Heike Koschyk alias Emma Garnier im Interview

by Worteweberin Annika

Das ist das Schöne am Schrei­ben oder am Lesen. Man wächst mit den Büchern.

Kürz­lich ist der his­to­ri­sche Thril­ler „Grand­ho­tel Angst“ bei Pen­guin erschie­nen. Dass die Autorin Heike Koschyk alias Emma Gar­nier ganz unter­schied­li­che Inter­es­sen hat und wie sie den Weg zum Schrei­ben fand, das hat sie Worte­we­be­rin Annika im Inter­view verraten.

Foto © Chris­tian Kerber

BK: Auf der Ver­lags­web­site kann man lesen, dass Sie schon lange plan­ten, einen Roman über das Hotel Angst zu schrei­ben. Wie lange haben Sie denn recherchiert?

Heike Koschyk: Das kann ich gar nicht so genau sagen. Seit ich dem Hotel im Jahr 2003 zum ers­ten Mal begeg­net bin, gab es immer wie­der Wochen inten­si­ver Recher­che. Ich habe viel Zeit in der dor­ti­gen Biblio­theca Bick­nell ver­bracht und mich in den Archi­ven über die his­to­ri­schen Hin­ter­gründe infor­miert. Im Laufe der Jahre haben sich unzäh­lige Bücher zum Thema ange­sam­melt, die ich in Anti­qua­ria­ten erwor­ben habe. Und wäh­rend des Schreib­pro­zes­ses haben mir alte Rei­se­be­richte und bota­ni­sche Schrif­ten dabei gehol­fen, die Umge­bung so authen­tisch wie mög­lich nachzuzeichnen.

BK: Was ist es für ein Gefühl, einen Text dann abzu­schlie­ßen und zur Seite zu legen? Beschäf­ti­gen Sie die Figu­ren auch wei­ter­hin noch?

HK: Einen Text abzu­schlie­ßen ist immer ein sehr schö­ner Moment. Man bedankt sich, nimmt Abschied von den Prot­ago­nis­ten und lässt sie gehen. Bei die­sem Buch hin­ge­gen war es anders. Nells Geschichte klingt noch immer nach. Ihre Ent­wick­lung hat etwas in mir berührt, das ich mir erst bewusst machen musste. Das ist das Schöne am Schrei­ben oder am Lesen. Man wächst mit den Büchern.

BK: Sie selbst waren in Bor­dig­heira und sind so auf das Hotel auf­merk­sam gewor­den. Konn­ten Sie es auch besichtigen?

HK: Es war lange unter­sagt, das Hotel zu betre­ten. Ich hatte nur die Pläne, die mir der zustän­dige Archi­tekt gege­ben hatte, und die his­to­ri­schen Fotos. Erst in die­sem Jahr bekam ich die offi­zi­elle Erlaub­nis dazu. Es war eine unglaub­lich berüh­rende Erfah­rung, durch die Gänge zu gehen, die Räume zu besich­ti­gen. Auf ein­mal wurde die Geschichte des Romans sehr real.

BK: Wis­sen Sie, ob inzwi­schen mit den Reno­vie­rungs­ar­bei­ten am Hotel begon­nen wurde?

HK: Laut Ing. Bes­sone soll­ten die Arbei­ten im Okto­ber begin­nen. Er sagte mir bei mei­nem Besuch Anfang August, dass ich wohl die Letzte sei, die das Hotel in dem der­zei­ti­gen Zustand foto­gra­fie­ren könne.

BK: Das Hotel ist ja auch sonst ein belieb­tes Thema in der Lite­ra­tur. Was fas­zi­niert Sie per­sön­lich so daran und spe­zi­ell am Hotel Angst?

HK: Hotels sind meist Spie­gel­bil­der einer Epo­che, Schau­platz eines hei­mat­los gewor­de­nen Lebens. Man befin­det sich an einem unbe­kann­ten Ort, an dem man sich neu erfin­den kann ¬oder abseits des Gewohn­ten Insta­bi­li­tät erfährt. Beim Grand­ho­tel hat mich die geheim­nis­volle Atmo­sphäre des ver­fal­le­nen Gebäu­des, die einen unwill­kür­lich an den Unter­gang der Tita­nic erin­nert, enorm inspi­riert. Vor allem der Name Angst regte meine Phan­ta­sie an, obwohl die Bezeich­nung auf den Besit­zer Adolf Angst zurückgeht.

