Heilung durch Wohlbefinden

by Zeichensetzerin Alexa

Kann man allein durch den Glau­ben und mit Hilfe der Natur eine unheil­bare Krank­heit „bekämp­fen“? Der öster­rei­chi­sche Schrift­stel­ler Tho­mas Saut­ner hat sich die­ser Frage für sei­nen aktu­el­len Roman „Die Älteste“ ange­nom­men und sie in eine unter­halt­same Geschichte ver­packt. – Von Zei­chen­set­ze­rin Alexa

Eine Kräu­ter­hexe im Wald

Wie eine Hexe lebt sie zurück­ge­zo­gen im Wald: die Alte, deren Name Lis­beth ist und außer­halb ihrer Welt bekannt ist. Wun­der soll sie voll­bracht und kranke Men­schen, die von Ärz­ten bereits auf­ge­ge­ben wur­den, geheilt haben. Nach Sophies Dia­gnose ergreift ihre Freun­din die Chance, klam­mert sich an die­sen letz­ten Stroh­halm Hoff­nung und bringt sie zu der Alten. Diese ist alles andere als begeis­tert – selbst den mit­ge­brach­ten Tabak, Schnaps und Kaf­fee will sie im ers­ter Augen­blick nicht anneh­men, obwohl dies zu den soge­nann­ten „Spiel­re­geln“ gehört. Wer ihre Hilfe anneh­men will, muss diese drei Dinge mit­brin­gen und ihren – recht selt­sa­men – Anwei­sun­gen folgen.

Lis­beths Gast­freund­schaft lässt jedoch zu wün­schen übrig: den Kof­fer der jun­gen Frau bezeich­net sie als UFO, die mit­ge­brach­ten Geschenke als Gift. Sophie will schon gehen, als die Alte es sich doch anders über­legt und ihr die erste Auf­gabe gibt: sie soll nun Feuer machen. Die junge Frau, die in ihrem All­tag mit Din­gen wie Feu­er­zeug und Streich­höl­zer ver­traut ist, ist ohne diese gleich über­for­dert. Wie soll sie denn bitte Feuer machen? Auch die ande­ren Auf­ga­ben for­dern viel Geduld und Umstel­lung. Hier im Wald herr­schen näm­lich ganz andere Gesetze. Und andere Abläufe. Jene ohne Hek­tik und Stress.

Mit der Natur – gegen die Natur

Sophie merkt bald, wie sie zur Ruhe kommt, wie sie ent­spannt, wie ihre Gedan­ken andere Rich­tun­gen und Kreise ein­schla­gen. Sie beginnt, sich wohl zu füh­len. Doch wird ihr die Natur hel­fen, den Hirn­tu­mor zu besie­gen? „Besie­gen“ oder „bekämp­fen“ sei auch der fal­sche Ansatz, so die Alte, man müsse dem Krebs Liebe und Licht schi­cken, denn die­ser habe all das Schlechte, das Sophie in den letz­ten Jah­ren ver­drängt hatte, in sich auf­ge­nom­men. Der Stress, der tue den Men­schen nicht gut.

„Ich griff mir an die Schläfe. Und ver­suchte die­ses ver­beulte Ding in mei­nem Kopf nicht mehr als gemeine, tickende Zeit­bombe zu emp­fin­den, son­dern als leben­di­ges, mir wohl­ge­sinn­tes Wesen, das eng, ganz eng zu mir gehörte. Es mag sich lächer­lich anhö­ren, aber ich bekam feuchte Augen.“

Wäh­rend Sophie sich mit der Natur ver­traut macht, ver­braucht die Alte freu­dig ihren Tabak, trinkt Kaf­fee und Schnaps. Ob das schäd­lich sei? Warum sollte etwas schlecht sein, das einem gut tut? Die Ansich­ten der Alten sind nicht immer nach­voll­zieh­bar, doch die Art wie sie mit den Men­schen und dem Leben umgeht – auf eine ver­rückte, humor­volle Weise – rückt die Metho­den in den Hin­ter­grund und spen­det nicht nur der Prot­ago­nis­tin Hoffnung.

Grund­lage: wahre Bege­ben­hei­ten und Personen

„Die Älteste“ ist eine Geschichte, die nicht aus dem Nichts kommt: Im Nach­satz erzählt der Autor von einer Wald­viert­ler Jeni­schen namens Lis­beth W., die von den Natio­nal­so­zia­lis­ten in meh­rere Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger depor­tiert wurde. Viele aus ihrer Fami­lie star­ben, sie über­lebte und lan­dete in einem Wald­vier­tel, wo sie u.a. als Kräu­ter­frau und Hei­le­rin arbei­tete. Sie starb im Alter von neun­zig Jah­ren. Ihr Uren­kel Mar­tin Fli­cker bringt heute den Men­schen den Nut­zen von Heil­kräu­tern und den wert­schät­zen­den Umgang mit der Natur näher.

Diese und andere Per­so­nen sowie wei­tere Über­lie­fe­run­gen fin­den Platz in die­sem Roman. Die Fik­tion, die durch die Rolle der Prot­ago­nis­tin kon­stru­iert wird, passt sich den Fak­ten an und schmückt sie zu einer Geschichte, die eine mög­li­che Bege­ben­heit dar­stel­len kann, aber nicht muss. Pas­send zu den Figu­ren scheint auch der Schreib­stil, der zwi­schen ein­fa­chen und kom­ple­xen Sät­zen wech­selt und so bestimmte Situa­tio­nen ver­deut­licht. Das Feh­len von Anfüh­rungs­zei­chen stört in die­sem Roman über­haupt nicht, da durch Absätze und voran- sowie dahin­ter­ge­stellte Namen stets klar ist, wer spricht. Die­ser Punkt ist für die Atmo­sphäre der Geschichte sogar för­der­lich: es ent­steht das Gefühl einer erzähl­ten Geschichte, einer, der man am Lager­feuer sit­zend lauscht und sich vor­stellt, die Älteste könnte jeden Moment zwi­schen den Bäu­men her­vor­tre­ten. Nur um dann schwei­gend da zu sit­zen, zu rau­chen, zu trin­ken und sich ein­fach des Lebens zu freuen. Und viel­leicht ist auch genau das der Appell an uns: zu leben, solange wir es können.

Die Älteste. Tho­mas Saut­ner. Picus Ver­lag. 2015.

Erfahrt am 12.12.15 bei den Feuil­le­tö­nen mehr über den Autor und Saut­ners Werk „Frem­des Land“.

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0 comment

Rabin 12. Dezember 2015 - 1:07

Das ist eine wirk­lich schöne Geschichte. Die im Buch, was ich nach dei­nen Wor­ten glaube und die von dir sel­ber erzählte. Und wenn etwas wich­tig ist, dann sich am Leben zu freuen. Es gibt nichts Besseres. 🙂

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