Glitzer und Horror: Little Misfortune #Todesstadt

by Satzhüterin Pia

Mor­bide und nied­lich – so lässt sich die inter­ak­tive Geschichte rund um das kleine Mäd­chen Mis­for­tune wohl am bes­ten mit weni­gen Wor­ten beschrei­ben. Aber Vor­sicht: Bei aller Nied­lich­keit ist das kurz­wei­lige Indie-Adven­ture nichts für (kleine) Kin­der … – Von Satz­hü­te­rin Pia

Ein klei­nes Mäd­chen sitzt fried­lich in sei­nem Zim­mer, eine Erzäh­ler­stimme begrüßt uns und lädt das Kind ein, ein Spiel mit ihm zu spie­len. Der Gewinn: the eter­nal hap­pi­ness! Die acht­jäh­rige Mis­for­tune lässt sich dar­auf ein. Ewi­ges Glück! Das könnte ihre dau­er­rau­chende und tote Tiere kochende Mut­ter durch­aus gebrauchen.

„We had a lovely din­ner last night. Mommy wasn’t that drunk and daddy … actually said ‘Hi’ to me.”

Neben Mr. Voice, wie sie die Stimme in ihrem Kopf tauft, taucht noch Ben­ja­min, der Fuchs, als Prot­ago­nist gele­gent­lich auf. Eine zarte Zunei­gung ent­steht zwi­schen Mis­for­tune und Ben­ja­min, wäh­rend Mr. Voice sie vehe­ment davon zu über­zeu­gen sucht, dass doch alle Füchse böse seien! Die „little Lady“ Mis­for­tune stört sich jedoch kaum daran. Ob das eine gute oder schlechte Ent­schei­dung ist, da greife ich bes­ser mal nicht vor …

Apro­pos Ent­schei­dun­gen: Die inter­ak­tive Geschichte ist wie eine Art Point and Click auf­ge­baut und dabei ent­schei­dungs­ba­siert. Mr. Voice ver­rät uns, dass wir auf unse­rer Reise Ent­schei­dun­gen tref­fen müs­sen – keine davon sei rich­tig oder falsch, jede habe jedoch Kon­se­quen­zen. Nun, meine erste Ent­schei­dung im Spiel sorgt direkt für einen toten Wel­pen. Aber wei­ter im Text.

„Hung hims­elf? Like a piῆata? Should I punch him like a piῆata?”

Das Spiel hat jede Menge Humor, aber eine durch­aus maka­bre Form – an weni­gen Stel­len grenz­wer­tig, ehr­lich gesagt (SPOILER: Ich spre­che von der bei­nahe anzüg­li­chen Szene in dem Ein­hör­ner-Karus­sell SPOILER ENDE). Die süße und sehr unge­schickte Acht­jäh­rige (sie kommt mir jedoch deut­lich jün­ger vor) ver­packt alles, was ihr in ihrer kind­li­chen Nai­vi­tät nicht schön vor­kommt, mit Glit­zer und stellt unschul­dige Fra­gen, wäh­rend sie grö­ßere Zusam­men­hänge noch nicht begrei­fen kann. The­ma­ti­siert wer­den dabei schwie­rige Rea­li­tä­ten wie häus­li­che Gewalt, Dro­gen- und Alko­hol­miss­brauch, Ver­nach­läs­si­gun­gen und vor allem (kind­li­che) Ängste.

Tief­ge­hende Themen

Das Spiel ist sehr gesell­schafts­kri­tisch und gele­gent­lich regel­recht phi­lo­so­phisch. Neben den bereits genann­ten The­men wird immer wie­der auf Umwelt­ver­schmut­zun­gen hin­ge­wie­sen (über­all liegt Müll herum und ver­schmutzt zum Bei­spiel das Was­ser eines Sees). Außer­dem kön­nen sich die Men­schen soge­nannte „Happy Faces“ kau­fen, damit sie sich nicht mehr anstren­gen müs­sen, stets freund­lich aus­zu­se­hen – nein, dies über­neh­men dann die Mas­ken für sie. Und so lau­fen Per­so­nen alle­samt mit creepy grin­sen­den Mas­ken herum. Gruselig!

Die scho­ckie­ren­den Fak­ten aus ihrem Leben, die das fröh­li­che Mäd­chen bei­läu­fig erwähnt, sind keine leichte Kost. Beson­ders nicht, weil deut­lich wird, dass diese Situa­tio­nen für Mis­for­tune tat­säch­lich nichts Beson­de­res mehr dar­stel­len. Sze­nen, wie ihre Mut­ter, die einem Kiosk­be­sit­zer ihre Brüste gezeigt haben soll, um „neuen Saft“ zu bekom­men, bei­spiels­weise. Oder dass ihr Vater häu­fig im Auto schlafe. An ande­rer Stelle – Mis­for­tune ist nicht mehr so gut drauf (ich habe sie wohl zu wenig Glit­zer ver­wen­den las­sen) – kommt Mr. Voice dar­auf zu spre­chen, dass das die Hor­mone sein dürf­ten, bald werde sie aus ihrer Vagina blu­ten und die Gesell­schaft sie wie Müll behandeln.

