Literatur oder Joghurt? LiteraTour Nord

by Worteweberin Annika

Im Rah­men der Lite­ra­Tour Nord war Buch­preis­trä­ge­rin Inger-Maria Mahlke am 21. Okto­ber zu einer Lesung zu Gast in Bre­men. Was sie über Lite­ra­tur, Joghurt und Net­flix, das Rück­wärts­er­zäh­len und Puz­zel­spie­len zu erzäh­len hat, hat sich Worte­we­be­rin Annika angehört.

Schon lange bevor fest­stand, dass Inger-Maria Mahlke mit ihrem Roman „Archi­pel“ den Deut­schen Buch­preis 2018 gewin­nen würde, stand sie als Teil­neh­me­rin der dies­jäh­ri­gen Lite­ra­Tour Nord fest. Ein geschick­tes Händ­chen der Orga­ni­sa­to­ren, das sich direkt auf den Besu­cher­zu­spruch der Ver­an­stal­tung am Sonn­tag aus­wirkte – eine Preis­trä­ge­rin macht neu­gie­rig! Kein Wun­der, dass die Lesung mit Inger-Maria Mahlke anders als der Groß­teil der Lite­ra­Tour-Nord-Ver­an­stal­tun­gen im gro­ßen Raum des Café Ambi­ente stattfand.

Exis­ten­zi­elle Erfah­run­gen und Netflix

Nach­dem Mode­ra­tor Axel Dun­ker sei­nen Gast vor­ge­stellt hatte, kam die Spra­che auf Mahl­kes Buch­preis, oder genauer gesagt auf ihre Rede bei der Ver­lei­hung. Dort hatte sie auf den Unter­schied zwi­schen Lite­ra­tur und Joghurt hin­ge­wie­sen. Was man sich dar­un­ter vor­stel­len soll? Auch wenn die Wer­bung voll ist von Joghurts und ande­ren Pro­duk­ten, die exis­ten­zi­elle Erfah­run­gen ver­sprä­chen, könne sol­che doch nur Lite­ra­tur (und natür­lich das Leben selbst) bereit­hal­ten. Das sei ganz anders als nie­der­schwel­lige Unter­hal­tung auf Net­flix, betonte Mahlke. Bücher könn­ten Men­schen prä­gen und ver­än­dern, Geschich­ten die Welt eines Lesen­den auf den Kopf stel­len. Ein Grund, die Lite­ra­tur­bran­che durch eine Krise zu ret­ten. Starke Worte, die im Publi­kum auf viel Zuspruch stie­ßen, aber nicht über­all. Wel­che exis­ten­zi­elle Erfah­rung denn ihr eige­ner Roman anzu­bie­ten habe? Ver­gäng­lich­keit, ant­wor­tete die Autorin.

Rück­wärts ist das neue Vorwärts

Inwie­fern Ver­gäng­lich­keit ein zen­tra­les Thema des Romans ist, davon konnte das Publi­kum bei der Lesung einen ers­ten Ein­druck gewin­nen. Fünf Abschnitte las Mahlke aus ihrem Roman vor, in dem die Geschichte dreier Fami­lien auf Tene­riffa erzählt wird – rück­wärts. So wolle sie Schein­kau­sa­li­tä­ten aus­he­beln, die wir ganz auto­ma­tisch Iden­ti­tä­ten oder der Geschichte auf­zwin­gen wür­den. Im Laufe sei­nes Lebens sei man zwar viele ver­schie­dene Men­schen, Teile davon wür­den aber gar nicht rea­li­siert. Den Wan­del ihrer Figu­ren könne man durch die rück­wärts erzählte Geschichte viel bes­ser erle­ben – von hin­ten nach vorne lesen ist also keine Lösung! Statt­des­sen werde das Lesen zu einer Art Archäo­lo­gie, wenn man sich an die von Mahlke vor­ge­ge­bene Rei­hen­folge halte.

Die Zuschau­er­frage, ob sie denn aber nicht ein­fach von hin­ten nach vorne geschrie­ben habe, ver­neinte Mahlke. Da sie auch sonst ein­zelne Sze­nen schreibe und sich nicht an die Chro­no­lo­gie halte, sei das kein Pro­blem gewe­sen. Die Anlage ihres Romans habe den­noch Ein­fluss auf das Erzäh­len gehabt. So hatte von Anfang an alles in der Geschichte lie­gen müs­sen, ein klas­si­scher Span­nungs­bo­gen hin­ge­gen sei nicht mög­lich gewe­sen. Dass dies dem Lese­er­leb­nis nicht scha­det, konnte man den sehr posi­ti­ven Reak­tio­nen von Axel Dun­ker ent­neh­men, der die Viel­schich­tig­keit des Romans lobte, die man beim zwei­ten Lesen erle­ben könne.

Diri­gen­tin der Worte

Und warum nun erzählt eine deut­sche Autorin die Geschichte der Insel Tene­riffa? „Ich mag Ber­lin, ich mag Lübeck, aber ich liebe diese Insel“, ant­wor­tete Mahlke auf die Frage von Axel Dun­ker. Durch dort lebende Fami­li­en­mit­glie­der habe sie schon als Kind viel Zeit auf der Insel verbracht.

Neben dem Gespräch über­zeugte auch die Lesung der Autorin. Den Rhyth­mus ihres Tex­tes unter­strich Mahlke wäh­rend des Vor­le­sens mit Ges­ten und erschien dabei wie eine Diri­gen­tin ihrer Geschichte. Nach die­sem gelun­ge­nen Auf­takt geht die Lite­ra­Tour Nord vom 11. bis 15. Novem­ber wei­ter mit Tho­mas Klupp und sei­nem Roman „Wie ich fälschte, log und Gutes tat.“

Hier geht es zur Web­site der Lite­ra­Tour Nord und dem voll­stän­di­gen Pro­gramm: www​.lite​ra​tournord​.de / Und wer war in den letz­ten Jah­ren mit dabei? Hier ein Rück­blick auf die Lite­ra­Tour Nord 2016/17.

Illus­tra­tion: Sei­ten­künst­ler Aaron

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