Lisa Eckhart

by Bücherstadt Kurier

„Alles, was mit Wor­ten zusam­men­hängt, emp­finde ich als die schwerste Kunst­form, da es kei­nen her­me­ti­schen Bereich gibt wie z.B. bei der Musik.“

Der Zufall brachte Lisa Eck­hart zum Poe­try Slam. Mitt­ler­weile ist die 22-Jäh­rige nicht mehr aus der Szene weg­zu­den­ken. In Öster­reich gebo­ren, lebt und arbei­tet sie jetzt in Ber­lin. Bücher­städ­te­rin Janine Dauer hat mit ihr über ihre Texte und ihre neuen Pro­jekte gesprochen.

BK: Wie lange lebst du schon in Berlin?

LE: Seit unge­fähr einem Jahr. Ich habe in Frank­reich stu­diert und bin für das letzte Semes­ter nach Deutsch­land gekom­men und da hän­gen geblie­ben. So bin ich auch zum Poe­try Slam gekommen.

BK: Das wäre jetzt die nächste Frage gewesen…

LE: Ich hatte gerade fer­tig stu­diert und war bei mei­nem Cou­sin zu Besuch. Der fragte mich neben­bei, ob ich das kenne. Da habe ich mir gedacht, ich schreibe mal einen Text und pro­biere es aus. Es hat sich her­aus­kris­tal­li­siert, dass das genau das Rich­tige für mich ist. Ich kann über­haupt nicht ein­schät­zen, wie sehr die Masse Poe­try Slam kennt. Mir war es über­haupt nicht bekannt. Es hat unge­fähr zwei Monate gedau­ert bis es Früchte getra­gen hat. Ich fand es schön, vor allem nach­dem ich gerade den Schau­spiel­schu­len-Wahn­sinn hin­ter mir hatte. Das hatte ich nach dem Stu­dium pro­biert und natür­lich hat mich keine von denen ange­nom­men. Das war auch abso­lut ver­ständ­lich, das kann ich jetzt ein­se­hen. Dar­über bin ich im Nach­hin­ein sehr dank­bar. Beim Poe­try Slam kann ich mein eige­nes Thea­ter brin­gen und das auch noch mit eige­nen Tex­ten und muss nicht irgend­wie den Schil­ler inter­pre­tie­ren. Das ist für mich ideal.

BK: Wie fin­dest du die The­men für deine Texte?

LE: Ich glaube, wir haben alle ein beschränk­tes The­men­ar­se­nal, es ist eigent­lich nur die Frage der Her­an­ge­hens­weise. Ich habe nicht den Musen­kuss; ich setze mich hin und starre so lange auf den Bild­schirm bis etwas dabei raus­kommt. Wenn man das beharr­lich genug macht, funk­tio­niert es meistens.

BK: Das heißt, du setzt dich gezielt hin zum Schreiben?

LE: Ja, aller­dings muss die Idee dann irgend­wie auch schon da sein. Ich ver­werfe sel­ten etwas. Ich kannte auch nie die­ses ‚Ich schreibe für mich‘. Das gibt mir nichts. Wenn ich schreibe, dann wird der Text vor­ge­tra­gen, dann muss der pas­sen. Der muss auch inner­halb eines Tages fer­tig wer­den, weil ich mich nicht zwei Mal dafür hin­setze. Da fehlt es mir an Geduld. Es ist immer die große Liebe bei einem Text, aber die ist halt auch sehr kurz. (lacht)

BK: Die große kurze Liebe…

LE: Sie ver­fliegt dann auch schnell wie­der. So sehr ich den Text nach­her noch liebe, aber für das Schrei­ben kann ich mich immer nur kurz begeistern.

BK: Erwacht die Liebe wie­der, wenn du auf der Bühne stehst und den Text vorträgst?

