Hagel und Granaten: 50 Jahre Abenteuergeschichten

by Geschichtenzeichnerin Celina

1967 fing Carl­sen an, das fran­zö­sisch­spra­chige Ori­gi­nal „Les aven­tures de Tin­tin“ von Hergé in Deutsch unter dem Namen „Tim und Struppi“ zu ver­le­gen. Heute ken­nen viele begeis­terte Leser und Lese­rin­nen die zahl­lo­sen Aben­teuer von Tim und sei­nen Freun­den. Geschich­ten­zeich­ne­rin Celina geht die­sen Aben­teu­er­ge­schich­ten und ihren Ursprün­gen auf den Grund.

Im Jahr 1929 erschei­nen in Bel­gien zum ers­ten Mal die Comic­fi­gu­ren Tim und Struppi. Von 1929 bis 1930 ent­steht die wöchent­li­che Fort­set­zungs­ge­schichte, wel­che spä­ter unter dem Titel „Tim im Lande der Sowjets“ als ers­tes Comic­heft von Hergé zusam­men­ge­fasst wurde. Hergé arbei­tete damals für die Zeit­schrift „Le Petit Ving­tième“, die erz­ka­tho­lisch geprägt ist, vor allem durch ihren Chef­re­dak­teur. In die­ser Zeit­schrift gestal­tet Hergé die Kin­der­bei­lage, die sich einer wach­sen­den Leser­schaft erfreut. Dar­auf­hin fol­gen die Comics „Tim im Kongo“ von 1930 und 1931 „Tim in Amerika“.

Heute sieht man aller­dings, dass diese Comi­c­an­fänge aus der katho­li­schen, kon­ser­va­ti­ven und unauf­ge­klär­ten Sicht her­aus dar­ge­stellt wur­den. Hergé war unter ande­rem nie im Kongo gewe­sen und hat sich daher daran ori­en­tiert, was die Kolo­nia­lis­ten ihm erzähl­ten. In der Arte-Doku­men­ta­tion „Auf Rei­sen mit Tim und Struppi“ sagt er offen, dass diese anfäng­li­chen Werke ras­sis­tisch sind, aber unwis­sent­lich. Es war von ihm aus nicht abwer­tend gemeint. Er habe das damals gän­gige Bild in Szene gesetzt. Zu jener Zeit war man davon über­zeugt, dass bei­spiels­weise die im Kongo leben­den Men­schen faul und dumm wären sowie erst durch die Kolo­nia­lis­ten auf­ge­klärt wer­den muss­ten. Hergé hat auch im Nach­hin­ein einige Pas­sa­gen ver­än­dert, aber schließ­lich ist es schwer, alles poli­tisch kor­rekt anzu­pas­sen. Dafür hät­ten seine ers­ten drei Comic­hefte neu gezeich­net wer­den müs­sen. Aber das wäre viel zu auf­wen­dig gewesen.

So erscheint Tim im Kongo als Wild­tier­jä­ger, dem es Spaß macht, die dor­ti­gen Tiere zu töten und als jemand, der mis­sio­na­risch auch mal Ein­hei­mi­sche belehrt. Eben aus Her­gés Zeit her­aus. Erst zum vier­ten Heft hin schafft es Hergé, sich aus den Klauen der Le Petit Ving­tième zu befreien. Von nun an ent­wi­ckelt er die Hefte nach eige­nen Vor­stel­lun­gen weiter.

Es ent­stan­den ins­ge­samt 24 Comic-Alben. Den geplan­ten 25. Band „Tim und die Alpha-Kunst“ konnte Hergé nicht fer­tig­stel­len, da er vor­her ver­starb. Vor sei­nem Tod ver­fügte er noch, dass nach sei­nem Able­ben nie­mand je wie­der eine neu Tim und Struppi-Geschichte ver­öf­fent­li­chen darf.

Der Comic­zeich­ner Hergé

Der Bel­gier Geor­ges Pro­sper Remi, der sich spä­ter Hergé nennt, lebte von 1907 bis 1983. Von 1929 bis zu sei­nem Lebens­ende schrieb und zeich­nete er humo­ris­ti­sche Aben­teu­er­co­mics. Vor allem wurde er bekannt mit „Tim und Struppi“. Die Abhän­gig­keit und Belas­tung dazu war für Hergé teil­weise so groß, dass er zwi­schen­zei­tig sogar in Depres­sio­nen ver­fiel. Kein Wun­der: Er zeich­nete an sei­nen Comics bis zu 12 Stun­den am Tag. Hin und wie­der hatte er das Gefühl von Tim und des­sen Freun­den der­art abhän­gig zu sein, dass er sich selbst als Sklave die­ser kari­kierte. Wie bei­spiels­weise hier zu sehen ist.

