Kann ich Kafka mögen? Oder: Ein Kinderbuch hilft mir über ein Schultrauma

by Zeilenschwimmerin Ronja

Drei Mal musste ich „Die Ver­wand­lung“ von Franz Kafka in der Schule durch­kauen. Das ist ein­fach zu oft, um die Erzäh­lung wert­schät­zen zu kön­nen. Ich konnte Kafka in die­ser Zeit abso­lut nicht aus­ste­hen. Vor der Lek­türe von Juliane Sophie Kay­sers „Franz und die Puppe auf Rei­sen“ habe ich nie dar­über nach­ge­dacht, ob er mir viel­leicht als Per­son sym­pa­thisch sein könnte. – Von Zei­len­schwim­me­rin Ronja

Lilli spielt im Park mit ihrer Puppe Pau­line. Nach­dem sie Pau­line schla­fen gelegt hat, folgt sie eini­gen Schmet­ter­lin­gen. Doch plötz­lich fällt ihr auf: Sie hat Pau­line ja ganz ver­ges­sen! Lilli sucht und sucht, kann sie jedoch nicht wie­der­fin­den. Schließ­lich gibt sie wei­nend auf. So wird sie von Franz gefun­den, der genau weiß, wie er Lilli trös­ten kann. Tag für Tag bringt er ihr einen Brief von Pau­line, in denen sie von ihren Aben­teu­ern berichtet.

Ein Mäd­chen, das im Park von einem frem­den Mann ange­spro­chen wird: Da schril­len natür­lich alle Alarm­glo­cken. In die­ser Geschichte zu Unrecht. Gerade des­halb wei­sen Autorin und Ver­lag am Ende dar­auf hin, dass im Kon­text des Buches Kin­dern noch ein­mal erklärt wer­den sollte, warum sie nie­mals mit Frem­den mit­ge­hen dürfen.

Abseits die­ses erns­ten Hin­wei­ses ist „Franz und die Puppe auf Rei­sen“ eine put­zige Geschichte. Wir haben als Kind ver­mut­lich alle mal etwas ver­lo­ren, das uns wich­tig war. Die Freude ist groß, wenn man es wie­der­fin­det. Wenn nicht, dann bleibt die Frage: Was macht die Puppe/der Ted­dy­bär jetzt? Aus­ge­rech­net Franz Kafka erkennt das kind­li­che Bedürf­nis nach einer Ant­wort auf diese Frage. Das bricht mit mei­nem Bild von dem Mann, der für seine düs­te­ren Geschich­ten berühmt ist.

Doch tat­säch­lich beruht Juliane Sophie Kay­sers Erzäh­lung auf wah­ren Bege­ben­hei­ten. Die Briefe, die Kafka für ein Mäd­chen schrieb, das seine Puppe ver­lo­ren hatte, gel­ten als ver­schol­len. Um den­noch etwas von Kafka ein­zu­brin­gen, hat Kay­ser Zitate aus sei­nen Tage­bü­chern im Text ein­ge­baut. Kleine Details, die sich eher an Erwach­sene rich­ten. Aber bei einem Buch für Leseanfänger*innen kann gern auch etwas für die Erwach­se­nen dabei sein, die viel­leicht doch noch mal ein Stück­chen vorlesen.

Mit gro­ßer Schrift, ein­fa­cher Spra­che und groß­flä­chi­gen Illus­tra­tio­nen ist „Franz und die Puppe auf Rei­sen“ für Kin­der ab 6 Jah­ren gedacht. Zwei Urkun­den (für Erstleser*innen und Schulanfänger*innen) gibt es auch dazu.

Franz und die Puppe auf Rei­sen – Lilli und der Mann im Mond. Juliane Sophie Kay­ser. Mit Illus­tra­tio­nen von Gra­ham Rust. Tomorrow’s Clas­sics. 2020. Erhält­lich in der Buch­hand­lung eures Vertrauens.

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2 comments

Juliane Sophie Kayser 13. Dezember 2020 - 0:35

Hi Ronja,
du hast mich rich­tig zum Lachen gebracht mit dei­ner ori­gi­nel­len Rezen­sion mei­nes neuen Kinderbuchs.
Falls ich dir tat­säch­lich über das Schul­t­rauma hin­weg hel­fen konnte, so liegt das an mei­nen Genen, mein Vater war näm­lich ein Trauma-The­ra­peut;) Viel Spaß noch beim Zei­len­schwim­men. Ich kriege täg­lich Buch­be­stel­lun­gen von Buch­hand­lun­gen aus ganz Deutsch­land. Und das liegt auch an euch Buch­blog­gern. Danke!

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Zeilenschwimmerin Ronja 13. Dezember 2020 - 15:59

Hallo Juliane,
freut mich, dass ich dich zum Lachen brin­gen konnte! Ich wün­sche dir wei­ter­hin ganz viele Bestel­lun­gen. Viel­leicht wer­den ja auch anderswo noch ein paar Schul­t­rau­mata durch dein Buch gelöst. 😉
Viele Grüße,
Ronja

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