LE: Die Liebe ist dann abso­lut da und wird auch stär­ker. Ich merke: ab dem fünf­ten, sechs­ten Mal wird er wirk­lich gut. Wenn keine Angst mehr da ist. Ich lerne meine Texte ja aus­wen­dig für die Bühne. Bei den ers­ten Malen ist noch die Furcht da, etwas zu ver­ges­sen, und dann kann man sich nicht aufs Spie­len kon­zen­trie­ren. Wenn es halb­wegs mecha­nisch abläuft, kann man sich auf andere Dinge ein­las­sen, dann wird es schön und angenehm.

BK: Wie oft trägst du ein und den­sel­ben Text vor?

LE: Ich benutze einen Text mehr­mals. Ich mache das seit Juli. Frü­her war der Idea­lis­mus grö­ßer, da war der Anspruch da, für jeden Slam einen neuen Text zu schrei­ben. Das ist absurd. Oft hat man auch Gold­stü­cke und das wäre völ­lig irr­sin­nig, die nicht irgend­wann noch­mal zu ver­wen­den. Aber ich muss auch bei eini­gen Tex­ten Pau­sen ein­le­gen. Die, die ich am meis­ten gemacht habe, machen mich auch schon krank. Die Texte, die man am meis­ten macht, funk­tio­nie­ren halt auch am bes­ten. Man ist immer zwi­schen Gier nach Aner­ken­nung, nach Gefal­len, aber irgend­wann wird es suspekt und man sagt sich: so gut kann der Text nicht sein, dass er allen gefällt. Das will man dann auch nicht, da ist man doch sehr gespalten.

BK: Suchst du dann eine neue Her­aus­for­de­rung in einem neuen Text?

LE: Das schon. Ich mache auch gerne ver­schie­dene Dinge, z.B. wahn­sin­nig gerne lus­tige Texte. Aber dann auch gerne Texte, bei denen ich über­haupt nicht den Anspruch an mich stelle – und das ist dann wie­der sehr befrie­di­gend – so einen Text zu machen. Ernste Texte kom­men nicht so gut an, zumin­dest nicht so gut wie im Ver­gleich zu den lus­ti­gen. Ich denke aber, dass das all­ge­mein so ist. Vor allem beim Poe­try Slam muss ein Text schnell wir­ken und Humor wirkt schnel­ler. Die Abwechs­lung ist schon schön bei­zei­ten. Obwohl die Leute gerne das glei­che hören. Am bes­ten genau das Glei­che, nur etwas abge­wan­delt. Aber das ist das Schöne beim Poe­try Slam. Es gibt meis­tens zwei Run­den und dadurch, dass das viele machen, wird das Publi­kum gut gefüt­tert. Und im Finale mach ich dann das, was ich will.

BK: Wie wich­tig ist dir die Insze­nie­rung? Die Selbst­in­sze­nie­rung als auch die Insze­nie­rung des Textes?

LE: Insze­nie­rung ist extrem wich­tig für mich. Poe­try Slam ist eine Büh­nen­kunst, es gehört zur Lite­ra­tur. Ich finde es so schade, wenn der Bühne kein Wert zukommt. In eini­gen Fäl­len gibt es Texte, die sind gran­dios, aber ich denke mir, er gewinnt lei­der nicht durch die Prä­senz des Autors auf der Bühne. Das finde ich sehr schade. Den­noch kom­men die Texte gut an, sie sind ja auch qua­li­ta­tiv hoch­wer­tig. Es macht für mich auch einen Unter­schied, ob ich einen Text schreibe, der gedruckt erschei­nen soll oder der auf der Bühne vor­ge­tra­gen wer­den soll. Ich würde meine Poe­try Slam Texte nicht als Buch bin­den las­sen, weil sie dann ster­ben. Das inter­es­siert kei­nen Men­schen. Aber da spre­che ich nur für mich selbst. Lyrik zu lesen ist nichts für mich. Viel­leicht für ein Gedicht und dann muss ich es laut vor­le­sen und irgend­wie selbst insze­nie­ren. Das Schrei­ben ist schon sehr schön, aber wirk­lich leben tu ich auf der Bühne. Man spie­gelt sich im Publi­kum und abseits der Bühne ist man wie­der unter sich, ob der eige­nen Exis­tenz. Eine Pause ist auch mal ganz schön, aber nach einer Woche werde ich unruhig.

