Gute Idee, stimmige Umsetzung: Nach einer guten Handlung sucht man allerdings vergebens.

by Bücherstadt Kurier

Lie­bes­ge­schichte, Teen­ag­er­pro­bleme und etwas Fan­tasy – Dem Buch „Das Mäd­chen, das Geschich­ten fängt“ von Vic­to­ria Schwab fehlt es an Span­nung und Tiefe. Sätz­chen­bä­cke­rin Daniela erklärt, warum. 

Nach dem Unfall­tod ihres Bru­ders zieht die Fami­lie der sech­zehn­jäh­ri­gen Macken­zie in das ehe­ma­lige Hotel Coro­nado, um ein neues Leben zu begin­nen. Wäh­rend Macken­zie sich noch an die Erin­ne­run­gen ihres Bru­ders klam­mert, ver­su­chen ihre Eltern zu ver­ges­sen. Ihr will das nicht gelin­gen, denn sie weiß, nach dem Tod ster­ben Men­schen nicht ein­fach: Sie wer­den in einer Biblio­thek archi­viert. Seit Jah­ren fängt sie als Wäch­te­rin bereits ent­lau­fende, archi­vierte Erin­ne­run­gen, so genannte Chro­ni­ken ein, und bringt sie zurück ins Archiv.

Das Dop­pel­le­ben, das sie seit­dem führt wird nach dem Umzug immer schwie­ri­ger auf­recht zu erhal­ten, besitzt ihr neues Zuhause doch Unmen­gen an Türen, die in die „Nar­rows“ füh­ren, wo ent­lau­fende Chro­ni­ken ihr Unwe­sen trei­ben. Dass hier auch noch vor etli­chen Jah­ren etwas Schlim­mes geschah, bringt Macken­zie dazu wei­ter nach­zu­for­schen und damit die Gren­zen als Wäch­te­rin zu überschreiten.

Vor­aus­seh­bare Handlung

Was dem „Mäd­chen, das Geschich­ten fängt“ von Vic­to­ria Schwab fehlt, ist die Geschichte. Selbst für ein Jugend­buch ist diese so linear, dass den Leser so gut wie nichts über­ra­schen kann. Das meiste ahnt man bereits drei Sei­ten im vor­aus, bei ande­ren Din­gen muss man sogar zwei Drit­tel des Buches war­ten, bis diese dann end­lich auf­ge­löst wer­den und einige Hin­weise blei­ben am Ende ein­fach offen liegen.

Es wirkt, als wäre hier ver­sucht wor­den auf einer guten Idee ein mög­lichst ein­fa­ches Gerüst auf­zu­zie­hen, das junge Mäd­chen anspre­chen soll. Neben direkt zwei gut aus­sen­den Jungs, gibt es Teen­ag­er­pro­bleme wie den Wunsch, ein­mal ganz nor­mal sein zu kön­nen. Eigent­lich ein Erfolgsrezept.

Das Buch ist aus der Ich-Per­spek­tive und im Prä­sens geschrie­ben. Dies ent­fal­tet sich präch­tig in all­täg­li­chen Sze­nen, in denen Mack­an­zie mit ihren Eltern oder ihrer Freun­din spricht. Die unter­schied­lichs­ten Inter­es­sen der Cha­rak­tere kom­men sehr gut rüber und wir­ken nicht auf­ge­setzt. Die Trauer um ihren Bru­der ist aus­rei­chend, aber nicht zu viel beschrie­ben. Man fühlt mit der Prot­ago­nis­tin und ihrer Fami­lie mit und fin­det sich in All­tags­si­tua­tio­nen als Leser wie­der. Auch gibt es im Buch immer wie­der Sze­nen, in denen sich Mack­an­zie an ihren Groß­va­ter erin­nert, der ihr die Auf­gabe, die Chro­ni­ken ein­zu­fan­gen, ver­erbt hat. Diese Sze­nen sind in der Du-Per­spek­tive geschrie­ben und fügen sich gut zwi­schen die eigent­li­chen Sze­nen ein.

Wenn es nur darum gehen würde, wäre das Buch ein sehr schö­nes Jugend­buch. Lei­der gibt es da noch diese merk­wür­dige Hand­lung, die sich im Gegen­satz zu den lie­be­vol­len All­tags­sze­nen holp­rig liest. Das geht über unrea­lis­ti­schen, über­zo­ge­nen Kampf­sze­nen bis hin zu lang­wei­li­gen Ver­fol­gungs­jag­den und der bereits beschrie­be­nen mäßig span­nen­den Handlung.

Voll­ge­packt mit Klischees

Am Anfang wirkt Macken­zie zudem etwas zu über­be­gabt, wenn man bedenkt, dass sie zu früh mit ihrer Arbeit als Wäch­ter begon­nen hat. Gleich­zei­tig ent­wi­ckelt sie sich im Laufe des Buches aber immer mehr zu einer eher durch­schnitt­lich guten Wäch­te­rin, was lei­der durch unrea­lis­ti­sche Hand­lun­gen ihrer­seits gestört wird. Durch­ge­hend drängt sich die Frage auf, warum sie das eine so per­fekt kann, wäh­rend sie von dem ande­ren über­haupt keine Ahnung hat.

Nicht ein­mal die Lie­bes­ge­schichte kann über­zeu­gen. Von dem kli­schee­haf­ten „Dinge fal­len las­sen“ über dumme Sprü­che ist hier so gut wie alles vor­han­den, was man schon zu Genüge aus ande­ren Büchern kennt. Warum Macken­zie sich dann aber doch dafür ent­schei­det, spon­tan hef­tigst mit dem einen Jun­gen her­um­zu­knut­schen, bleibt oberflächlich.

Als Fan­t­asyl­e­ser sollte man die­ses Buch erst gar nicht anfan­gen, da die doch sehr schön klin­gende Idee schnell in simple Ver­stri­ckungs­mus­ter ver­fällt. Was das Buch ret­tet, sind die schö­nen Erin­ne­rungs­sze­nen und die über­zeu­gen­den all­täg­li­chen, zwi­schen­mensch­li­chen Bezie­hun­gen. Auch, dass das Ende doch nicht so schreck­lich ist wie erwar­tet, lässt einen posi­tiv auf das Buch zurückblicken.

Das Mäd­chen, das Geschich­ten fängt. Vic­to­ria Schwab. Über­set­zung: Julia Walt­her. Heyne. 2014.

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