Leben in der Matrix? Nein, danke!

by Wortklauberin Erika

Das Gefühl, das die Serie „Black­mir­ror“ bei vie­len Zuschau­ern aus­löst, ist Unruhe. Die tech­ni­schen Gad­gets, wel­che die Fol­gen zei­gen, sind futu­ris­tisch, aber nahe an der Rea­li­tät – bei­nahe zu nahe. Dabei war Tech­nik bei „Star Treck“ und „Dr. Who“ vor dem Beginn des drit­ten Jahr­tau­sends eigent­lich ganz harm­los, über­legt Wort­klau­be­rin Erika.

Marty McFly hätte im Jahr 2017 die Zukunft errei­chen sol­len – und mit einem Augen­zwin­kern haben viele Fans dar­auf gewar­tet, dass recht­zei­tig zu sei­nem Erschei­nen noch ein Hover­board erfun­den würde. Statt­des­sen fei­erte Elon Musk die Ankün­di­gung des Tesla Model 3. Seit Februar 2018 kreist ein E‑Auto, in dem David Bowie’s „Space Oddi­ties“ in End­los­schleife läuft, um die Erde. Kein Hover­board – nicht ein­mal in Aus­sicht. Statt­des­sen eröff­net Ama­zon einen Super­markt ohne Kasse und man fragt sich schon, wohin das alles füh­ren soll. Viel­leicht in eine der Wel­ten von „Black­mir­ror“?

Dabei hat die Vision von Tech­nik in der Sci-Fi-Welle der 1970er und ‑80er Jahre ganz harm­los begon­nen. Hover­boards, flie­gende Autos – im Prin­zip war alles mög­lich, selbst ein TARDIS und ein inter­ga­lak­ti­sches Mul­ti­funk­ti­ons­werk­zeug wie den Super­so­nic Screw­dri­ver. Es waren noch Zei­ten vor dem Inter­net, in denen man der Star Treck-Crew ein ers­tes Handy in die Hand drückte und in denen Dou­glas Adams sich die Geschichte rund um Arthur Dent aus­dachte, der wegen einer inter­ga­lak­ti­schen Auto­bahn sein Haus und sei­nen Pla­ne­ten ver­las­sen muss.

Und dann kamen die Neunziger

Und dann kamen die Neun­zi­ger, und plötz­lich ist Tech­nik nicht mehr die­ses unmög­li­che, selt­same Gebilde in den Hän­den von Kapi­tän Kirk, son­dern real. Plötz­lich ist es mög­lich, inner­halb von sehr kur­zer Zeit elek­tro­ni­sche Post zu ver­sen­den und sich selbst zu insze­nie­ren. Die Bezie­hung zur Tech­nik ver­än­dert sich, und die Welt der Kom­mu­ni­ka­tion beschleu­nigt sich – auch im Zusam­men­hang mit poli­ti­schen Umbrü­chen wie dem Fall der Mauer und dem Ende des Kal­ten Krie­ges. Die Welt ver­liert ihre kla­ren Kon­tu­ren. Das ver­an­schau­licht etwa Jean Beaudril­lard mit „The Gulf War Did Not Take Place“, worin er über den Ers­ten Golf­krieg berich­tet, der in den Stu­dios von CNN pro­du­ziert wurde.

Es wird klar: Tech­nik ist plötz­lich näher am Men­schen. Das ist irgend­wie unheim­lich. Genau die­ses Unheim­li­che greift etwa die „Matrix“-Reihe der Wachow­skis (damals noch „Wachow­ski Bro­thers“) auf. Die Frage, ob die erlebte Rea­li­tät tat­säch­lich exis­tiert, rückt in den Vor­der­grund sowie die Frage, wie man dies denn erken­nen sollte. Neo ver­sucht, sich dem Sys­tem zu wider­set­zen, und blickt hin­ter die grüne Mauer – in die Welt außer­halb der Matrix.

Die Matrix – ein Höhlengleichnis?

