Licht- und Schattenseiten an der Frontlinie des Ersten Weltkriegs

by Wortklauberin Erika

Wort­klau­be­rin Erika und ihre Mut­ter, Stadt­be­su­che­rin Edith, haben ihre Wan­der­stö­cke ein­ge­packt und sich in Maria Buch­in­gers „Ein Tal in Licht und Schat­ten“ vor­ge­wagt. Dabei unter­neh­men sie eine Zeit­reise in die Dolo­mi­ten zur Zeit des Ers­ten Welt­krie­ges. Auf­fal­lend ist vor allem die Liebe der Autorin zum Detail – und zu den „blei­chen Bergen“.

Elisa Kast­lin­ger lebt Anfang des 20. Jahr­hun­derts gemein­sam mit ihrer Fami­lie auf einem Bau­ern­hof im Gader­tal. Sie und ihre vier Brü­der ver­brin­gen ihre Tage mit der Arbeit auf dem Hof: Elisa melkt Kühe, bringt den Män­nern bei der Heu­ernte Ver­pfle­gung und packt not­falls auch selbst an.

Die Aus­gangs­lage im Gader­tal des anbre­chen­den 20. Jahr­hun­derts ist ruhig: Noch sind die Dolo­mi­ten nicht UNESCO-Welt­na­tur­erbe, noch gibt es keine Ski­ge­biete oder einen flo­rie­ren­den Tou­ris­mus im Gader­tal wie heute. Eli­sas Leben kon­zen­triert sich auf einen namen­lo­sen Ort und die Fami­lien, die dort leben; die Reise in die nächste Stadt dau­ert rund einen Tag und ist ein beson­de­res Ereig­nis, das die Fami­lie nur sel­ten auf sich nimmt.

Zei­ten des Umbruchs

Fami­lie Kast­lin­ger ahnt nicht, wel­che Ver­än­de­run­gen noch auf sie zukom­men, als der ent­frem­dete Sohn des ver­stor­be­nen Nach­barn aus der Tos­kana ins Gader­tal zurück­kehrt – mit­samt einer Fami­lie, die sich kaum an das ein­fa­che Leben im Tal gewöh­nen kann.

Elisa freun­det sich mit Vito an, dem jüngs­ten Sohn der Nach­bars­fa­mi­lie, der Inge­nieur wer­den möchte und von den Wein­ber­gen sei­nes tos­ka­ni­schen Groß­va­ters schwärmt. Dem Leben auf dem Bau­ern­hof hin­ge­gen kön­nen er und seine Schwes­ter anfangs nur wenig abge­win­nen, doch das ändert sich durch den Kon­takt zu Elisa und ihren Brü­dern. Vito wan­dert mit ihnen gemein­sam hin­auf in die „blei­chen Berge“, übt mit Elisa Ladi­nisch und Deutsch und bringt ihr im Gegen­zug Ita­lie­nisch bei. Die bei­den ver­lie­ben sich, doch 1914 beginnt ein Umbruch, mit dem nie­mand gerech­net hat: Öster­reich-Ungarn erklärt Ser­bien den Krieg.

Durch den Krieg – Zuhause und an der Front

Die Män­ner der Fami­lien müs­sen in den Krieg zie­hen, sowohl Eli­sas Brü­der als auch Vito. Abwech­selnd erzäh­len die ver­schie­de­nen Fami­li­en­mit­glie­der ihre Schick­sale: Wäh­rend die daheim­ge­blie­be­nen Frauen sich gegen Sol­da­ten zur Wehr set­zen und die harte Hof­ar­beit fort­set­zen müs­sen, ste­hen die Män­ner an der Front und erle­ben Stand­ge­fechte, Hin­ter­halte und einen bit­te­ren Win­ter zwi­schen Fel­sen. Doch selbst in Zei­ten, in denen ein Schat­ten über der Mensch­heit zu lie­gen scheint, gibt es lichte Momente der Mensch­lich­keit, die sich aus dem Zusam­men­halt der Fami­lien ergibt. „Ein Tal in Licht und Schat­ten“ zeigt ein­drucks­voll, dass nie­mand vor dem Krieg ver­schont blieb, weder an der Front noch zu Hause, ohne die große Viel­falt des­sen, was den ein­zel­nen Figu­ren zustößt, zu schmälern.

Liebe zum his­to­ri­schen Detail

„Ein Tal in Licht und Schat­ten“ hat uns beide gefes­selt: Inhalt, Spra­che, Span­nungs­auf­bau und Hand­lung sind sehr anspre­chend und haben uns von der ers­ten Seite an in Beschlag genom­men. Der Roman lebt nicht nur von der Lie­bes­ge­schichte zwi­schen Vito und Elisa, son­dern viel­mehr vom his­to­ri­schen Detail und dem Leben der ande­ren Figu­ren, mit denen man ebenso mit­fühlt wie mit den Protagonisten.

Buch­in­ger bringt die damals noch selbst­ver­ständ­li­che Nach­bar­schafts­hilfe ebenso zur Spra­che wie das ein­fa­che Leben der Tal­be­woh­ner, die Selbst­ver­sor­ger mit allen Vor- und Nach­tei­len waren. Sie gibt dem All­tag der Figu­ren im rund 700 Sei­ten star­ken Roman die Zeit und den Raum, sich zu ent­fal­ten. Stö­rend wir­ken lei­der zahl­rei­che sprach­li­che und gram­ma­ti­ka­li­sche Unstim­mig­kei­ten. Es feh­len in eini­gen Sät­zen Wör­ter, zum Bei­spiel „Papa tut so, wäre es seine freie Ent­schei­dung“ („als“ fehlt – S. 99).

Unser Fazit: eine Empfehlung

Maria Buch­in­ger, die im rea­len Leben Diana Men­schigg heißt, legt hier einen aus­führ­lich recher­chier­ten, span­nen­den und mit­rei­ßen­den his­to­ri­schen Roman vor, den wir allen ans Herz legen, die sich für den Ers­ten Welt­krieg und das Leben in den Dolo­mi­ten inter­es­sie­ren. Wir haben klar die Liebe zu den Dolo­mi­ten erken­nen kön­nen, die die Autorin dazu bewo­gen hat, die­ses Pro­jekt umzusetzen.

Diana Men­schigg hat aus­führ­lich recher­chiert und sich bemüht, den Roman auch für Nicht-Süd­ti­ro­le­rin­nen und Nicht-Süd­ti­ro­ler anspre­chend zu gestal­ten. Das ist ihr ein­deu­tig gelun­gen. Wir stam­men beide aus der Gegend rund um die Dolo­mi­ten und haben die lokale Men­ta­li­tät wie­der­erkannt. Dies ist, ver­mu­ten wir, der aus­führ­li­chen Recher­che und Hin­gabe geschul­det, die Men­schigg die­sem Roman­pro­jekt zugrunde gelegt hat.

Des­halb spre­chen wir eine klare Lese­emp­feh­lung aus: Der Roman ist anspre­chend gestal­tet, sodass wir ihn kaum aus der Hand legen konn­ten und uns stel­len­weise darum strei­ten muss­ten, wer ihn zuerst wei­ter­le­sen darf. Im Anschluss daran haben wir lange Dis­kus­sio­nen über das Leben im Gader­tal des anbre­chen­den 20. Jahr­hun­derts geführt.

Ein Tal in Licht und Schat­ten. Maria Buch­in­ger. Knaur Ver­lag. 2016.

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