch­de­ckel? Auf den zwei­ten Blick wir­ken sie wie die gro­ßen Foli­an­ten, die mit Leder über­zo­gen sind und deren Ecken mit ver­gol­de­ten Metall­be­schlä­gen ver­stärkt sind. Dort, wo auf dem Buch der Titel pran­gen würde, steht in gol­de­nen Let­tern ein­ge­prägt „Buch-Ver­sum“.
Du denkst daran, dass Dir das ganze Gebäude viel klei­ner vor­ge­kom­men ist, als du hier warst, um dich anzu­mel­den. Ande­rer­seits hast Du damals nichts Ande­res im Kopf gehabt, als deine Stu­di­en­fä­cher. Du woll­test dich schließ­lich nicht für das Fal­sche anmel­den, nicht? Und dann muss­test du dich da auch noch zurecht­fin­den – Gott sei Dank hast Du da noch ein paar Bücher­städ­ter getrof­fen, die Dir wei­ter­ge­hol­fen haben.

Und? Bist du bereit, loszulegen?
Die erste Ein­füh­rungs­vor­le­sung für Mythen- und Mär­chen­schmiede – dafür hast du dich ange­mel­det, und Du hoffst, dass es genau das ist, was Du gerne machen möchs­test. Du hat­test über­haupt lange keine Ahnung, was du bele­gen soll­test: das Ange­bot der Stu­di­en­rich­tun­gen ist enorm. Schon allein die Bücher­stadt-spe­zi­fi­schen Fächer fan­dest du alle­samt unheim­lich inter­es­sant. Du kommst nicht aus der Bücher­stadt, Du bist gerade in eines der klei­nen Stu­den­ten­zim­mer in der ehe­ma­li­gen Stadt­mauer gezo­gen und Dich inter­es­siert alles, was Du von der Bücher­stadt hören kannst. Bücher­stadt-Geschichte klang min­des­tens so inter­es­sant wie Papier­phy­sik und Erzähl­wis­sen­schaft. Und dann noch Lite­ra­ri­sches Bücherwissen!
Es ist so schwer, sich auf etwas fest­zu­le­gen... Oder hät­test Du Dich viel­leicht doch an der Bücher­stadt-Aka­de­mie für Buch­bin­de­rei bewer­ben sol­len? Auch wenn die Auf­nah­me­prü­fun­gen schein­bar ziem­lich „lei­mig“ sind? (Daran musst Du Dich auch noch gewöh­nen: die klei­nen Unter­schiede in der Spra­che. „Lei­mig“ hast du noch nicht gekannt.)

Atme bes­ser noch­mal tief durch, bevor Du durch die Türen hin­ein in die Tie­fen der Uni­ver­si­tät der Bücher­stadt trittst. Hin­ter die­sen Buch­rü­cken war­tet das Wis­sen der Bücher­welt auf Dich. Du wirst es ent­de­cken und es ver­ste­hen. Aber bis dahin müs­sen viel­leicht ein, zwei Wochen ver­ge­hen. Heute, an Dei­nem ers­ten Tag, bist du erst ein­mal ein­ge­schüch­tert von den vie­len ver­schie­de­nen Wesen, die hier alle an einem Ort ver­sam­melt sind. Hat sich dort hin­ten tat­säch­lich eine Lese­ratte in die Sonne gesetzt, dass ihr grau­brau­nes Fell im Früh­lings­licht glänzt wie frisch gebürs­tet? Und schielt sie tat­säch­lich zur klei­nen Schrei­ber­lings­maus hin, die sich am Fuß einer Sta­tue im Innen­hof nie­der­ge­las­sen hat und wohl voll­kom­men in ihrer Lek­türe ver­sun­ken ist. Oh, und dort drü­ben, in den Arka­den: tum­melt sich dort eine Gruppe von Bücher­wür­mern? Einer davon trägt eine dicke Horn­brille und führt wohl gerade das Wort. Wer weiß, wor­über sie sich gerade unterhalten.
Ob Du wohl auch irgend­wann mit einer die­ser Grup­pen zusam­men­ste­hen und mit ihnen über euren Kurs dis­ku­tie­ren wirst?
Keine Panik!

Will­kom­men!

