Jenny-Mai Nuyen

by Bücherstadt Kurier

Ich möchte Geschich­ten schrei­ben, die sich aus einer rich­ti­gen Idee her­aus ent­wi­ckelt haben. Eben eine, die ich schrei­ben muss und will.

Fuß­no­ta­rin Nata­lie hat Jenny-Mai Nuyen bei einer Lesung ihres neuen Buches „Nacht ohne Namen“ getrof­fen und direkt einige Fra­gen gestellt.

BK: Du hast mit 13 Jah­ren ange­fan­gen zu schrei­ben. Was hat dich zum Schrei­ben gebracht?

JN: In der 6. Klasse habe ich die Schule gewech­selt und kam auch sofort in eine feste Mäd­chen­cli­que. Mit der zer­stritt ich mich aber. Ich begann, mich in der Biblio­thek zu ver­krie­chen, weil ich mich von den ande­ren abhe­ben wollte. Man will sich ja in die­sem Alter defi­nie­ren. Ich wollte eine intel­lek­tu­elle Aura aus­strah­len und befasste mich somit mit den Klas­si­kern. Dann bemerkte ich aber nach eini­ger Zeit, dass Lesen Spaß macht. Nach einem hal­ben Jahr dachte ich, dass ich wüsste, was es für Bücher gab. Das war natür­lich maß­los naiv, aber es gab mir den Mut, sel­ber Bücher zu schrei­ben – und zwar für Jugend­li­che. Denn ich dachte, weil ich jugend­lich bin, wisse ich eher, was Jugend­li­che lesen wol­len, als Erwach­sene, die sich alles in Erin­ne­rung rufen müs­sen. Ich begann also Geschich­ten zu schrei­ben und hörte seit­dem nicht mehr auf.

BK: Warum hat­test du dann die lange Pause?

JN: Es war keine echte Pause, son­dern nur eine Ver­öf­fent­li­chungs­pause. Seit ich 13 bin, kann ich nicht län­ger als einen Monat nicht an einem Roman schrei­ben. Es würde mir auch feh­len. Es ist ein essen­ti­el­ler Teil mei­nes Lebens. Ich muss Dinge in Geschich­ten her­aus­las­sen oder auch in Lyrik. Weil ich jugend­lich war, habe ich auch Jugend­bü­cher geschrie­ben, aber es war nie meine Absicht Jugend­buch­au­torin zu sein, son­dern Autorin. Es ging daher aus­ein­an­der mit mir, da auch mein Ver­lag ein Jugend­buch­ver­lag war. Vor 2 Jah­ren gab es daher mein ers­tes Buch für Erwach­sene. Es war eine große Befrei­ung für mich und ich fühlte mich, als stände mir die Welt offen. Aber ich hatte immer noch nicht ganz abge­schlos­sen. Daher schrieb ich noch ein Jugend­buch, um zu ver­ste­hen, was in mei­ner Jugend pas­siert ist. Bei dem Gefühl, nie wie­der Jugend­bü­cher zu schrei­ben, wollte ich doch wie­der eins schrei­ben. Ich dachte, wenn ich mir das ver­biete, bin ich unehr­lich zu mir selbst.

BK: Wird es das letzte Jugend­buch bleiben?

JN: Ich möchte Geschich­ten schrei­ben, die sich aus einer rich­ti­gen Idee her­aus ent­wi­ckelt haben. Eben eine, die ich schrei­ben muss und will. Ganz unab­hän­gig davon, ob sie sich gut ver­kau­fen oder ich damit mein Leben finan­zie­ren kann oder nur für einen Ver­lag. Sobald man so anfängt zu den­ken, hat man sich in sei­ner Kunst beschränkt. Es ist dann nur noch ein Brot­be­ruf. Das darf es nicht wer­den. Ich finde, das ist furcht­bar. Man nimmt sich etwas ganz Gro­ßes weg aus schein­ba­rer, prak­ti­scher Bequem­lich­keit. Ich werde immer abhän­gig sein von Pro­jek­ten, die sich mir von Innen her­aus auf­drän­gen. Daher kann ich nicht aus­schlie­ßen, ob ich noch ein Jugend­buch schreibe. Aber ich habe auch das Gefühl, es ist Zeit noch ganz andere Sachen zu machen.