Welt­be­kannte Charaktere

Tim und sein Weg­be­glei­ter Struppi sind die ers­ten Cha­rak­tere, die Hergé erschuf. Bei Tims Cha­rak­ter ori­en­tierte sich der Comic­schöp­fer an Pfad­fin­dern, wel­che ihm bes­tens ver­traut waren, da er selbst mal einer gewe­sen war. Tims run­des Gesicht, die viel­fach hoch­ge­zo­ge­nen Augen­brauen, wodurch er oft erstaunt drein­blickt und die mar­kante Haar­tolle, zeich­nen seine Kon­tur aus. Mit sei­ner recht ver­ein­fach­ten äußer­li­chen Gestalt kann sich jeder gut mit ihm iden­ti­fi­zie­ren. Sein Hund Struppi, ein klei­ner Draht­haar-Fox­ter­rier beglei­tet ihn auf jeder sei­ner aben­teu­er­li­chen Mis­sio­nen. Bemer­kens­wert ist, dass Hergé Struppi per Sprech­bla­sen eine Stimme ver­lie­hen hat, wel­che zwar die Leser, aber die mensch­li­chen Cha­rak­tere im Comic selbst nicht wahr­neh­men können.

Zwi­schen dem 8. Dezem­ber 1932 und dem 8. Februar 1934 erscheint noch in Schwarz-Weiß „Tin­tin en Ori­ent“, zu Deutsch „Die Zigar­ren des Pha­raos“. Dies ver­öf­fent­lichte nun die Zei­tung „Le Petit Ving­tième“. In die­sem vier­ten Werk, wel­ches 1955 als far­bige Album­aus­gabe erschien, kann Hergé die Geschich­ten und ihre Cha­rak­tere freier gestal­ten. Er beginnt auch neue Figu­ren in die Comic­welt zu eta­blie­ren. So erschei­nen hier zum ers­ten Mal die bei­den toll­pat­schi­gen Poli­zei­in­spek­to­ren Schulze und Schutze sowie Tims Erz­feind Rastopopoulos.

Ein Wen­de­punkt ent­steht ganz und gar in „Der blaue Lotus“, wel­cher 1934 das erste Mal erschien. Hergé freun­det sich mit dem chi­ne­si­schen Künst­ler Tschang an, wie Tim mit einem gleich­na­mi­gen Jun­gen im Comic. Von da an steht eine kul­tur­spe­zi­fi­sche Dar­stel­lung und somit ein noch höhe­rer Rea­li­täts­be­zug im Vor­der­grund. Er lässt sich von der chi­ne­si­schen Mal­tra­di­tion beein­flus­sen, in dem er zum Bei­spiel mehr Ruhe­mo­mente mit ein­be­zieht. Die Comics sind nun etwas poli­ti­scher, da Hergé dem Kolo­nia­lis­mus kri­ti­scher gegen­über steht.

Wei­ter­hin hat in „Die Krabbe mit den gol­de­nen Sche­ren“ von 1940 Trun­ken­bold und Schimpf­wort­fa­na­ti­ker Kapi­tän Had­dock sein Debüt. Die­ser geniale und in jedes Fett­näpf­chen tre­tende Cha­rak­ter wird Tim ein Freund und beglei­tet ihn von da an durch alle wei­ter fol­gen­den Abenteuer.

Erfor­schung und Erkun­dung der Welt

Her­gés Inspi­ra­tio­nen für seine Aben­teu­er­ge­schich­ten sind weit­läu­fig und erstre­cken sich über vie­ler­lei The­ma­ti­ken. Bei­spiel­weise ist für den Comic „Die Zigar­ren des Pha­raos“ das 12 Jahre zuvor ent­deckte Grab des Pha­rao Tutan­cha­mun ein wich­ti­ger Bezugspunkt.

Aber auch visio­näre Ereig­nisse neh­men in den Comics Form an. So wird eine detail­lierte Expe­di­tion zum Mond in den Comics „Rei­se­ziel Mond“ von 1953 und „Schritte auf dem Mond“ von 1954 von Hergé insze­niert und beein­dru­ckend rea­lis­tisch umge­setzt. Dies geschah bereits vier Jahre vor Sput­nik 1 und 16 Jahre bevor Neil Arm­strong auf dem Mond lan­dete. Für diese Bände holte sich Hergé das erste Mal Unter­stüt­zung. Hatte er zuvor noch alle Comics alleine rea­li­siert, ist nun ein klei­nes Team, wel­ches wie ein klei­nes Stu­dio gese­hen wer­den kann, mit ihm von der Partie.

Über die Jahre hin­weg ist zu sehen, dass die Tim-und-Struppi-Comics eine bemer­kens­werte Ent­wick­lung durch­lebt haben. Man hat das Gefühl, dass Hergé mit sei­nen Figu­ren zusam­men Stück für Stück die Welt und eini­ges dar­über hin­aus ent­deckt hat. Seine Figu­ren und sein Stil haben sich immer wei­ter herausgebildet.