Du bemerkst jetzt, dass du ein paar Schritte in Rich­tung der Schrei­ber­lings­maus gemacht hast – ihre Lek­türe scheint so inter­es­sant zu sein, Du wür­dest sie gerne fra­gen, was sie gerade ließt. Und dann schießt urplötz­lich – wie aus dem Nichts! – ein Buch an dir vor­bei. Es flat­tert, um wie­der Schwung zu sam­meln für den Auf­stieg zu einem der geöff­ne­ten Fens­ter. Die Sei­ten rau­schen im Flug­wind und Du blin­zelst ihm ungläu­big hin­ter­her. War das gerade tat­säch­lich ein Jürgen-von-Foethe-Buch?
Du starrst noch ein paar Minu­ten hin­ter­her. Bei dir gab es kaum flie­gende Bücher, und Du fragst Dich, ob du auch mit einem arbei­ten wirst. Wie geht man über­haupt mit sol­chen Büchern um?
Keine Panik!
Such‘ erst mal den Hör­saal, in dem die Ein­füh­rungs­ver­an­stal­tung statt­fin­det, wegen der Du her­ge­kom­men bist. Du hast den Stun­den­plan, den Du dir pro­vi­so­risch zusam­men­ge­schrie­ben hast, in dei­ner hin­te­ren Tasche, und holst ihn schnell hervor.
„Hör­saal 49, Stiege 9, Haupt­ge­bäude, 1|d90372“, ließt du ab und blickst dich suchend um. Die selt­same Kom­bi­na­tion am Ende der Orts­an­gabe ist für dich noch ein Buch mit sie­ben Sie­geln. Wer weiß, viel­leicht erklärt die Ein­füh­rungs­ver­an­stal­tung ja etwas.
Du hältst Aus­schau nach einem Hin­weis­schild – und tat­säch­lich, Du hast Glück! Du folgst den Hin­wei­sen, bis Du zu einem der Hör­säle kommst, in dem schon ein gan­zer Hau­fen Erst­se­mes­ter war­tet. Unten steht auch schon ein Pro­fes­sor bereit. Er ist irgend­wie alters­los – oder Du sitzt ein­fach zu weit weg, um ihn genauer zu erken­nen. Sei­nen Namen hast Du Dir auch nicht mer­ken können.

Der Pro­fes­sor dreht sich um und schreibt in gro­ßer Block­schrift: „Hein­rich Lese­zei­chen“ an die Tafel, und Du musst lächeln. Pro­fes­so­rin Gret­chen Mephisto ist für die andere Ein­füh­rungs­vor­le­sung zustän­dig, die Du besuchst.

Eine geschätzte halbe Ewig­keit spä­ter – irgend­wie hat sich die Zeit dann doch mehr in die Länge gezo­gen als Du erwar­tet hast – ver­lässt Du den Hör­saal wie­der. Ob du ihn nächste Woche wiederfindest?
Für Dei­nen ers­ten Tag hast du dich schon gut geschla­gen, und sieh mal! Die Dop­pel­flü­gel­tü­ren der Uni­ver­si­tät Buch-Ver­sum sind tat­säch­lich Bücher: die Sei­ten rascheln leise, wäh­rend sie sich vor Dir öffnen.

Atme noch ein­mal tief durch, bevor Du wie­der nach drau­ßen auf das Pflas­ter der Bücher­stadt trittst. Das ist die Luft eines ers­ten Males, auf das noch viele wei­tere fol­gen werden.

Und wie stellt ihr euch die Bücher­stadt vor?

Erika

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1 comment

Jimmy 8. März 2013 - 23:44

Was für eine Vor­stel­lung! Vie­len Dank! Ich hatte das Glück, die­sen Text vor­ge­le­sen zu bekom­men. = ) Sehr sehr schön. Ob ich dort ange­nom­men werde, wenn ich mich um einen Stu­di­en­platz bewerbe? Ob ich dort auch Vor­le­se­kunst und Illus­tra­tion stu­die­ren kann? Gibt es auch eine Fakul­tät für Text­ver­to­nung? So viele Fra­gen, die uns Lesern offen sind... die dar­auf war­ten, nach­ge­blät­tert zu werden.

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