Inception – Wenn der Traum zur Realität wird

by Poesiearchitektin Lena

Poe­sie­ar­chi­tek­tin Lena beschäf­tigt sich oft mit der The­ma­tik des Trau­mes. Als sie ver­sucht hat „Incep­tion“ aus­ein­an­der zu pflü­cken, hat sich eine spe­zi­elle Frage ent­wi­ckelt: Wenn du die Wahl hät­test, wür­dest du lie­ber im Traum leben oder in der Realität?

„Kom­men sie jeden Tag zum Schla­fen her? – Nein, sie kom­men um geweckt zu wer­den. Ihr Traum ist zu ihrer Rea­li­tät geworden.“

„Incep­tion“, ein Sci­ence-Fic­tion-Thril­ler aus dem Jahre 2010 ist ein ver­wir­ren­der und kom­ple­xer Film, den man des Öfte­ren schauen muss, um hin­ter das ganze Kon­strukt bli­cken zu kön­nen. Der Regis­seur hat sich für meh­rere berühmte Schau­spie­ler ent­schie­den, wie Leo­nardo DiCa­prio, Ellen Page und Joseph Gor­don-Levitt. In die­sem Film dreht sich alles um das Thema „träu­men“. Genauer: Kann man jeman­dem im Traum einen Gedan­ken ein­pflan­zen, der ihn so ein­nimmt, dass er nach dem Auf­wa­chen seine Mei­nun­gen und Ansich­ten ändert?

Ich beschäf­tige mich aller­dings mit einem klei­ne­ren Aspekt und zwar aus­ge­hend von der fol­gen­den Szene: In einem Raum lie­gen viele Men­schen und schla­fen tags­über meh­rere Stun­den. Und zwar jeden Tag. Es sind 12 Men­schen, die mit­ein­an­der ver­bun­den sind. Sie gehen jeden Tag dort­hin zum soge­nann­ten „Traum-Sharing“. Sie träu­men 3–4 Stun­den in der Rea­li­tät, das bedeu­tet, sie träu­men umge­rech­net dann also 72–96 Stun­den in der Traum­welt. Also 3–4 Tage im Unterbewusstsein.

Ich habe mich gefragt, ob die Men­schen, wenn sie die Wahl hät­ten, in der Rea­li­tät leben oder ihre Träume zu ihrer Rea­li­tät wer­den las­sen würden.

Dau­er­schlaf

Stellt euch fol­gen­des vor: Es gibt einen Ort, vol­ler Hoch­häu­ser, ähn­lich wie Kran­ken­häu­ser. Sehr viele Zim­mer, in denen meh­rere Bet­ten ste­hen und in ihnen lie­gen Men­schen. Her­kunft, Alter, Geschlecht ist nicht wich­tig. Eins haben sie aller­dings gemein­sam: Sie alle schla­fen und träu­men. Man­che von ihnen sind schwer­krank. Andere lei­den an Depres­sio­nen. Andere haben psy­chi­sche Pro­bleme und man­che lei­den an einem gebro­che­nen Herzen.

Ähn­lich wie Kran­ken­schwes­tern gibt es auch hier Pfleger/innen, die die Werte der Pati­en­ten beob­ach­ten und sich um sie küm­mern. Ernäh­rung und die nor­ma­len mensch­li­chen Bedürf­nisse wer­den von ihnen kon­trol­liert. Vor allem aber über­wa­chen sie die Träume der Schla­fen­den. Diese kön­nen sel­ber ent­schei­den, ob oder wann sie wie­der auf­wa­chen. Men­schen, die jeman­den ver­lo­ren haben, kön­nen in ihrem Traum wie­der mit ihr oder ihm zusam­men leben. Psy­chisch Erkrankte kön­nen in ihren Träu­men ihre Gelüste aus­le­ben, ohne wirk­lich jeman­den zu ver­let­zen oder zu ermor­den. Schwer Kranke, die bei­spiels­weise nicht mehr lau­fen kön­nen oder kein nor­ma­les Leben füh­ren kön­nen, weil sie geis­tig beein­träch­tigt sind, bekom­men eine zweite Chance, dort ihr Leben so zu gestal­ten, wie sie es sich vor­stel­len oder wünschen.

Ich kann mir aller­dings nicht vor­stel­len, dass diese Art von Leben etwas für jeden ist. Die Rea­li­tät hat auch ihren Reiz. Das Unvor­her­ge­se­hene bei­spiels­weise. Men­schen, die der „Tech­nik“ nicht ver­trauen oder die Ver­ant­wor­tung ihrer Gesund­heit nicht in fremde Hände legen wol­len, wären wohl auch eher abge­neigt. Den­noch ist es ver­lo­ckend, sich hin und wie­der ein­fach schla­fen zu legen und etwas so gesche­hen zu las­sen, wie man es sich wünscht. Wie oft hofft man, dass man seine Träume len­ken könnte? Manch einer ver­sucht dies ja sogar zu erler­nen und hat auch Erfolg damit.