BK: Den neuen Roman haben Sie unter Pseud­onym ver­öf­fent­licht, nor­ma­ler­weise schrei­ben Sie unter dem Pseud­onym Sophie Bon­net oder auch unter Ihrem Namen Heike Koschyk. Wie und warum ist es zu „Emma Gar­nier“ gekommen?

HK: Jedes Pseud­onym betont eine andere Seite von mir. Sophie Bon­net ist humor­voll, cou­ra­giert und liebt den Genuss. Mit Emma Gar­nier hin­ge­gen zeige ich meine nach­denk­li­che, sen­si­ble Seite; hier lebe ich den Hang für das Mys­ti­sche aus. Die Pseud­onyme haben zudem unter­schied­li­che Schreib­stile und spre­chen andere Leser an, daher ist es bes­ser, das zu trennen.

BK: Wird es denn wei­tere Ver­öf­fent­li­chun­gen unter dem Pseud­onym Emma Gar­nier geben?

HK: Momen­tan ist noch nichts geplant. Es hängt davon ab, ob mich ein Thema oder ein Gebäude ähn­lich inspi­rie­ren kann wie das Hotel Angst.

BK: Wie sieht Ihr Tages­ab­lauf aus, wenn Sie an einem Roman arbeiten?

HK: Nor­ma­ler­weise fahre ich um halb neun in mein Schreib­büro und arbeite bis um vier, danach ist Fami­li­en­zeit. An zwei Tagen in der Woche hilft mir meine Mut­ter, da kann es schon mal sein, dass ich das Büro erst um acht Uhr ver­lasse. Manch­mal fahre ich in die Uni­bi­blio­thek und leihe mir Bücher zu den unter­schied­lichs­ten The­men aus. Und wenn der Abga­be­ter­min naht, mache ich ein Schreib­wo­chen­ende, an dem ich bis spät in die Nacht arbei­ten und mei­nen Gedan­ken freien Lauf las­sen kann.

BK: Auf Ihrer Web­site erfährt man, dass Sie eine Tex­tilagen­tur lei­te­ten und als Heil­prak­ti­ke­rin tätig waren, bevor Sie Autorin wur­den – darf man sagen, dass das ein eher unge­wöhn­li­cher Weg ist? Wie kam es dazu?

HK: Die unter­schied­li­chen Berufe spie­geln meine viel­fäl­ti­gen Inter­es­sen wider, es ist ähn­lich gela­gert wie bei den Pseud­ony­men. In der Mode­bran­che konnte ich meine Liebe für schöne Dinge, Design und Kul­tur aus­le­ben, als Heil­prak­ti­ke­rin das Inter­esse für das Tief­sin­nige, Natur­ver­bun­dene und Äthe­ri­sche. Mit dem Beruf der Schrift­stel­le­rin bin ich end­lich ange­kom­men. Denn hier kann ich bei­des mit­ein­an­der verbinden.

BK: Was lesen Sie in Ihrer Frei­zeit eigent­lich selbst gerne?

HK: Sie ahnen es sicher schon: Ich bin da auf kein Genre fest­ge­legt. Das kann ein Psy­cho­thril­ler sein, ein atmo­sphä­ri­scher Roman oder ein anre­gen­des Sach­buch. Haupt­sa­che, es fes­selt mich beim ers­ten Hineinlesen.

BK: Nun noch unsere bücher­städ­ti­schen Fra­gen: Wenn Sie selbst ein Buch wären, wel­ches wäre das dann?

HK: Das ist eine inter­es­sante Frage! Wahr­schein­lich wäre ich das Buch zum Film „Die fabel­hafte Welt der Amé­lie.“ Ich mag es, die Welt aus unge­wöhn­li­chen Per­spek­ti­ven zu betrach­ten, liebe die magi­schen Momente im Leben.

BK: Gibt es eine Inter­view­frage, die Sie sich schon immer gewünscht haben? Und was wäre Ihre Antwort?

HK: Nein, eigent­lich ist alles gesagt. Und gerade habe ich gedacht, dass Sie mir sehr schöne und teils nach­denk­lich machende Fra­gen gestellt haben. Herz­li­chen Dank dafür!

BK: Das freut mich, herz­li­chen Dank für das Interview!

Wei­tere Infor­ma­tio­nen unter: www​.emma​-gar​nier​.de

Ein Zim­mer im „Angst“

Weiterlesen

Leave a Comment

Diese Seite verwendet Cookies. Mit der Nutzung unserer Website erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. OK Erfahre mehr