King für Zwischendurch

by Satzhüterin Pia

„Meine Waren biete ich gerne feil, wenn die Stra­ßen ver­las­sen sind und wenn eine kalte Mond­rinde über den Schluch­ten der Groß­stadt schwebt. Nur zu, ihr könnt sie euch ruhig näher anse­hen, aber seid bitte vor­sich­tig. Bes­ten­falls sind sie bis­sig und schnap­pen zu.“

Im „Basar der bösen Träume“ bie­tet dir der Meis­ter des Hor­rors zwan­zig die­ser bis­si­gen Waren in Form von Kurz­ge­schich­ten an. Gleich die erste Geschichte, „Rast­stätte Mile 81“, zeigt, was pas­siert, wenn du dich nicht an War­nun­gen wie denen aus dem Vor­wort hältst: Es ver­schlingt dich! Ein­ge­fleisch­ten Fans von Ste­phen Kings Hor­ror­ro­ma­nen dürfte diese Geschichte bereits bekannt vor­kom­men, wurde sie doch bereits 2011 als eBook ver­öf­fent­licht. Neben zwei wei­te­ren Tex­ten, die bereits im Deut­schen ver­öf­fent­licht wur­den, han­delt es sich ansons­ten um voll­kom­men neue Geschich­ten, in deren Sog du dich rei­ßen las­sen kannst.

Typisch unty­pisch?

„Basar der bösen Träume“ ist ganz King und auch wie­der nicht. Auf über 20 Stun­den Gesamt­spiel­zeit brei­tet der US-ame­ri­ka­ni­sche Schrift­stel­ler neue Facet­ten vor sei­nen Lesern – oder in die­sem Fall Zuhö­rern – aus. Neu? Wenn du King bereits gut kennst, weißt du sicher­lich, dass der all­ge­mein als Hor­ror­spe­zia­list bekannte Autor schon immer mehr konnte: Fra­gen nach Freund­schaft, Ver­trauen, Liebe, Ver­las­sen wer­den, Angst vor dem Tod und dem Leben.

Der King’sche Hor­ror tritt hin­ter melan­cho­li­sche, gru­se­lige, teil­weise mys­ti­sche Kom­po­nen­ten zurück – nicht zum ers­ten Mal. Denn schon frü­her zeigte er einen all­täg­li­che­ren Hor­ror, wie zum Bei­spiel in „Cujo“, in dem ein toll­wü­ti­ger Bern­har­di­ner eine Mut­ter mit klei­nem Sohn in ihrem Auto gefan­gen hält. Oder in „Todes­marsch“, in dem es um gesell­schafts­kri­ti­sche Fra­gen geht. Ja, es geht auch im „Basar der bösen Träume“ noch in Rich­tung Hor­ror, aber auch maka­bres, der Ver­fall, der Tod, das Leben nach dem Ster­ben fin­den eine Stimme.

Schon die zweite Geschichte des als Thril­ler gekenn­zeich­ne­ten Hör­buchs zeigt eine Ver­gäng­lich­keit des Seins, wie es doch irgend­wie neu für den, zumin­dest kli­schee­haf­ten, King ist. Du kommst nicht umhin, es sogar etwas komisch zu fin­den, wenn in „Pre­mium Har­mony“ einem Mann in den Drei­ßi­gern nicht nur die Frau über­ra­schend in einem Ein­kaufs­markt ver­stirbt, son­dern auch noch der Jack-Rus­sel-Ter­rier in der Som­mer­hitze im Wagen verreckt.

Die Mischung macht’s

Dies­mal ist es nicht der pure Whisky, den der Kon­su­ment hier ver­ab­reicht bekommt, son­dern es wird deut­lich mehr Cola dar­un­ter gemischt. Mit die­ser ver­dünn­ten – des­we­gen aber kei­nes­wegs schlech­te­ren – Mischung, kommst du nicht nur als King-affi­ner Abneh­mer, son­dern auch als zart­be­sai­te­ter Neu­ling in des­sen Gefil­den auf deine Kos­ten. King ist kein Jung­spund mehr, seine Gedan­ken und Ideen ver­än­dern sich und dies schlägt sich in sei­nen Geschich­ten nie­der. Er geht sogar so weit und wagt einen Abste­cher in die Lyrik. Damit dürfte er auf jeden Fall über­ra­schen, wenn viel­leicht auch nicht jeden begeistern.

Quer­ver­weise für ein­ge­fleischte Fans

Diese Samm­lung ist also etwas für Neu­ein­stei­ger oder Leser*innen/Hörer*innen, die sonst nicht viel mit King und sei­nen Hor­ror­ge­schich­ten anfan­gen kön­nen. Und doch ist sie auch wie­derum ganz beson­ders etwas für ein­ge­fleischte Fans. Wenn du dich mit sei­nen Geschich­ten aus­kennst, bemerkst du, wie „Böser klei­ner Junge“ an „Es“ erin­nert. Oder „Rast­stätte Mile 81“ an „Chris­tine“, „Ur“ an „Der Anschlag“, „Ein Tod“ an „The Green Mile“, oder du erkennst die Quer­ver­weise zu frü­he­ren Wer­ken. Zum Bei­spiel spielt die erwähnte zweite Geschichte „Pre­mium Har­mony“ in der fik­ti­ven Klein­stadt Castle Rock, die bereits „In einer klei­nen Stadt“ Ort der Gescheh­nisse war.

