Hesse, Potter & die Bibel

by Zeilenschwimmerin Ronja

Bei der Erwäh­nung von ver­bo­te­nen Büchern den­ken wohl die meis­ten hier­zu­lande (das heißt in Deutsch­land) an Natio­nal­so­zia­lis­mus und Bücher­ver­bren­nun­gen. Es gab jedoch schon lange vor­her Bücher, die ver­bo­ten wur­den. Und gibt es immer noch. Das Par­the­non of Books auf der docu­menta 14 in Kas­sel zeigt nur einen klei­nen Aus­schnitt dar­aus. Zei­len­schwim­me­rin Ronja war da und hat sich stau­nend umgesehen.

Schon bevor ich selbst ein Buch für das Kunst­werk gespen­det habe, stand fest, dass ich unbe­dingt zwi­schen den Säu­len aus Büchern hin­durch schlen­dern wollte. Vor kur­zem hatte ich dann end­lich Gele­gen­heit dazu. Das Par­the­non of Books (Par­the­non der Bücher) war zu die­sem Zeit­punkt immer noch nicht ganz voll­stän­dig. Einige Säu­len zeig­ten immer noch ihr metal­le­nes Innen­le­ben. Ein maß­stabs­ge­treu nach­ge­bau­tes Athe­ner Par­the­non lässt sich nun ein­mal nicht so leicht mit Büchern behän­gen. Zumal sämt­li­che Bücher, die (wet­ter­fest ver­schweißt) auf­ge­hängt wer­den, Spen­den sind. Das ursprüng­li­che Spen­den­ziel und damit auch die Auf­häng­tech­nik muss­ten unter ande­rem ver­än­dert wer­den, da sonst das Kunst­werk nicht voll­stän­dig gewor­den wäre.

Das Par­the­non of Books erlebt in Kas­sel bereits sei­nen zwei­ten Auf­tritt. Die Künst­le­rin Marta Min­u­jín errich­tete es erst­mals 1983 als El Par­tenón de libros in Argen­ti­nien nach dem Sturz der dor­ti­gen Mili­tär­dik­ta­tur. Es zeigte jene Bücher, die wäh­rend der Dik­ta­tur ver­bo­ten waren. Aber auch der Fried­richs­platz in Kas­sel, auf dem das Par­the­non of Books errich­tet wurde, hat seine eigene, trau­rige Buch­ge­schichte. Am 19. Mai 1933 war er Schau­platz einer groß ange­leg­ten Bücher­ver­bren­nung der Natio­nal­so­zia­lis­ten.1

Alte Bekannte und einige Überraschungen

Umso schö­ner ist es, dort nun ein so impo­san­tes Kunst­werk zu sehen. An den Säu­len ent­lang zu strei­fen ist eine kleine Reise durch Raum und Zeit. Dort hän­gen alte, ver­gilbte Exem­plare neben Neu­dru­cken, die übli­chen Ver­däch­ti­gen der deutsch­spra­chi­gen Lite­ra­tur (sprich Schil­ler, die bei­den Manns, Hesse und natür­lich Brecht) neben mir völ­lig unbe­kann­ten Namen und Unmen­gen an fremd­spra­chi­gen Titeln. Eine andere Besu­che­rin konnte erst gar nicht glau­ben, dass all diese Bücher ver­bo­ten sein soll­ten. Und die Bibel? Was habe die denn hier zu suchen? Buch­ver­bote machen kei­nen Halt vor Reli­gio­nen. Sie wer­den, im Gegen­teil, oft auch durch sie moti­viert. Viel­leicht auch einer der Gründe dafür, dass Exem­plare von Harry Pot­ter und der Twi­light-Saga so zahl­reich der Bibel Gesell­schaft leis­ten. Ein wirk­li­cher Glücks­tref­fer erwar­tete mich dann schließ­lich an einer der erst kurz zuvor fer­tig gestell­ten Säu­len. Dort hing eben jenes Buch, das ich einige Monate zuvor gespen­det hatte: eine Aus­gabe von „Onkel Toms Hütte“.

Die docu­menta 14 ist noch bis zum 17. Sep­tem­ber geöff­net und zeigt neben dem Par­the­non of Books (für das übri­gens kein Ein­tritt gezahlt wer­den muss) an ver­schie­de­nen Stand­or­ten in der gan­zen Stadt moderne Kunst aus der gan­zen Welt. Zum Ende der Kunst­aus­stel­lung hin wer­den übri­gens alle Bücher des Par­the­non of Books, ganz wie bei sei­nem argen­ti­ni­schen Vor­gän­ger, unter den Besu­chern ver­teilt. Nähere Infor­ma­tio­nen konnte ich dazu noch nicht fin­den. Unab­hän­gig davon lohnt sich aber auch ein zwei­ter Besuch auf jeden Fall.

1 Diese Infor­ma­tio­nen stamm­ten von der offi­zi­el­len Seite der docu­menta 14. Hier fin­dest du auch die mitt­ler­weile ca. 120.000 Titel umfas­sende Liste mit ver­bo­te­nen Büchern aus aller Welt, die als Vor­be­rei­tung für das Kunst­werk von Dozie­ren­den und Stu­die­ren­den der Uni­ver­si­tät Kas­sel erstellt wurde.

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1 comment

Wer hat Angst vor Büchern? – Bücherstadt Kurier 27. August 2019 - 11:19

[…] Hier fin­dest du übri­gens den Bericht von mei­nem Besuch im Par­the­non of Books. […]

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