„Jetzt versaust du denen die Jugend“: Saša Stanišić liest in Bremen

by Worteweberin Annika

Erst Anfang Okto­ber erhielt Saša Sta­nišić für „Her­kunft“ den Deut­schen Buch­preis 2019. Im Rah­men des Lite­ra­tur­fes­ti­vals glo­bale° war er am 23. Okto­ber 2019 in Bre­men zu Gast, um aus sei­nem gefei­er­ten Buch zu lesen. Worte­we­be­rin Annika konnte sich das nicht ent­ge­hen lassen.

Natür­lich wurde nicht nur gele­sen an die­sem Abend. Mode­ra­tor Rai­ner Moritz lenkte das Gespräch auf ganz unter­schied­li­che The­men, wäh­rend er um eines einen gro­ßen Bogen machte: Die kon­tro­verse Ver­lei­hung des Lite­ra­tur­no­bel­prei­ses an Peter Handke, zu der sich Saša Sta­nišić schon oft kri­tisch geäu­ßert hatte, wurde in Bre­men aus­ge­spart. Statt­des­sen konnte Sta­nišić zu sei­ner eige­nen Aus­zeich­nung berich­ten und ver­kün­den: „Das Geld ist schon auf dem Konto!“ Mit die­sem Kom­men­tar zu Anfang sorgte er direkt für eine fröh­lich-lockere Atmo­sphäre im voll besetz­ten Bre­mer Thea­ter am Goetheplatz.

Ähn­lich lus­tig ging es wei­ter, als der Autor von sei­nen Erfah­run­gen aus Ham­burg berich­tete, wo sein Roman „Vor dem Fest“ zum Kanon für Abitur­jahr­gänge gehört. „Jetzt ver­saust du denen die Jugend“, denke er sich manch­mal, erzählte Sta­nišić augen­zwin­kernd. Doch natür­lich gibt es auch viele Vor­teile: Oft besucht er Schul­klas­sen – alle ande­ren Autorin­nen und Autoren des Schul­stoffs seien ja auch schon tot, da sei es eine schöne Erfah­rung für die Klas­sen, mit einem Schrift­stel­ler spre­chen zu können.

Wich­tigs­tes Thema des Abends war aber natür­lich der aktu­elle – ja was eigent­lich? – Roman „Her­kunft“. Auf die Bezeich­nung als „Roman“ ver­zich­ten Sta­nišić und der Ver­lag absicht­lich, denn natür­lich trägt das Buch auto­bio­gra­fi­sche Züge. Wie weit man mit ihm mit­gehe, das dürf­ten Lese­rin­nen und Leser selbst ent­schei­den und mit ihm zu „Kom­pli­zen auf den Sei­ten“ werden.

Aus „Her­kunft“ las der Autor dann auch in zwei grö­ße­ren Blö­cken. Ganz unter­schied­li­che Pas­sa­gen hatte er dafür aus­ge­wählt, unter ande­rem den atmo­sphä­ri­schen Abschnitt über das Fuß­ball­spiel von Roter Stern Bel­grad oder das Kapi­tel „Bruce Wil­lis spricht Deutsch“ über sein Spra­chen­ler­nen nach der Ankunft in Deutsch­land. Dass er ein gebo­re­ner Vor­le­ser ist, bewies er dabei ein­drucks­voll. Mit gro­ßen Ges­ten – pas­send zur Thea­ter­bühne – und beweg­ter Stimme konnte Sta­nišić viele Pas­sa­gen sogar aus­wen­dig vor­tra­gen und schlug das Publi­kum in sei­nen Bann. Da hätte die Lesung auch gerne viel län­ger dau­ern dür­fen als nur 90 Minuten.

Apro­pos 90 Minu­ten, ein wei­te­res wich­ti­ges Thema für Mode­ra­tor Rai­ner Moritz und Saša Sta­nišić war an die­sem Abend der Fuß­ball, für einen HSV-Fan in Bre­men ein durch­aus erns­tes Thema. Von ande­ren erns­ten The­men hätte bei die­ser Lesung im Rah­men des eigent­lich poli­tisch aus­ge­rich­te­ten Fes­ti­vals gerne mehr die Rede sein kön­nen. So wurde es ein Wohl­fühl­abend mit einem tol­len Autor, der nicht nur wun­der­bar wit­zig schreibt, son­dern auch erzählt.

Foto: Matej Meza/globale°-Festival für grenz­über­schrei­tende Literatur

Zum Wei­ter­le­sen:

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