Kann die Sehnsucht nach der Liebe im Tod enden?

by Poesiearchitektin Lena
Ach­tung, Rezen­sion ent­hält Spoiler!

Melissa Bro­der bringt mit ihrem Debüt­ro­man „Fische“ ein Buch auf den Markt, wel­ches vol­ler Emo­tio­nen, Wie­der­erkenn­ba­rem und Fra­gen ist, die man sich im Laufe des Lebens stellt. Poe­sie­ar­chi­tek­tin Lena hat das Buch inner­halb von zwei Tagen verschlungen.

„Hallo, ich bin Lucy und habe ein Problem.“

Lucy ist Ende 30, unglück­lich und denkt zu viel nach. Ihr lang­jäh­ri­ger Freund Jamie will nicht mit ihr zusam­men­zie­hen, geschweige denn hei­ra­ten. Eigent­lich möchte Lucy auch nicht, aber da er es ablehnt, will sie es schließ­lich doch. Statt­des­sen tren­nen sie sich. Es ist der Beginn von viel Zucker, Nach­stel­lun­gen und einem unbe­wuss­ten Selbst­mord­ver­such ihrer­seits. Dar­auf­hin muss sie einen Zwangs­ur­laub bei ihrer Schwes­ter in Venice Beach machen, den Hund und das Haus sit­ten und eine Selbst­hil­fe­gruppe auf­su­chen. Sie trifft auf das Hüh­ner­pferd, Sara, die ihre Füße mehr bevor­zugt als gewöhn­lich und Claire, die letzt­lich in der Psych­ia­trie landet.

Nach zwei Tin­der­da­tes, die sich anders als gewünscht ent­wi­ckeln, sucht Lucy Trost am Strand und trifft auf Theo, einen Meer­mann. Sie ist gefes­selt und spi­ri­tu­ell mit ihm ver­bun­den. Es geht so weit, dass sie sich unsterb­lich in ihn ver­liebt und ohne ihn einen rich­ti­gen Ent­zug erlebt, bei dem sie sogar extreme kör­per­li­che Schmer­zen emp­fin­det. Es gibt nur eine Lösung: Sie muss ertrin­ken, damit sie zusam­men­blei­ben können.

„Fische“ – Der Meer­mann, als Beweis für ihre Probleme

„Fische“ ist ein viel­sei­ti­ges Buch. Zu Beginn ist es nicht schwer, sich mit Lucy zu iden­ti­fi­zie­ren. Ihre Abnei­gung gegen Pär­chen, wenn es einem sel­ber schlecht geht oder die unschö­nen Dates, die man abge­wan­delt eben­falls schon ein­mal erlebt hat. Auch die Schwie­rig­keit, sich sel­ber zu lie­ben und mit Abwei­sun­gen umzu­ge­hen, ist nicht fremd. Dadurch fühlt man sich mit Lucy ver­bun­den und lei­det mit. Als der Meer­mann auf­taucht, wird die Geschichte aller­dings unrea­lis­tisch und man geht men­tal auf Abstand. Natür­lich ist er nicht real, aber im Buch wird das nicht deut­lich und zwi­schen­drin erwischt man sich immer wie­der dabei, sich zu fra­gen, ob er nicht doch exis­tiert. Erst rela­tiv am Schluss gibt es einen Satz, der Klar­heit bringt:

„Wäre jemand in der Nähe gewe­sen, er hätte eine Frau gese­hen, acht­und­drei­ßig Jahre alt und hof­fent­lich jün­ger wir­kend, die sich an einem Rie­sen­fisch rieb, oder viel­leicht nur an der Luft. Ich wusste nicht, was ver­rück­ter wäre.“

Theo ver­kör­pert ihre Wün­sche und Ängste. Da diese für sie real sind, ist es Theo eben­falls. Am Ende des Buches ist Lucy anschei­nend über­fäl­lig. Die Autorin will den Schein wah­ren und die Leser noch ein­mal ver­wir­ren, ob Theo nun wirk­lich real ist oder ein Hirn­ge­spinst. Wenn man über­legt, von wem sie schwan­ger sein könnte, wird einem ganz anders und man ist erleich­tert, dass dies nur ein Buch ist.

Fas­zi­nie­rend, fes­selnd und anstrengend

Die Ver­zweif­lung und das Begeh­ren nach Liebe und Sexua­li­tät, die Sucht danach, begehrt zu wer­den, kann ich mir nicht so extrem vor­stel­len, wie es in dem Buch von meh­re­ren Cha­rak­te­ren durch­lebt wird. Mög­li­cher­weise liegt das daran, dass ich sehr viel jün­ger bin als Lucy und noch nicht so viel erlebt habe. Lucy ist Ende drei­ßig und hat eine lange Bezie­hung hin­ter sich, bei der sie sich mehr vor­ge­macht hat, als sie zuge­ben will. Es fiel mir schwer, nicht andau­ernd zu den­ken, dass sie über­treibt und sich nicht so anstel­len soll. Die­ses Buch kann je nach Lebens­lage und Alter anders wahr­ge­nom­men und inter­pre­tiert werden.

Die stän­di­gen rhe­to­ri­schen Fra­gen und phi­lo­so­phi­schen Aus­flüchte sind auf Dauer anstren­gend. Auch ihre oft wie­der­hol­ten Anspie­lun­gen auf Sap­pho (eine antike grie­chi­sche Dich­te­rin) habe ich schließ­lich ein­fach über­sprun­gen. Den­noch ist es Bro­der gelun­gen, das Thema „Was will ich und was brau­che ich davon wirk­lich“ zu hin­ter­fra­gen. Zum Abschluss ent­schei­det sie sich für die Ver­nunft und nicht für das Begeh­ren. Aber der Samen der Unver­nunft ist den­noch vor­han­den und es ist nur eine Frage der Zeit, bis er erneut anfängt zu sprießen.

Fische. Melissa Bro­der. Ull­stein Ver­lag. 2018.

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