BK: Wie lange brauchst du für einen Text?

LE: So etwa 10 Stun­den. Am bes­ten am Stück geschrie­ben. Zwei Tage hin­ter­ein­an­der, das geht noch, aber am drit­ten Tag ver­lässt mich der Wille an dem Text zu arbei­ten. Wenn er nicht raus will, dann ist der schlecht und das Ganze hat kei­nen Sinn und dann fühl ich es nicht mehr.

BK: Was bedeu­tet Lite­ra­tur für dich?

LE: Das ist sehr, sehr schwie­rig zu beant­wor­ten. Alles, was mit Wor­ten zusam­men­hängt, emp­finde ich als die schwerste Kunst­form, da es kei­nen her­me­ti­schen Bereich gibt wie z.B. bei der Musik. Die Bau­sub­stanz, mit der wir arbei­ten, ist ein All­ge­mein­gut. Es ist schwie­rig zu beschrei­ben. Es ist wie abge­stan­de­nes Bade­was­ser, aus dem wir noch was fil­tern sol­len. Das ist nicht ein­fach, denn wenn du mit Wor­ten umgehst, dann hat jeder die Ten­denz zu sagen „Das kann ich auch“. In einem gewis­sen Grad stimmt das auch. In die eine wie in die andere Rich­tung: Einige bezeich­nen es als kunst­voll, wo ich keine Kunst sehe. Andere benut­zen Worte unbe­wusst wie Kunst und sehen es selbst nicht. Wo da genau die Tren­nung ist, kann ich nicht sagen. Viel­leicht ist es auch die Eigendefinition.

BK: Gibt es Vor­bil­der oder Künst­ler, die dich beeinflussen?

LE: Ja, obwohl ich ungern lese. Ich habe nie gerne gele­sen. Es gibt ja Men­schen, die Bücher ver­schlin­gen, aber ich schaffe es nicht in die­sen Modus. Aber ich habe sehr viel gele­sen, weil ich lange dachte, so lange ich nicht alles gele­sen habe, darf ich nicht schrei­ben. Aber letzt­lich beein­flusst, würde ich sagen, haben mich zwei: Jeli­nek und Faust. Also, das sind die zwei gro­ßen, von denen ich zehre. Die Rus­sen bewun­dere ich sehr, z.B. Gogol. Also vor allem, wenn es ins Absurde geht.

BK: Arbei­test du der­zeit an einem eige­nen Buchprojekt?

LE: Eigent­lich sogar an zwei Büchern. Aber das eine befin­det sich erst mal in der Schub­lade. Das Buch muss noch schla­fen, weil das kein Ver­lag ohne eigene Fan-Base abneh­men würde. Aller­dings habe ich auf der Leip­zi­ger Buch­messe an einem Poe­try Slam teil­ge­nom­men, bei dem ich eine Buch­ver­öf­fent­li­chung bei einem klei­nen Ver­lag gewon­nen habe. Und da arbeite ich gerade an mei­nem zwei­ten Pro­jekt, einer Satire des Kri­mi­nal­ro­mans. Ich selbst beachte das Genre nicht sehr, es ist für mich eher lus­tig dar­über zu schrei­ben. Ich ver­su­che aus­zu­ma­chen, was das Fas­zi­nie­rende an die­sem Genre ist. Es ist nicht nach­voll­zieh­bar, aber ich ver­su­che es. Im Sep­tem­ber soll es vor­aus­sicht­lich fer­tig sein und nächs­tes Jahr auf der Leip­zi­ger Buch­messe vor­ge­stellt wer­den. Ich finde es auch mal ent­span­nend, nicht für die Bühne zu schrei­ben. Es ist ganz anders. Man kann sich ein biss­chen mehr Zeit las­sen und muss nicht stän­dig eine Pointe bringen.

