Kluge Sätze, nichts dahinter?

by Zeilenschwimmerin Ronja

„Romeo oder Julia“ von Ger­hard Falk­ner hat es auf die Short­list des Deut­schen Buch­prei­ses 2017 geschafft. Zei­len­schwim­me­rin Ronja kann die Ent­schei­dung der Jury trotz eini­ger posi­ti­ver Eigen­schaf­ten nicht ganz nachvollziehen.

Wäh­rend eines Schrift­stel­l­er­tref­fens in Inns­bruck gesche­hen selt­same Dinge in Kurt Prinz­horns Zim­mer: Jemand hat in sei­ner Bade­wanne geba­det und eine Menge schwar­zer Haare zurück­ge­las­sen. Wenig spä­ter ver­schwin­den zu allem Über­fluss auch noch sein Schlüs­sel­bund und die Tasche mit den Notiz­bü­chern für einen neuen Roman. Als er dann wenig spä­ter in Mos­kau auch noch kryp­ti­sche Nach­rich­ten erhält, ist er sich sicher, dass dies kein Zufall mehr ist.

„Romeo oder Julia“ kommt für einen Roman, der für den Deut­schen Buch­preis nomi­niert ist, einem Krimi erstaun­lich nahe, lässt jedoch die Span­nung eines Kri­mis größ­ten­teils ver­mis­sen. Nicht nur, dass der Ver­lag in der offi­zi­el­len Inhalts­an­gabe (denn es ist eher eine Inhalts­an­gabe als ein Klap­pen­text) den Gip­fel der Gescheh­nisse ver­rät (eine Tote unter einem Hotel­fens­ter), Ger­hard Falk­ner hält sich auch lange bei Nich­tig­kei­ten auf. Tat­säch­lich ist gerade die zweite Hälfte des Romans sehr ereig­nis­los. Für Span­nung muss kei­nes­falls jede Seite blu­tig sein oder stän­dig die Befürch­tung bestehen, hin­ter der nächs­ten Ecke lauere die Aus­ge­burt des Bösen. Aber etwas mehr als Haare, Nach­rich­ten und eine Tote unter einem Fens­ter, die nicht neue Ver­wir­rung, son­dern die Lösung und das Ende des „Falls“ bil­det, hätte es schon gebraucht.

Trotz der Auf­re­gung, die Kurt Prinz­horn auf Grund der Gescheh­nisse ver­ständ­li­cher­weise emp­fin­det, liest sich der Roman erstaun­lich unbe­tei­ligt. Zwei­fel­los ist er gut, intel­li­gent und prä­zise geschrie­ben, sodass die 272 Sei­ten sich flüs­sig und auch län­ger am Stück lesen las­sen. Ganze Pas­sa­gen, nicht sel­ten eine oder meh­rere Sei­ten lang, lässt sich Prinz­horn jedoch über Hoch­kul­tur, Popu­lär­kul­tur und seine Aus­le­gung davon aus. Dies erscheint dann wie eine Anein­an­der­rei­hung von bil­dungs­bür­ger­li­chem Wis­sen, nur um des bil­dungs­bür­ger­li­chen Wis­sens willen:

„Da geht sie dann, jeden­falls mir gegen­über, wahr­schein­lich, weil das Thema da nahe­liegt, die­sem gan­zen abge­stan­de­nen Goe­the-Insti­tut-Mief auf den Leim, was angeb­lich deut­sche Kul­tur ist: die­sem völ­lig ver­fass­bin­der­ten Blick auf die alte Bun­des­re­pu­blik, die­sem ver­greis­ten Gelieb­äu­gel mit den Ein­stür­zen­den Neu­bau­ten und neu­er­dings dem Kin­der­gar­ten­ge­töse der Open Mikes und Poe­try Slams. Plus natür­lich dem öden, kano­ni­schen Kino-Mix des soge­nann­ten Neuen Deut­schen Films, mit des­sen Lang­wei­lig­keit die wehr­lose Jugend der Welt, die sich noch für Deutsch inter­es­siert, imprä­gniert und drang­sa­liert wird.“

Zum einen bil­det dies natür­lich einen Aus­schnitt der Gesell­schaft ab, in der sich der Prot­ago­nist als Autor bewegt, zum ande­ren ist es zum Lesen denk­bar lang­wei­lig. Zumin­dest, wenn man mehr an der vor­der­grün­di­gen Hand­lung, dem Rät­sel inter­es­siert ist. Aus mei­ner Sicht ist „Romeo oder Julia“ aber auch nicht tief­grün­dig genug, um die Hand­lung in den Hin­ter­grund tre­ten zu las­sen. Es gibt aller­lei Ver­weise auf Romane, Dich­ter, Filme und Musik, ver­packt in intel­li­gente Sätze. Dabei hat sich mir jedoch weder die Not­wen­dig­keit dafür im Zusam­men­hang mit der Hand­lung erschlos­sen (zumin­dest nicht in die­sem Aus­maß), noch konnte ich erken­nen, dass sie zum kri­ti­schen Nach­den­ken über ein Thema (denn wenn ja, wel­ches?) anre­gen sollten.

„Romeo oder Julia“ ist ein gut geschrie­be­nes Buch, das neben man­chen durch­aus über­zeu­gen­den Momen­ten jedoch einige Län­gen hat, sowohl auf der Hand­lungs­ebene als auch dar­über hin­aus. Für eine Aus­zeich­nung mit dem Deut­schen Buch­preis reicht es daher mei­ner Mei­nung nach nicht.

Romeo oder Julia. Ger­hard Falk­ner. Ber­lin Ver­lag. 2017.

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