Eine ganz per­sön­li­che Note

Aber es gibt noch einen zwei­ten Punkt, warum der „Basar der bösen Träume“ ein beson­de­res Schman­kerl für King-Fans ist: Zu jeder Kurz­ge­schichte gibt es eine Ein­lei­tung, in der der Autor ein paar Sätze zur Ent­ste­hung des Tex­tes ver­liert. Diese sind mal aus­führ­li­cher, mal knap­per gestal­tet, aber immer per­sön­lich, infor­ma­tiv und span­nend für den Hin­ter­grund. Manch­mal span­nen­der als die Geschichte selbst. Auch als (Hobby-)Schreiberling dürf­ten dich die Äuße­run­gen des Autors inter­es­sie­ren, denn die Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen beinhal­ten nicht sel­ten die Infor­ma­tio­nen, wo, wann und wie die Geschichte ent­stan­den ist und wie King selbst zu Kurz­ge­schich­ten und län­ge­ren Tex­ten steht. Dabei bleibt er weni­ger lang­at­mig, als du nun ver­mu­ten möchtest.

Die Stimme

David Nathan zählt nach meh­re­ren Ver­to­nun­gen von King-Roma­nen als „die deut­sche Stimme von Ste­phen King“. Wenn du wie ich noch nie einem Hör­buch mit Nathans prä­gnan­ter, dunk­ler, ich möchte fast sagen sexy Stimme gelauscht hast, brauchst du viel­leicht ein wenig Zeit. Zeit, um nicht mehr Johnny Depp vor Augen zu haben, Chris­tian Bale, Paul Wal­ker oder James Marsters als Spike aus „Buffy – im Bann der Dämo­nen“ (auch wenn die­ser bei man­chen Sät­zen Kings erstaun­lich gut pas­sen mag). Und danach ist es ein­fach nur noch bes­ser: Nathan wird hier in sei­ner Rolle als Vor­le­ser viel­leicht nicht son­der­lich gefor­dert, seine ruhige und doch so facet­ten­rei­che, dyna­mi­sche Stimme funk­tio­niert jedoch wirk­lich wun­der­voll. Kings bild­hafte Spra­che passt zu Nathans Stimme und dies gilt sowohl für die Pas­sa­gen des Autors selbst als auch für die Stimme des Erzäh­lers. Nathan führt dich als Zuhö­rer oder Zuhö­re­rin galant durch das Vor­wort, die Ein­lei­tun­gen und die Geschich­ten selbst. Manch­mal ist es erst die Stimme, die die Geschich­ten rund macht und klei­nere Schwä­chen ausmerzt.

Fazit

Wenn du also etwas King für Zwi­schen­durch suchst, ist der „Basar der bösen Träume“ sicher­lich nicht die schlech­teste Wahl. Um einige schwä­chere Geschich­ten aus­zu­glei­chen, ist das Hör­buch mit Nathans Stimme dann wohl die bes­sere Wahl gegen­über dem Buch. Wenn die Stim­mung nicht bei allen Geschich­ten dicht und ein­dring­lich ist, macht die Vor­le­ser­stimme dies wie­der wett.

Viel­sei­tig, krea­tiv und abwechs­lungs­reich, ins­ge­samt für Neu­linge schein­bar etwas unty­pisch, aber vor allem per­sön­lich! Ein klei­nes Manko stellt jedoch die Ver­pa­ckung dar: für knapp 20 Euro bekommst du zwar über 20 Stun­den Gesamt­spiel­zeit, aber auch nur eine insta­bile Ver­pa­ckung aus Pappe für die drei MP3-CDs. Die Optik in schwarz-rot mit wei­ßen Akzen­ten ist dafür wie­der sehr anspre­chend. Bei lan­gen Auto­fahr­ten soll­test du die Hülle jedoch sorg­fäl­tig ver­stauen, sonst sieht sie bald ram­po­niert aus.

Wenn ich dich neu­gie­rig gemacht habe, hör auf der Seite der Ver­lags­gruppe Ran­dom House ein­fach mal in eine Hör­probe rein!

Satz­hü­te­rin Pia

Basar der bösen Träume. Ste­phen King. Spre­cher: David Nathan. Ran­dom House Audio. 2016. Thril­ler, unge­kürzte Lesung mit einer Gesamt­spiel­zeit von ca. 20 Std, 15 Min.

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2 comments

Marc 5. März 2016 - 14:28

Hallo Pia,
ich bin aktu­ell gerade bei der eng­li­schen Fas­sung und kann dei­nen Ein­druck genauso bestä­ti­gen. Als lang­jäh­ri­ger King­le­ser ist es ein Buch, wel­ches Ein­drü­cke bestä­tigt, aber auch zeigt, was Kind neben dem puren Hor­ror alles noch so drauf hat. Bespre­chung dazu kommt auch bei mir demnächst. 

Gruß
Marc

Reply
Pia 5. März 2016 - 18:57

Hallo Marc,
danke für deine Rück­mel­dung, freut mich, dass auch du die­sen Ein­druck hast.
Tat­säch­lich sind andere Rezen­sio­nen, die ich bis­her noch so gele­sen habe, eher der Mei­nung, King sei hier so anders als üblicherweise.
Viel Spaß noch beim Lesen 🙂
Lie­ben Gruß
Pia

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