Ein beein­dru­cken­der Stil

Hergé gilt als einer der Weg­be­rei­ter für viele nach­fol­gen­den Comic­künst­ler. Zu jener Zeit war seine Art der Bild­spra­che und Comic­ge­stal­tung revo­lu­tio­när. Neu war die Line clair: Die Figu­ren mit kla­ren Stri­chen zu zeich­nen. Wei­ter­hin war erst­ma­lig, die Figu­ren ohne Schat­ten in detail­lierte Hin­ter­gründe zu setz­ten. Auch die gestal­tete Dyna­mik und Bewe­gung in den Panels ist beacht­lich. Hergé erfin­det eine uni­ver­selle Bild­spra­che, bei der er sich von den Stumm­fil­men und deren Slap­stick hatte inspi­rie­ren lassen.

Die Comics von Tim und Struppi erschei­nen als Serie. Es gibt immer wie­der Rück­be­züge auf andere Hefte, aber nur kleine Anmer­kun­gen, wel­che die Neu­gier auf diese wecken. Trotz­dem kann jedes Comic­heft als eigen­stän­dige Geschichte gele­sen wer­den. Außer die Paare, wel­che direkte als Fort­set­zungs­ge­schichte ange­legt sind, wie „Die sie­ben Kris­tall­ku­geln“ von 1947 und „Der Son­nen­tem­pel“ von 1949.

In den Hef­ten bleibt es von Anfang an bis zum Ende span­nend. Viel­fach sind die Comics wie Detek­tiv­ge­schich­ten ange­legt, sodass meist am Ende eine Lösung des Rät­sels prä­sen­tiert wird. Aber auch fan­tas­ti­sche Momente, die Aus­ein­an­der­set­zung mit ande­ren Kul­tu­ren sowie die wit­zi­gen Poin­ten kom­men zu einem sti­lis­ti­schen Meis­ter­werk zusam­men. Eben­falls kommt es zum Ein­satz von Run­ning-Gags, bei­spiels­weise wenn der schwer­hö­rige Pro­fes­sor Bien­lein in einem Comic alles falsch versteht.
In allen Hef­ten erscheint ein aus­ge­klü­gel­tes und gut durch­dach­tes Zusam­men­spiel der Charaktere.

Der Carl­sen Ver­lag feiert

Schon zuvor erschien „Les aven­tures de Tin­tin“ auf Deutsch. Wie die erst­ma­lige Über­set­zung von 1952 bis 1971 im Ham­bur­ger Abend­blatt oder die vom bel­gi­schen Ori­gi­nal­ver­lag Cas­ter­man. Seit 1967 erschei­nen nun die far­bi­gen Soft­co­ver-Alben beim Carl­sen Ver­lag. Dies­jäh­rig wird somit bei Carl­sen 50-jäh­ri­ges Jubi­läum gefei­ert. Dazu brachte Carl­sen eine in Hard­co­ver gebun­dene Gesamt­aus­gabe her­aus, die 199€ kostet.

Tim und Struppi: Eine Kindheitserinnerung

Über die Jahre hin­weg schuf Hergé mit Tim und Struppi zeit­lose Werke. Ein­mal als Kind gese­hen, sind sie eben­falls im Erwach­se­nen­al­ter eine Augen­weide. Dazu tra­gen auch die bereits von 1991 bis 1993 pro­du­zierte 39-tei­lige fran­zö­sisch-kana­di­sche Fern­seh­se­rie und die Zei­chen­trick-Kino­filme „Tim und Struppi im Son­nen­tem­pel“ von 1969 und „Tim und Struppi und der Hai­fisch­see“ von 1972 bei. Hinzu kommt der von Ste­ven Spiel­berg Regie geführte, com­pu­ter­ani­mierte Film „Die Aben­teuer von Tim und Struppi – Das Geheim­nis der Ein­horn“ von 2011. Ob im Comic, Fern­se­hen oder Kino: Die Aben­teu­er­ge­schich­ten von Tim und Struppi berei­ten jeder Alters­stufe immer wie­der Freude.

23 Tim und Struppi Soft­co­ver-Comics auf Deutsch bei Carlsen:

1. Tim im Kongo
2. Tim in Amerika
3. Die Zigar­ren des Pharaos
4. Der Blaue Lotos
5. Der Arumbaya-Fetisch
6. Die schwarze Insel
7. König Otto­kars Zepter
8. Die Krabbe mit den gol­de­nen Scheren
9. Der geheim­nis­volle Stern
10. Das Geheim­nis der „Ein­horn“
11. Der Schatz Rack­hams des Roten
12. Die sie­ben Kristallkugeln
13. Der Sonnentempel
14. Im Rei­che des Schwar­zen Goldes
15. Rei­se­ziel Mond
16. Schritte auf dem Mond
17. Der Fall Bienlein
18. Kohle an Bord
19. Tim in Tibet
20. Die Juwe­len der Sängerin
21. Flug 714 nach Sydney
22. Tim und die Picaros
23. Tim und der Hai­fisch­see (Comic zum Zeichentrickfilm)

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