BK: Deine Geschich­ten fin­den sonst in einer ganz eige­nen geschaf­fe­nen Welt statt. Wieso nun Fan­tasy mit Realitätsbezug?

JN: Ich habe viele Geschich­ten mit einer eige­nen Welt geschrie­ben und das war auch gut so. Man will sich aber auch ent­fal­ten. Ich hatte das Gefühl, mich der Rea­li­tät zuzu­wen­den, aber das Magi­sche dort auf­zu­grei­fen. Ich komme nicht ganz los vom Okkul­ten oder von über­sinn­li­chen Din­gen. Das inter­es­siert mich am meis­ten. Aber auch die Gren­zen, wo wir nicht mehr mit der Ver­nunft wei­ter­kom­men oder mit den Ant­wor­ten, die die Gesell­schaft einem lie­fert. Das zieht sich durch meine Lite­ra­tur. In mei­nem Stu­dium ist es das glei­che Inter­esse, das mich antreibt. Der Grund warum, ist, dass es kei­nen Grund gibt in eine phan­tas­ti­sche Welt zu stei­gen. Ich hätte auch gerne eine Geschichte geschrie­ben, die in der rus­si­schen Revo­lu­tion spielt. Da war mir aber klar, dass das eine tiefe Recher­che erfor­dert, um sich nicht lächer­lich zu machen. Zudem hatte ich auch kei­nen Anspruch, die Ver­gan­gen­heit detail­ge­treu dar­zu­stel­len, son­dern nur die Geschichte. Hier bie­tet sich Fan­tasy an, da es dort keine Gesetze oder Regeln gibt. Die Welt muss nur in sich kohä­rent sein. Und das ist ja schon schwer genug.

BK: Warum nun Ber­lin als Ort des Gesche­hens? Was fas­zi­niert dich an die­ser Stadt?

JN: Ich wollte mit „Nacht ohne Namen“ meine Ver­gan­gen­heit ver­ar­bei­ten. Und da war ich nun mal in Ber­lin. Außer­dem sind in Ber­lin so viele junge Men­schen, die alle etwas suchen. Gerade bei Stu­di­en­an­fän­gern. Sie gera­ten auch schnell in diese Unter­grund­welt mit Clubs und Dro­gen. Sie füh­len sich hin­ge­zo­gen zu den Ver­hei­ßun­gen einer gehei­men Welt, der man bei­tre­ten und etwas ent­de­cken kann. Das Trau­rige ist: die Aus­schmü­ckun­gen sind wun­der­voll, geheim­nis­voll und magisch, aber was man ent­deckt sind Men­schen, die Dro­gen neh­men. Sie sind dort die Magie und das ist sehr depri­mie­rend. Nach mei­nem letz­ten Roman für Erwach­sene wollte ich eine Geschichte schaf­fen, in der eine tat­säch­li­che magi­sche Welt ent­deckt wird, die nicht trau­rig und trist ist. Eine zweite Rea­li­tät, die ent­de­ckens­wert ist. Ber­lin bie­tet sich dafür an. Es gibt auch magi­sche Wel­ten in der Rea­li­tät zu ent­de­cken, aber sie sind nicht in irgend­ei­ner Club­welt, son­dern in der Uni, in der Ver­gan­gen­heit, in der Schrift und in der Gedan­ken­welt, die am meis­ten Magie bereit hält.

Nacht ohne Namen, Jenny-Mai Nuyen, dtv Junior, 2015
www​.jenny​-mai​-nuyen​.de | www​.jen​ny​main​uyen​.de

Weiterlesen

Leave a Comment

Diese Seite verwendet Cookies. Mit der Nutzung unserer Website erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. OK Erfahre mehr