Lesen im Zug. Eine semiwissenschaftliche Studie

by Bücherstadt Kurier

Seit eini­gen Jah­ren wird im Zug wie­der mehr gele­sen. Ein Grund für Zei­len­schwim­me­rin Ronja, sich lesende Mit­rei­sende ein­mal genauer anzu­se­hen und sie zum Thema die­ser semi­wis­sen­schaft­li­chen Stu­die zu machen.

Zug­le­ser las­sen sich grob in zwei Unter­ar­ten auf­tei­len: die Esels­oh­ri­gen und die Tech­ni­sier­ten. Esels­oh­rige Zug­le­ser bevor­zu­gen die Papier­va­ri­ante eines Buches. Tech­ni­sierte Zug­le­ser set­zen dage­gen auf die digi­tale Biblio­thek eines E‑Readers.
Das Rascheln von Sei­ten, ein Lese­zei­chen, das Gewicht in den Hän­den, all das lie­ben esels­oh­rige Zug­le­ser. Das sieht man auch ihren Büchern an, denn Rei­se­bü­cher müs­sen viel mit­ma­chen: wackelnde Züge, Rei­se­ver­pfle­gung und has­ti­ges Ein­pa­cken. Leichte oder auch schwe­rere Gebrauchs­spu­ren sind da nicht ausgeschlossen.
Aber Rei­se­bü­cher sind schließ­lich keine Samm­ler­stü­cke. Sie sol­len uns die Fahrt ver­kür­zen und müs­sen prak­tisch sein. Daher grei­fen viele eher zum Taschen­buch. Nur hart­ge­sot­tene Zug­le­ser schre­cken vor nichts zurück. Kein his­to­ri­scher Roman ist ihnen zu dick, kein Thril­ler zu schwer. Da sage noch einer, Leser wür­den ihre Mus­keln vernachlässigen.
Ten­den­zi­ell sind weib­li­che Zug­le­ser häu­fi­ger zu beob­ach­ten als männ­li­che. Dies reiht sich in eine Reihe all­ge­mei­ne­rer Stu­dien ein, die besa­gen, dass Frauen durch­schnitt­lich mehr Bücher lesen als Männer.

Über die bevor­zug­ten Gen­res kann man sich auch in den Bahn­hofs­buch­hand­lun­gen einen guten Über­blick ver­schaf­fen. Kri­mis, Thril­ler, his­to­ri­sche Romane und leich­tere Kost neh­men den größ­ten Teil neben den Zei­tun­gen ein. Die Spie­gel-Best­sel­ler-Liste ist auch ver­tre­ten, ein wenig nach­denk­li­chere Lite­ra­tur, ein paar Kin­der- und Jugend­ro­mane. Damit ist der gemeine esels­oh­rige Zug­le­ser zufrie­den. Ein erstaun­li­ches Phä­no­men sind die soge­nann­ten Gro­schen­ro­mane. „Berg­dok­tor“, „Perry Rho­dan“ und Co. haben meis­tens einen eige­nen klei­nen Bereich, was bedeu­tet, dass auch sie gekauft wer­den. Den­noch habe ich bis­her nie einen Men­schen ein sol­ches Heft kau­fen geschweige denn lesen gesehen…

Bei den tech­ni­sier­ten Zug­le­sern ist eine Titel­spio­nage schwie­ri­ger. Kein Cover, keine Buch­hand­lung kann da ver­ra­ten, was auf dem Dis­play so span­nend ist. Eine Tat­sa­che, die Phä­no­mene wie das der Gro­schen­ro­mane erklä­ren könnte. Zum Bei­spiel habe ich auch nie jeman­den im Zug „Fifty Shades of Grey“ in gedruck­ter Form lesen sehen. Kein Wun­der, sagt der Spie­gel, denn als E‑Book ver­kauft sich die Reihe beson­ders gut.
Abge­se­hen von der Mög­lich­keit, nicht zu zei­gen, was man liest, bie­tet ein E‑Reader natür­lich auch noch andere Vor­teile. Vor allem wiegt er immer exakt das­selbe, unab­hän­gig von der Anzahl der gespei­cher­ten Bücher. So wer­den E‑Books immer belieb­ter. Anders als bei gedruck­ten Büchern fin­den sich E‑Reader, laut einer Umfrage des BITKOM, aller­dings häu­fi­ger in Männerhänden.

Zug­le­ser sind eine sehr viel­schich­tige Gruppe von Rei­sen­den, mit unter­schied­li­chen Vor­lie­ben und Zie­len und ihren eige­nen Geheim­nis­sen, die sich selbst dann nicht ganz ent­schlüs­seln las­sen, wenn man selbst dazu gehört.

Foto: Sinja

Weiterlesen

3 comments

PoiSonPaiNter 8. Juni 2015 - 10:56

Als täg­lich mit dem Bus Fah­rende kann ich bestä­ti­gen, dass es die Esels­oh­ri­gen und die Tech­ni­sier­ten auch in die­sem Métier gibt.
Sie tau­chen zwar in gerin­ge­ren Zah­len auf, aber das kann auch an mei­nen gewähl­ten Fahr­zei­ten lie­gen. Wobei ich fest­stel­len musste, dass es sich im Zug wesent­lich ange­neh­mer liest als im holp­ri­gen Bus.

Auf alle Fälle kann ein Buch in der Hand in manch einer Situa­tion auch für inter­es­sante Gesprä­che mit mit-Rei­sen­den/-Fah­ren­den sorgen.

Reply
Ascari 9. Juni 2015 - 12:04

Hey 🙂

Also, zumin­dest zu den Perry Rho­dan-Lesern kann ich etwas sagen, denn da kenne ich einige – und die meis­ten sind mitt­ler­weile auf einen E‑Book Rea­der umge­stie­gen. Man könnte jetzt spe­ku­lie­ren, weil sie männ­lich und damit tech­nik-affi­ner sind? Ich weiß es nicht. Da die meis­ten von ihnen aber immer noch eher Leser als Hefte-Samm­ler sind, hängt es wohl auch mit dem gerin­ge­ren Preis zusam­men – die E‑Book Vari­ante kos­tet halt doch etwas weniger. 

Ich tue übri­gens bei­des: Ich lese sowohl Print­buch als auch E‑Book im Bus, manch­mal auch Hör­buch. Je nach­dem wor­auf ich gerade Lust habe :). Und im Grunde ist es mir auch egal, wel­ches Genre es ist. Heut­zu­tage muss man sich mei­ner Mei­nung nach nicht mehr ver­ste­cken, wenn man ero­ti­sche Romane liest. Als der Hype um SoG begon­nen hat, habe ich damals jede Menge Frauen mit dem gedruck­ten (!) Buch gese­hen, ich denke, es ist jetzt „salon­fä­hig“ geworden :).

Liebe Grüße
Ascari

Reply
Stadtbibliothek Eu 9. Juni 2015 - 12:27

Hat dies auf Stadt­bi­blio­thek Eus­kir­chen reb­loggt und kommentierte:
Schö­ner Bei­trag zum Thema lesen unterwegs!
Und wozu zählt ihr euch? – tech­ni­sierte Zug­le­ser oder esels­oh­rige Zugleser? 😉

Reply

Leave a Comment

Diese Seite verwendet Cookies. Mit der Nutzung unserer Website erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. OK Erfahre mehr