Jurassic Park im Wohnzimmer

by Bücherstädterin Kathrin

Lust dar­auf, einem Tyran­no­sau­rus direkt in die Augen zu schauen? Bücher­städ­te­rin Kath­rin hat den zwei­ten Band von „Lebens­groß“ durch­ge­blät­tert und ist dabei auf unvor­stell­bare, urzeit­li­che Dimen­sio­nen gestoßen.

Es ist unfass­bar warm und ihr schwitzt. Die Sonne steht im Zenit direkt über euch. Ihr blin­zelt ihr ent­ge­gen und seht ein selt­sa­mes Wesen am Him­mel vor­bei­glei­ten, bevor es hin­ter den rie­si­gen Bäu­men ver­schwin­det. Ein Vogel war das nicht – zumin­dest nicht direkt. Was kann es sonst gewe­sen sein? Ihr beschließt, euch wei­ter durch den dich­ten Wald zu kämp­fen, und setzt euren Weg fort. Plötz­lich stol­pert ihr und stürzt. Kopf­über lan­det ihr in einer Grube. Moment, eine Grube? Das kann nicht sein. Die­ser Fleck Wild­nis ist defi­ni­tiv unbe­wohnt und vor allem uner­forscht. Wer also soll diese Grube gegra­ben haben?

Ihr wuch­tet euch wie­der nach oben, um das ganze aus einer ande­ren Per­spek­tive zu betrach­ten. Nach­denk­lich legt ihr den Kopf schief und auf ein­mal ist euch alles klar: Das ist keine Grube, das ist ein rie­si­ger Fuß­ab­druck! Nur eine Spe­zies auf der Welt hin­ter­lässt sol­che Abdrü­cke. Aber das kann doch nicht sein. Dino­sau­rier sind doch vor Mil­lio­nen von Jah­ren aus­ge­stor­ben! Ein mar­kerschüt­tern­des Krei­schen zer­reißt die Stille. Ihr zuckt zusam­men, euer Herz schlägt schnel­ler. Der Boden erbebt und ihr sucht am nächs­ten Baum­stamm Halt. Ein wei­te­rer don­nern­der Schritt folgt, der nicht weit von euch ent­fernt lan­det. Dann rie­seln viele kleine Blät­ter auf euch nie­der. Das wird doch nicht etwa ein hung­ri­ger Tyran­no­sau­rus sein, der euch ver­spei­sen möchte? Euer Herz häm­mert in eurer Brust, ihr schluckt – zum Weg­lau­fen ist es jetzt zu spät – dann hebt ihr den Blick und atmet erleich­tert aus. Über euch zwi­schen dem Blät­ter­dach in etwa zehn Metern Höhe erkennt ihr das Gesicht eines Bra­chio­sau­rus – ein Pflan­zen­fres­ser – der genüss­lich kaut und wei­tere Blät­ter von dem Baum abzupft, unter dem ihr steht. Puh – Glück gehabt!

Den pochen­den Puls noch in den Ohren legt ihr das Buch bei Seite, atmet tief durch und blickt euch erleich­tert um. Ihr seid in eurem Wohn­zim­mer. Wie soll das denn mög­lich sein, fragt ihr euch? Wo der Bra­chio­sau­rus doch lebens­groß vor euch stand? Da wart ihr euch ganz sicher. Ihr hät­tet schwö­ren kön­nen, dass ...

Ihr habt das Gefühl, das kommt euch irgend­wie bekannt vor? Euer Gefühl trügt euch nicht, denn ihr hal­tet den zwei­ten Band von „Lebens­groß“, dies­mal von Rai­mund Frey, in den Hän­den. Nun seht ihr euch jedoch nicht den Tie­ren des Wal­des gegen­über, son­dern den Dino­sau­ri­ern. Klingt span­nend? Ist es auch! Neu­gie­rig schlagt ihr das Buch wie­der auf, um eure Expe­di­tion vom Sofa aus fortzusetzen.

Tat­säch­lich lebensgroß?

In die­sem Buch sind fünf­zehn ver­schie­dene Dino­sau­rier ver­sam­melt, die, wie auch die Tiere im ers­ten Teil, auf teil­weise dop­pel­sei­ti­gen, far­bi­gen Illus­tra­tio­nen bewun­dert wer­den kön­nen. Natür­lich ist es unmög­lich, den gan­zen Dino­sau­rier lebens­groß abzu­bil­den. Der Bra­chio­sau­rus weist immer­hin eine Höhe von drei­zehn Metern und eine Länge von 25 bis 27 Metern auf. Die Dimen­sio­nen, die in die­sem Band dar­ge­stellt wer­den, sind im wahrs­ten Sinne des Wor­tes also noch gigan­ti­scher als es bei den Wald­tie­ren zum Bei­spiel beim Braun­bä­ren schon der Fall war. Zum Ver­gleich: Ein Braun­bär ist 150 bis 260 Zen­ti­me­ter groß – win­zig, wenn man ihm den Bra­chio­sau­rus gegen­über­stellt. Die­ser Band nutzt dabei wie sein Vor­gän­ger auch die Detail­ab­bil­dun­gen im Maß­stab 1:1. So blickt ihr einem Tyran­no­sau­rus direkt ins Auge oder könnt die gewal­tige Dau­men­kralle eines Bary­onyx bestau­nen, die fast eine gesamte Seite des Buches ein­nimmt. Um die Dimen­sio­nen, von denen wir hier spre­chen, greif­ba­rer zu machen: Das Buch „Lebens­groß“ hat die unge­fäh­ren Maße von 25 mal 35 Zen­ti­me­ter, ist also bezeich­nen­der­weise selbst auch ein wah­rer Gigant unter den Büchern.