BK: Du wur­dest ange­kün­digt als „expe­ri­men­telle Züch­tung der öster­rei­chi­schen Alpen“. Siehst du das auch so?

LE: Ich habe es sogar selbst geschrie­ben! Wir schrei­ben unsere PR-Texte selbst. Das ist höchst fahr­läs­sig. (lacht) Mir begeg­nen wenige öster­rei­chi­sche Slam­mer. Ich bin keine Patrio­tin, aber ich hänge sehr am Dia­lekt. Texte, die ich in Öster­reich bringe, mach ich immer mit rei­nem Dia­lekt. Da bekomme ich auch lang­sam Pro­bleme, weil ich sie in Deutsch­land nicht brin­gen kann. Aber das genieße ich dann schon immer sehr. Und die „expe­ri­men­telle Züch­tung“, ja, das klingt ein­fach nur exzen­trisch, das hat kei­nen tie­fe­ren Grund.

BK: Willst du mit dei­nen Tex­ten andere beeinflussen?

LE: Ich glaube nicht, etwas zu ver­än­dern, aber man muss sich ja irgend­wie beschäf­ti­gen. Ich glaube, man beein­flusst nie­man­den, der nicht eh schon in diese Rich­tung ten­dierte. Irgendwo ist schon die Hoff­nung auf Bes­se­rung, aber Ver­än­de­rung? Irgend­wie ist es auch viel nar­ziss­ti­sche Befrie­di­gung. Wenn ich auf der Bühne bin, dann habe ich erst den Ein­druck zu sein. Es wäre völ­lig abstrus zu behaup­ten, dass es eine unei­gen­nüt­zige Geschichte wäre. Zwar ist es wich­tig, dass es einen gesell­schafts­kri­ti­schen Inhalt gibt. Es ist aber auch schön, mal los­ge­löst davon etwas zu schrei­ben, etwas Abstru­ses zu schrei­ben. Aber ein biss­chen Inhalt sollte schon sein. Letzt­lich kann nie­mand, der gesell­schafts­kri­tisch schreibt, auf Ver­bes­se­rung hof­fen, weil er sonst arbeits­los wird; also das macht kei­ner. (lacht) Dann würde ich mich eher über das Gegen­teil beschwe­ren. Wenn man sein Dasein auf Kri­tik auf­baut, muss man immer einen Kri­sen­herd haben, sonst würde man eh zu Staub zerfallen.

BK: Abschlie­ßend noch eine Frage, die wir allen stel­len. Wenn du ein Buch wärst, wel­ches wärst du?

LE: (über­legt etwas) Das ist sehr schwie­rig. Es dürfte keine zu große Selbst­re­flek­ti­vi­tät besit­zen, dürfte irgendwo einer gewis­sen Absur­di­tät nicht ent­beh­ren. Eins, das sich bei­zei­ten wich­ti­ger nimmt als es ist. Even­tu­ell sogar der Kafka. Es fas­zi­niert mich, dass ihm eine Ernst­haf­tig­keit ange­dich­tet wird, die über­haupt nicht bestand. Kafka als Ant­wort auf diese Frage klingt sehr anma­ßend. Aber ich denke immer an die Tat­sa­che, dass Kafka, wenn er seine Texte vor­ge­le­sen hat, selbst wahn­sin­nig gelacht hat und nicht glau­ben konnte, dass die Leute das nicht lus­tig fin­den. Unter der Prä­misse, dass er das alles nicht so ernst genom­men hat, ten­diere ich zu Kafka.

Die­ses Inter­view erschien erst­mals in der Uni-Spe­cial-Aus­gabe des Bücher­stadt Kuriers.
Foto: Frank Nordmann

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Vorgetragene Lyrik: Sangspruchdichtung, Popmusik und Poetry Slam 28. März 2018 - 20:38

[…] Bei­spiel für das Auf­bre­chen von Ta­bu­the­men ist Lisa Eck­hart, die mit The­men und Spra­che jon­gliert wie ihr be­liebt. Hier las­sen sich die von […]

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