Gelun­ge­nes Art­work – mage­res Gameplay

Wäh­rend wir durch unsere Ent­schei­dun­gen mal mehr, mal weni­ger weit­rei­chend den Ver­lauf der Geschichte beein­flus­sen, bleibt uns als Spie­le­rin oder Spie­ler nicht so viel mehr zu tun. Es gibt kein Inven­tar und auch sonst lau­fen wir eigent­lich nur nach links oder rechts, wäh­len Inter­ak­ti­ons­mög­lich­kei­ten aus, die deut­lich über ein blin­zeln­des Auge gezeigt wer­den, oder tref­fen eben Ent­schei­dun­gen. Nur sel­ten müs­sen wir mal mehr kli­cken. Dabei lau­schen wir den Mono­lo­gen von Mis­for­tune und ihren Dia­lo­gen mit Mr. Voice. Hin und wie­der wen­det sich der Erzäh­ler auch direkt an uns, wäh­rend Mis­for­tune ihn nicht hören kann. Das Spiel ist nur auf Eng­lisch syn­chro­ni­siert – und das ist wirk­lich sehr gut gelun­gen! (Der Erzäh­ler­stil erin­nert mich an den von „The Stan­ley Para­ble.“) Der Erzäh­lung lässt sich sehr gut fol­gen (ich brauchte nicht ein­mal die Unter­ti­tel). Klei­nere Mini­spiele und Video­se­quen­zen sor­gen für ein wenig Abwechs­lung – aber auch hier­von gibt es nicht sehr viele.

Das Art­work ist wirk­lich gut gelun­gen und trös­tet dar­über hin­weg, dass das Spiel im Game­play nur wenig zu bie­ten hat. Ob nun ein nied­li­ches Mäd­chen und bunte Blu­men oder Dro­gen, Mord und Tot­schlag – die Bil­der sind alle­samt reich an Far­ben und Details. Der Stil ist sehr male­risch, dabei ent­we­der lie­bens­wert oder ziem­lich unheim­lich. Immer wie­der blitzt durch die schein­bar heile Welt der tiefste Abgrund her­vor und aus einer zau­ber­haf­ten Wald­szene wird eine düs­tere Gru­sel­ge­gend. Die Figu­ren sind mal lie­bens­wert, mal böse gestal­tet, in jedem Fall bildstark.

Alles gut?

Nein, das wohl nicht. Am Ende bedeu­ten unsere Ent­schei­dun­gen lei­der kei­nen Unter­schied – das Finale bleibt immer gleich (und lei­der auch ten­den­zi­ell nicht über­ra­schend). Zwar ist der Ver­lauf inner­halb des Spiels unter­schied­lich, alle Ent­schei­dun­gen sind zumin­dest am Ende jedoch Nich­tig­kei­ten. Dazu kom­men die sehr geringe Spiel­dauer von etwa zwei Stun­den und das ziem­lich magere Game­play. Das alles min­dert den Spaß durch­aus, aller­dings trös­ten die Geschichte mit all ihren tief­ge­hen­den The­men und ihrem Humor sowie das sehr gelun­gene Art­work dar­über etwas hin­weg. Die kurze Spiel­dauer ist zumin­dest prak­tisch, wenn man das Spiel noch ein­mal mit ande­ren Ent­schei­dun­gen erneut spie­len möchte, um so alle Witze und Geschich­ten mit­zu­be­kom­men. Wenn es alter­na­tive Enden gäbe, wäre der Wie­der­spiel­wert aller­dings noch größer.

Little Mis­for­tune. Entwickler/Publisher: Kill­mon­day Games. 2019/2020. Plattform(en): Nin­tendo Switch, Play­Sta­tion 4, Android, Xbox One, Linux, iOS, Micro­soft Win­dows, Mac OS; gespielt auf: Nin­tendo Switch. Genre: Adven­ture, Hor­ror. Ein­zel­spie­ler. BK-Alters­emp­feh­lung: ab 16.

Ein Bei­trag zum Spe­cial #Todes­stadt. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

Weiterlesen

Leave a Comment

Diese Seite verwendet Cookies. Mit der Nutzung unserer Website erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. OK Erfahre mehr