Die Illus­tra­tio­nen stam­men dies­mal vom Autor selbst und muten wie­der äußerst detail­reich und nahezu foto­rea­lis­tisch an (soweit Letz­te­res eben mög­lich ist, denn Foto­auf­nah­men aus die­ser Zeit gibt es natür­lich nicht). Durch die far­bi­gen Zeich­nun­gen bekommt ihr ein sehr gutes Bild davon, wie die Urzei­t­rie­sen aus­ge­se­hen haben könn­ten. Ver­stei­nerte Über­reste, Kno­chen, Haut­schup­pen, Federn, Fuß­spu­ren oder einige erhal­tene Farb­pig­mente machen diese Ver­mu­tun­gen mög­lich, denn Dino­sau­rier star­ben vor 66 Mil­lio­nen Jah­ren aus – einem Men­schen sind sie also nie begeg­net. Bei den Aus­ma­ßen ist das wohl auch bes­ser so.

Das Buch arbei­tet aber nicht nur mit ein­zel­nen Kör­per­tei­len, die los­ge­löst vom Rest des Dino­sau­ri­ers dar­ge­stellt wer­den. Viele Bil­der zei­gen auch den Dino­sau­rier im Gan­zen. In sol­chen Zeich­nun­gen sind Teile des Dinos lebens­groß abge­bil­det, etwa die Schnauze oder eine Schwanz­spitze, der Rest des Kör­pers wird per­spek­ti­visch ver­klei­nert gezeigt, bie­tet aller­dings auch so einen sehr guten Ein­blick in die unglaub­li­chen Dimensionen.

Was gibt es noch zu entdecken?

Ein­ge­lei­tet wer­den die jewei­li­gen Dino­sau­rier mit einem Steck­brief, in dem sich sowohl Anga­ben zu Größe, Gewicht und Fund­ort fin­den las­sen, als auch Infor­ma­tio­nen zu Aus­se­hen, Lebens­raum, Ver­hal­ten, Nah­rung und Nach­wuchs. Jede Seite ist dabei wie­der lie­be­voll gestal­tet. Auch die­ser Band über Dino­sau­rier weist wie­der die Spalte Spe­zi­al­wis­sen auf. Dort erfah­ren wir zum Bei­spiel, dass selbst die größ­ten Dino­sau­rier im Ver­hält­nis eher kleine Eier gelegt haben. Der Grund dafür ist logisch: Das Ei muss mit Sauer­stoff ver­sorgt wer­den. Die­ser wird durch die Schale auf­ge­nom­men, also darf die Schale nicht zu dick sein. Wenn das Ei sehr groß und schwer wäre, würde die Schale aber zer­bre­chen. Ein wei­te­res Bei­spiel für die Kate­go­rie Spe­zi­al­wis­sen ist der Tyran­no­sau­rus. Er konnte auf­grund sei­nes hohen Gewichts von circa neun Ton­nen nicht ren­nen. Statt­des­sen konnte er aber sehr schnell gehen. Wis­sen­schaft­ler ver­mu­ten, dass er eine Geschwin­dig­keit von zwan­zig bis fünf­zig Kilo­me­ter pro Stunde schaffte.

Höchst inter­es­sant und auf­schluss­reich sind auch die Grö­ßen­ver­hält­nisse der Dino­sau­rier unter­ein­an­der und natür­lich auch zum Men­schen. Diese Dar­stel­lung ver­deut­licht die ein­drucks­vol­len Dimen­sio­nen ebenfalls.

Wenn ihr euch also für Dino­sau­rier inter­es­siert und bereit seid, ihnen Auge in Auge gegen­über zu ste­hen, soll­tet ihr unbe­dingt zu die­sem Buch grei­fen. Es bie­tet die ein­zig­ar­tige Mög­lich­keit, das Aus­maß die­ser aus­ge­stor­be­nen Urzeit­gi­gan­ten bes­ser zu ver­ste­hen, denn im wah­ren Leben tref­fen wir sie nicht mehr an. Das heißt, ganz stimmt letz­te­res nun auch wie­der nicht, denn eine Gruppe Dino­sau­rier hat bis heute über­lebt – die Vögel! Sie ent­wi­ckel­ten sich aus klei­nen Raub­sauri­ern und zäh­len dem­nach zu ihren „Ver­wand­ten“. Wenn ihr es aller­dings auf die rie­si­gen Dino­sau­rier abge­se­hen habt, wie Bra­chio­sau­rus, Tri­ce­r­a­tops, Dil­p­ho­sau­rus und Co. nutzt die­ses Buch, um ihnen gegen­über­zu­tre­ten. Dabei wer­det ihr natür­lich auch klei­ne­ren Exem­pla­ren begeg­nen. Wie­der eine klare Emp­feh­lung für alle Sofa-For­scher unter uns – für die klei­nen, aber auch für die großen.

Lebens­groß: Dino­sau­rier. Text und Illus­tra­tio­nen: Rai­mund Frey. Cop­pen­rath. 2021. Ab 6 Jahren.

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