Lichtstreifen und Lebenslügen Deutscher Buchpreis 2017

by Worteweberin Annika

Um vier Jugend­freunde, ver­schenkte Liebe und Freund­schaft geht es in Mirko Bon­nés neuem Roman „Lich­ter als der Tag“, der auf der Lon­g­list des Deut­schen Buch­prei­ses 2017 steht. Worte­we­be­rin Annika ist mit dem Prot­ago­nis­ten Rai­mund auf die Suche nach dem rich­ti­gen Licht gegangen.

Rai­mund Merz lebt mit Ehe­frau Flo­riane, genannt Flori, und zwei gemein­sa­men Töch­tern in Ham­burg, arbei­tet (dank eines gefälsch­ten Lebens­laufs) bei einer Zei­tung. Sein Inter­esse gilt den Haut­flüg­lern, Wes­pen, Bie­nen und ande­ren, die er in sei­ner Frei­zeit stu­diert. Ein boden­stän­di­ges, durch­schnitt­li­ches Leben, könnte man den­ken. Als er eines Tages seine Toch­ter Lindy zum Bahn­hof bringt, sieht er aus eini­ger Ent­fer­nung eine Frau, Inger, und sofort krem­pelt sich sein Leben um. Doch wieso? Erst lang­sam brei­tet sich die Ver­gan­gen­heit vor den Lesern aus, die der Grund für Rai­munds Erschre­cken ist.

Ham­burg, Hauptbahnhof

Es begann in der Kind­heit, die Rai­mund zusam­men mit Flori, Inger und Moritz in der Feld­mark bei Ham­burg ver­brachte. Gemein­sam durch­streif­ten die Kin­der die Wie­sen, bade­ten im See und im Som­mer­licht. Schließ­lich wur­den die Kin­der grö­ßer, und mit ihnen die Gefühle. Rai­mund ver­liebte sich in Inger, Flori in Moritz. Doch schließ­lich wur­den Inger und Moritz ein Paar und die bei­den Ent­täusch­ten rauf­ten sich ihrer­seits zusam­men. Die Freund­schaft der vier stellte das auf eine Probe, doch lange hiel­ten die Bande.

„Sie ver­herr­lich­ten tags­über das Licht und in der Nacht die Dun­kel­heit. Es gab die Ferne und die Nähe, und es gab Orte und Augen­bli­cke, da waren Nähe und Ferne das­selbe.“ (S. 114)

Nach der Schule trenn­ten sich die Wege der bei­den Paare, kreuz­ten sich aber spä­ter wie­der in Ber­lin. Die lange auf­ge­stau­ten Gefühle zwi­schen Inger und Rai­mund bra­chen sich Bahn. Dann riss der Kon­takt ab. Die ver­lo­rene Jugend­liebe aber kann Rai­mund nie ver­ges­sen. Die Lügen, mit denen er sich von nun an umgibt, stür­zen im Licht der Bahn­hofs­halle zusam­men. Hilf­los ver­sucht er, den Kum­mer in Wein zu erträn­ken, bis er begreift, dass auch das keine Lösung sein kann. Für Merz bleibt nur die Flucht nach vorn. In Lyon sucht er ein neues Leben und das Licht des Gemäl­des von Camille Corot, das ihn schon als Junge so berührte und das viel­leicht ein Ersatz für Ingers Liebe sein könnte.

Hoff­nung auf ein neues Leben

Bon­nés Roman ist ver­zwei­felt hoff­nungs­voll: Er zeigt den Lesern, wie Merz einen Weg aus der Krise fin­det, in die er sich vor­her hin­ein manö­vriert hat. Einen unor­tho­do­xen zwar, viel­leicht nicht ganz lega­len, aber den­noch. Das Schick­sal von Rai­mund Merz berührt. Im Roman ver­we­ben sich die Ver­gan­gen­heit und die Gegen­wart. Zudem ver­steht sich der Autor dar­auf, Andeu­tun­gen zu machen, sodass sich erst lang­sam ein voll­stän­di­ges Bild ergibt.

Eine beson­dere Bedeu­tung kommt im Roman dem Licht zu, das den Prot­ago­nis­ten Rai­mund Merz in sei­nen Bann gezo­gen hat, weil es ihn an die Jugend­tage in einem wil­den Gar­ten erin­nert und das so fast nur im Ham­bur­ger Haupt­bahn­hof zu fin­den ist – dem Ort, an dem sich Merz‘ Leben zu ändern beginnt. Span­nend auch, wie mit Merz‘ Vor­liebe für das Bild von Corot die bil­dende Kunst in den Text ein­ge­bun­den ist. Beson­ders ein­drück­lich ist eine Szene, in der Merz das Gefühl hat, in eine moder­ni­sierte Vari­ante des Gemäl­des hineinzulaufen.

„Lich­ter als der Tag“ ist ein berüh­ren­der, hell leuch­ten­der Stern von einem Roman. Bereits zwei Mal war Bonné für den Deut­schen Buch­preis nomi­niert. Viel­leicht klappt es ja mit „Lich­ter als der Tag“?

Lich­ter als der Tag. Mirko Bonné. Schöff­ling & Co. 2017.

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