Liebe aus der Handtasche

by Worteweberin Annika

In Antoine Lau­rains „Liebe mit zwei Unbe­kann­ten“ ver­liebt sich ein Mann in den Inhalt einer frem­den Damen­hand­ta­sche. Warum das weni­ger tri­vial und kit­schig ist, als es sich anhört, hat Worte­we­be­rin Annika herausgefunden.

Sie hat Angst vor roten Amei­sen. Sie mag den Namen des Cock­tails Ame­ri­cano, aber ein Mojito schmeckt ihr bes­ser. Sie muss daran den­ken, noch Kat­zen­fut­ter zu kau­fen, Vir­bac mit Ente. Er ist Buch­händ­ler, hat kei­ner­lei Gemein­sam­kei­ten mehr mit sei­nem bes­ten Freund und lässt sich von sei­ner schrof­fen Toch­ter als ihren Lieb­ha­ber vor­stel­len. Wie die bei­den zusam­men­tref­fen? Eines Mor­gens fin­det er eine Hand­ta­sche auf einer Müll­tonne, Porte­mon­naie, Handy und andere Wert­ge­gen­stände sind ausgeräumt.

Liebe mit zwei Unbekannten

Zurück bleibt ein Hau­fen per­sön­li­cher Gegen­stände, dar­un­ter ein Notiz­buch vol­ler Gedan­ken. Das alles macht Lau­rent neu­gie­rig. Doch wie soll er die Frau fin­den, von der er nur den Vor­na­men kennt? Laure. Die liegt nach dem Über­fall, bei dem ihre Hand­ta­sche geklaut wurde, im Koma und träumt von ihrer Kind­heit. Ob Lau­rent sie aus­fin­dig machen kann, um ihr die Tasche zurück zu geben? Und ob die bei­den wohl gut zusammenpassen?

Antoine Lau­rains Lie­bes­ge­schichte behält stets Boden­haf­tung, ist sehr sanft, ohne je ins Kit­schige abzu­glei­ten. Haupt­säch­lich geht es um Laurents Spu­ren­su­che in Paris, die ihn bei­spiels­weise zum Schrift­stel­ler Patrick Modiano, in zig Rei­ni­gun­gen und zu einem Hie­ro­gly­phen­kun­di­gen führt. Und dann geht es noch um das Leben die­ser bei­den Men­schen, die irgend­wann fest­stel­len: Ich glaube, ich mag ihn (oder eben sie). Nicht unbe­dingt aber geht es um die große Liebe, wer weiß schon, was dar­aus wer­den wird. Das ist schön „un-kit­schig“ und mal etwas Ande­res, als in vie­len ande­ren Liebesromanen.

Auch einige erns­tere Gedan­ken wer­den ange­sto­ßen, über ver­passte Mög­lich­kei­ten und dar­über, wann es zu spät ist, noch einen ande­ren Weg ein­zu­schla­gen. Gleich­wohl bleibt „Liebe mit zwei Unbe­kann­ten“ ein locke­rer Unter­hal­tungs­ro­man, der so span­nend ist, dass man ihn gut in einem Rutsch ver­schlin­gen kann. Aus Laurents Erfah­rungs­schatz als Buch­händ­ler kann man oben­drein noch das ein oder andere über die fran­zö­si­sche Lite­ra­tur lernen.

Ebenso wie die Hand­lung kommt auch die Spra­che des Romans nie in Ver­le­gen­heit, kit­schig zu erschei­nen. Ins­be­son­dere Lau­res Noti­zen, hie und da ein­ge­streut, wir­ken sehr echt und lockern den Roman auf. Doch auch sonst ist Lau­rains Stil eher unprä­ten­tiös, kommt ohne sei­ten­lange Beschrei­bun­gen des Abend­him­mels über Paris aus und ver­legt sich dafür auf sehr tref­fende Ver­glei­che und stim­mige Dialoge.

„Liebe mit zwei Unbe­kann­ten“ ist ein sehr emp­feh­lens­wer­ter Lie­bes­ro­man für sol­che, die nicht stets nur die ganz, ganz gro­ßen Gefühle und immer glei­chen Sche­mata suchen, son­dern Lust auf eine Geschichte haben, die ohne viele Kli­schees auskommt.

Liebe mit zwei Unbe­kann­ten. Antoine Lau­rain. Aus dem Fran­zö­si­schen von Clau­dia Kal­scheuer. Atlan­tik. 2015.

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3 comments

Dirigent der Wörter: Antoine Laurain auf Lesereise 23. Juni 2016 - 14:07

[…] Liebe aus der Handtasche […]

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Ein Spaziergang durchs Frankreich der 80er Jahre 9. Juli 2016 - 13:25

[…] Liebe aus der Handtasche […]

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Über sich selbst im Bilde – Bücherstadt Kurier 12. Mai 2017 - 14:58

[…] „Lie­be mit zwei Un­be­kann­ten“ wur­de An­toi­ne Lau­rain in­ter­na­tio­nal be­kannt. In­zwi­schen ist auch sein […]

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