Der Blick hin­ter die von den Maschi­nen künst­lich geschaf­fene Illu­sion gleicht Pla­tons Höh­len­gleich­nis. Am Anfang des sieb­ten Buchs der Poli­teia lässt Pla­ton Sokra­tes die­ses Gleich­nis erzäh­len, um die Not­wen­dig­keit von phi­lo­so­phi­scher Bil­dung zu unter­strei­chen. Im Höh­len­gleich­nis beschreibt Pla­ton eine Höhle, in der Men­schen leben, die ihr gan­zes Leben dort ver­bracht haben. Sie sind so fest­ge­bun­den, dass sie nur nach vorn bli­cken kön­nen. Den Aus­gang hin­ter ihnen kön­nen sie nicht sehen, da er hin­ter ihnen liegt, nur die Wand der Höhle vor sich. Hin­ter ihnen brennt außer­dem ein Feuer, vor dem Men­schen unter­schied­li­che Gegen­stände hin und her tra­gen. Die Gefan­ge­nen sehen nur die Schat­ten und hal­ten diese für reale Lebe­we­sen, die sich bewe­gen. Ähn­lich ver­hält es sich mit der Matrix: Die Maschi­nen erschaf­fen eine Welt, die der­je­ni­gen gleicht, wel­che sich die Men­schen auf­ge­baut haben. In diese Illu­sion wer­den die Men­schen eingelullt.

Würde man eine der gefan­ge­nen Per­so­nen dazu zwin­gen, auf­zu­ste­hen, würde sie an ihren Platz zurück­keh­ren, weil sie voll­kom­men über­for­dert wäre. Des­halb ist es von gro­ßer Bedeu­tung – sowohl in der Höhle als auch in der Matrix, dass die Ent­schei­dung, sich los­zu­lö­sen und auf­zu­ste­hen von der Per­son selbst kommt. Wohl auch des­halb hat Neo die Wahl zwi­schen der blauen und der roten Pille – Erkennt­nis oder die Rück­kehr in seine Welt.

Den Spie­gel vorgehalten

Wäh­rend sowohl „Matrix“ als auch „Black­mir­ror“ und „Ex Machina“ zum Sci-Fi-Genre zäh­len, stel­len sie unter­schied­li­che Rea­li­tä­ten dar. „Matrix“ oder auch „Bla­derun­ner“ ver­ar­bei­ten futu­ris­ti­sche Welt­un­ter­gangs­phan­ta­sien, neuere Pro­duk­tio­nen wie „Black­mir­ror“ und „Ex Machina“ blei­ben näher am Heute. Wenn­gleich noch immer futu­ris­tisch, sind die darin dar­ge­stell­ten Ent­wick­lun­gen gerade auf­grund ihrer Nähe zum Hier und Jetzt beun­ru­hi­gend. Das Thema der künst­li­chen Intel­li­genz, die sich gegen ihren Schöp­fer wen­det, wie „Matrix“, „Ghost in the Shell“ und „Ex Machina“ auf­grei­fen, wird häu­fi­ger the­ma­ti­siert als zuvor. Nicht zuletzt stel­len sich durch die unzu­sam­men­hän­gen­den Fol­gen von „Black­mir­ror“ Fra­gen der Ethik. Was macht einen Men­schen mensch­lich? Wie eng hän­gen Kör­per und Geist zusammen?

  • Black­mir­ror. Char­lie Broo­ker (Creator). Zep­po­tron. UK. (60 Min./Folge, 19 Fol­gen.) 2011-lau­fend. FSK-Frei­gabe unbe­kannt, Emp­feh­lung ab 16.
  • Matrix. Lana & Lili Wachow­ski (Regie & Dreh­buch). Mit K. Ree­ves, L. Fishburne. War­ner. USA (135 Min.) 1999. FSK-16.
  • Zurück in die Zukunft [Back to the Future]. Robert Zeme­ckis (Regie & Dreh­buch). Bob Gale (Dreh­buch). Mit M. J. Fox, C. Lloyd, L. Thomp­son. Uni­ver­sal. USA. (116 Min.) 1985. FSK‑0.
  • Ghost in the Shell [Kôkaku Kidô­tai]. Mamoru Oshii (Regie). Shirow Masa­mune, Kazu­n­ori Itô (Dreh­buch). Pro­duc­tion I.G. Japan. (83 Min.) 1995. FSK-16.
  • Ex Machina. Alex Gar­land (Regie & Dreh­buch). Mit A. Vikan­der, D. Glee­son. Uni­ver­sal. USA. (108 Min.) 2014. FSK-12.
  • The Gulf War Did Not Take Place. Jean Beaudril­lard. Indiana Uni­ver­sity Press. 1995. / Fran­zö­sisch: La Guerre du Golfe n’a pas eu lieu. Gali­lée. 1991.
Ein Bei­trag zum Spe­cial #phi­lo­so­phie­stadt. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

Titel­bild: pexels​.com, Bild: Worte­we­be­rin Annika

Weiterlesen

Leave a Comment

Diese Seite verwendet Cookies. Mit der Nutzung unserer Website erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. OK Erfahre mehr