Lasagne, Nähnadel, Kleid Eine Gute-Nacht-Geschichte für R.

by Bücherstädterin Silvia

„Schatz!? … Essen ist fertig!“
Ich stelle die bei­den Wein­glä­ser auf dem Ess­tisch ab und betrachte kri­tisch mein Werk. Irgend­et­was fehlt hier doch … aber was nur? ... Ser­vi­et­ten – check, Besteck – check, Glä­ser – check … Ach ja, natür­lich, wie konnte ich das nur ver­ges­sen? Der antike Ker­zen­stän­der, den du mir zu mei­nem letz­ten Geburts­tag geschenkt hast! Wohin habe ich den letz­tens noch­mal geräumt?
Fünf Minu­ten und ein erfolg­reich aus­fin­dig gemach­tes Geburts­tags­ge­schenk spä­ter bist du noch immer nicht auf­ge­taucht – eine Tat­sa­che, die mich schmun­zeln lässt. Da ist jemand wohl mal wie­der sehr in seine Arbeit vertieft …
Die Tür zu dei­nem Arbeits­zim­mer ist nur ange­lehnt. Leise öffne ich sie einen Spalt und ste­cke mei­nen Kopf hin­ein – um das lie­bens­wür­digste Bild zu erbli­cken, das es je gege­ben haben mag: Das ganze Zim­mer ist über und über mit den ver­schie­dens­ten Stof­fen über­sät, ein bun­ter Fle­cken­tep­pich, und mit­ten­drin du. Du hast dir die Hemds­är­mel hoch­ge­scho­ben, einen Blei­stift in der Hand, einen ande­ren hin­ters Ohr geklemmt. Vor dir lie­gen ein Skiz­zen­block und meh­rere Zei­chen­uten­si­lien, umrahmt von dei­ner beacht­li­chen Samm­lung an Näh­na­deln und Fäden, und du summst schein­bar unbe­wusst eine Melo­die vor dich hin, die ich augen­blick­lich als mein der­zei­ti­ges Lieb­lings­lied erkenne. Dabei bist du so in deine Arbeit ver­tieft, dass du mich nicht bemerkst; auch nicht, als ich die Tür noch ein biss­chen wei­ter öffne und mich an den Tür­rah­men lehne.
Mein Lächeln wird mit jedem Augen­blick, den ich hier ste­hen und dich so betrach­ten darf, brei­ter und brei­ter. Da ist die­ses tiefe, mich ganz aus­fül­lende Gefühl, das ich dabei ver­spüre. Es ist warm und stau­nend und glück­lich und auch ein klein wenig krib­be­lig – eine pro­funde Zunei­gung, die alles über­trifft, was ich vor­her kannte. Es ist sicher nicht das erste Mal, dass ich mich in dei­ner Gegen­wart so fühle – und doch erscheint es mir immer wie­der neu­ar­tig und wie ein Wun­der. Ob es wohl mög­lich ist, vor lau­ter Glück­se­lig­keit zu platzen?
In die­sem Moment schaust du auf – dein Blick trifft mei­nen. Deine Augen blit­zen auf und du lächelst mich an, ehe du deine Hand nach mir aus­streckst. Ich spie­gele die Geste und gehe auf dich zu bis sich unsere Fin­ger­spit­zen berüh­ren und sich unsere Fin­ger wider­stands­los inein­an­der verflechten.
Du ziehst mich näher zu dir heran, auf dei­nen Schoß und ich schlinge die Arme um dei­nen Hals. Ich stupse mit mei­ner Nase leicht gegen deine – du wirkst glücklich.
Aus den Augen­win­keln erha­sche ich einen Blick auf dei­nen Skiz­zen­block – und wie von selbst dreht sich mein Kopf sofort in diese Rich­tung; das hier muss ich mir ein­fach genauer ansehen.
Ein lei­ses „Wow …“ ent­wischt mir, als ich mit mei­nen Fin­gern die fei­nen Blei­stift­li­nien des Klei­des nachzeichne.
„Gefällt es dir?“ Dein Atem kit­zelt mich am Ohr.
„Es ist wun­der­schön“, ant­worte ich.
„Es ist noch nicht ganz fer­tig …“, lässt du mich wissen.
„Es ist fan­tas­tisch“, meine ich.
„Nicht so fan­tas­tisch wie du in die­ser Schürze …“, raunst du und hauchst mir einen Kuss auf den Hals.
Ich lache. „Stopp, stopp, das Essen ist fer­tig. Ich will nicht, dass noch alles anbrennt …“
„Hm … was gibt es denn?“, nuschelst du, das Gesicht an mei­ner Hals­beuge vergraben.
„Dein Lieb­lings­es­sen – Lasagne.“
Dein Blick schnellt hoch; mit gro­ßen, strah­len­den Augen siehst du mich an. „Warum sagst du das nicht gleich?“
Du willst auf­sprin­gen, aber ich sitze noch immer auf dir und so gehen wir beide fast zu Boden. Du lachst, ich stimme ein. Dann greifst du nach mei­ner Hand und ziehst mich sehr enthu­si­as­tisch Rich­tung Küche.
Als ich den Tel­ler vol­ler damp­fen­der Lasa­gne vor dir abstelle, strahlst du wie ein Kind vor dem Weih­nachts­baum. Doch du bist nicht abge­lenkt genug, um zu über­se­hen, dass ich mich von der Schürze befreien will. Blitz­schnell, sodass ich bei­nahe erschre­cke, hältst du mich davon ab. Fra­gend, mit hoch­ge­zo­ge­nen Augen­brauen sehe ich dich an, als du mir erneut die Schleife bin­dest. Du meinst nur: „Ich finde immer noch, dass du ver­bo­ten darin aussiehst …“
Ich lache. „Nix da. Jetzt wird erst mal gegessen.“
„Und dann?“, fragst du scheinheilig.
„Und dann sehe ich mir noch­mal die­sen fan­tas­ti­schen Ent­wurf an.“

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