Die Archi­tek­ten

In „Incep­tion“ gibt es soge­nannte Archi­tek­ten, die die Träume bauen und ent­wer­fen. Dann gibt es die Schla­fen­den, die wis­sen, dass sie träu­men und alles unecht ist und die Schla­fen­den, die den­ken, dies alles sei die Rea­li­tät. Für den Fall, dass Men­schen ewig schla­fen möch­ten, ist dies nicht opti­mal, da die Archi­tek­ten nicht ein gan­zes Leben vor­pla­nen kön­nen. Die Schla­fen­den müss­ten dem­entspre­chend sel­ber die Archi­tek­ten sein. Nicht jeder besitzt so viel räum­li­ches Den­ken und Krea­ti­vi­tät, um einen Traum so rea­lis­tisch zu ent­wer­fen, dass man im Schlaf denkt, alles sei echt. Die Frage ist auch, ob ein Archi­tekt mora­lisch in der Lage ist, einen Traum für einen Seri­en­mör­der zu ent­wer­fen. Und was ist mit Men­schen, die voll­kom­men abge­drehte und ver­rückte Träume haben wol­len? Könnte ein Außen­ste­hen­der diese nach den genauen Vor­stel­lun­gen ent­wer­fen? Wohl eher nicht. Wie kann jeder Schla­fende auch ein Archi­tekt wer­den? Gäbe es in der Uni Vor­le­sun­gen oder Semi­nare mit dem Titel „Von der Rea­li­tät zum Traum – wie werde ich Archi­tekt?“ Gäbe es sogar einen Stu­di­en­gang? „Traum­ar­chi­tekt“?

Der Traum

Ist es über­haupt in Ord­nung, natür­li­che Träume aus­zu­lö­schen? Träume bestehen aus Erin­ne­rungs­fet­zen aus der Ver­gan­gen­heit. Sogar Kind­heits­er­in­ne­run­gen kön­nen dort auf­tau­chen. Gerade erlebte Ereig­nisse oder unbe­wusste Pro­ble­ma­ti­ken wer­den ver­ar­bei­tet. Oft erfährt man durch seine Träume auch, was einen beschäf­tigt, ohne dass es einem vor­her so prä­sent war. Man könnte nicht auf­wa­chen, total ver­wirrt oder ver­ängs­tigt und seine Träume Revue pas­sie­ren las­sen und ande­ren davon erzäh­len. Auch Psy­cho­lo­gen arbei­ten oft mit Träu­men der Behan­del­ten, um die Ursa­che ihrer Pro­bleme zu dia­gnos­ti­zie­ren. Alp­träume würde es nicht mehr geben. Auch nicht das Glücks­ge­fühl nach dem Auf­wa­chen, wenn man weiß, dass alles nur ein Traum war. Träume sind spe­zi­ell und ein­zig­ar­tig. Mit dem gere­gel­ten Träu­men würde eini­ges wegfallen.

Der Traum wird zur Realität

Als Bei­spiel ist die Frau vom Archi­tek­ten Cobb per­fekt. Sie lebt in ihrer Traum­welt, die für sie Rea­li­tät gewor­den ist. Sie baut Häu­ser, lebt ihr Leben, hat ihre Kin­der als Pro­jek­tio­nen und ver­bringt dort gefühlt mit Cobb ihr gan­zes Leben. Und sie ist zufrie­den. Cobb ist der, der weiß, dass alles nicht real ist, wes­halb er ihr den Gedan­ken ein­pflanzt, dass die­ser Traum nicht real ist. Hätte er dies nicht getan, wäre sie höchst­wahr­schein­lich nie­mals frei­wil­lig auf­ge­wacht. Sie hat ja auch ihr Totem, den Krei­sel in einen Safe ver­schlos­sen, als Zei­chen dafür, dass sie auch nicht her­aus­fin­den will, ob es real ist oder nicht. Weil sie glück­lich ist.

Im Film ist es also durch­aus mög­lich, dass man voll­kom­men ver­ges­sen kann, dass der Traum nur ein Traum ist. Lei­der glaubt Cobbs Frau letzt­end­lich, dass die Rea­li­tät der Traum ist und nimmt sich das Leben. Wenn die Wahr­schein­lich­keit besteht, dass es ein Mas­sen­ster­ben geben könnte, wenn die Schla­fen­den nach Jah­ren erwa­chen und mit der Rea­li­tät nicht mehr klar­kom­men, könnte das gere­gelte Träu­men bloß zu einem düs­te­rem Pro­jekt in der Geschichte der Mensch­heit werden.

Wür­dest du lie­ber klas­sisch oder kon­stru­iert träumen?

Ein Bei­trag zum Spe­cial #phi­lo­so­phie­stadt. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

Incep­tion. Dreh­buch: Chris­to­pher Nolan. Regie: Chris­to­pher Nolan. Dar­stel­ler: Leo­nardo DiCa­prio, Joseph Gor­don-Levitt, Marion Cotil­lard, Ellen Page, Tom Hardy. War­ner Bros. USA. 2010. FSK 12.

Bil­der: War­ner Bros.

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