Magisches Jugendbuch, holprig übersetzt

by Buchstaplerin Maike

End­lich auf Deutsch erschie­nen! Buch­stap­le­rin Maike war sehr gespannt dar­auf, ob Rain­bow Rowells „Carry On“ auch über­setzt funk­tio­niert, immer­hin lebt das Buch von der Magie der Worte. Lei­der ver­pufft der sprach­li­che Zau­ber in „Auf­stieg und Fall des außer­or­dent­li­chen Simon Snow“...

Er ist der Aus­er­wählte. Seine All­macht wurde pro­phe­zeit, die magi­sche Welt vom größ­ten aller Feinde zu befreien. Aber da muss sich irgend­wer ver­tan haben ... Simon Snow geht nun schon das achte Jahr auf die bri­ti­sche Zau­ber­schule Wat­ford, und jetzt bahnt sich der Show­down an: Die Bezie­hung zu Simons Freun­din kri­selt. Simons Erz­feind und Mit­schü­ler Baz lässt sich hin­ge­gen nicht bli­cken, um Simon zu schi­ka­nie­ren. Simon hat seine Zau­ber­kräfte ganz und gar nicht unter Kon­trolle – brand­ge­fähr­lich, wenn „Der Hin­ter­häl­tige Schat­ten“, der die Magie aus der Welt stiehlt, immer neue Angriffe ver­übt. Zu viele Rät­sel auf ein­mal! Warum sieht der „Schat­ten“ aus wie Simon? Was hat der Schul­lei­ter mit all dem zu tun? Ist Baz ein Vam­pir? Und wie geht man damit um, wenn man plötz­lich mit sei­nem ewi­gen Erz­feind eine Lie­bes­be­zie­hung führt?

Fan­fic­tion oder ver­wais­tes Jugend­buch? Beides!

Ich habe die eng­li­sche Ori­gi­nal­fas­sung bereits kurz nach der Erschei­nung 2015 gele­sen. Meine Bewer­tung zu inhalt­li­chen und erzäh­le­ri­schen Raf­fi­nes­sen (und Schwä­chen) gilt daher nach wie vor. Rowells „Simon Snow“ ist fik­tive Haupt­fi­gur einer Harry-Pot­ter-ähn­li­chen Buch­reihe aus dem Roman „Fan­girl“. „Auf­stieg und Fall des außer­or­dent­li­chen Simon Snow“ ist wie­derum die Fan­fic­tion, die Cath in „Fan­girl“ schreibt. Der Roman lässt sich so auf zwei­er­lei Wei­sen lesen: Als Kom­men­tar auf Fan­kul­tur und Jugend­buch­kon­ven­tio­nen – und als eigen­stän­dige Geschichte.

Vom Plot klingt es wie der achte Band einer Jugend­buch­reihe, steht aber für sich allein. Das bringt einige Schwie­rig­kei­ten mit sich, die lei­der nicht immer beson­ders gut gelöst wer­den. Sie­ben Jahre Aben­teuer an einer Zau­ber­schule in Neben­sät­zen zu erklä­ren, das wirkt eher stö­rend. Denn anstatt die Lese­rIn­nen selbst die Lücken fül­len zu las­sen, wird man­ches gleich dop­pelt und drei­fach erläu­tert. Und auch die Auf­tei­lung der Kapi­tel hilft nicht, das Buch flüs­sig zu lesen. Von Kapi­tel zu Kapi­tel ist die Geschichte aus der Ich-Per­spek­tive einer ande­ren Figur erzählt, was sie einer­seits näher bringt und mög­lich macht, dass wir mehr wis­sen als die ein­zel­nen Figu­ren. Aber ande­rer­seits ist dadurch eini­ges zu vor­her­seh­bar. Und die unter­schied­li­chen Stim­men ähneln sich zu sehr, sodass man beim Lesen durch­ein­an­der kommt.

Kau­der­welsch statt Sprachmagie?

Das, was mich bereits bei mei­ner ers­ten Lek­türe auf Eng­lisch begeis­tert hat, ist die ori­gi­nelle Inter­pre­ta­tion von Magie und Zau­ber­sprü­chen. Denn in Rowells Welt sind es keine toten Spra­chen, denen Zau­ber­kraft inne­wohnt, im Gegen­teil. Je leben­di­ger eine sprach­li­che Wen­dung, umso stär­ker ist sie als Zau­ber­spruch: Geflü­gelte Worte, Sprich­wör­ter, Kin­der­reime, Lied­zei­len. Doch das sind genau die sprach­li­chen Wen­dun­gen, die schwer bis unmög­lich über­setzt wer­den kön­nen. Lei­der gelingt es der Über­set­ze­rin nicht immer, und viel zu häu­fig sind ein­zelne Stel­len holp­rig und sinn­ent­stellt wie­der­ge­ge­ben, als wäre die Über­set­zung unter Zeit­druck entstanden.

Bei der Über­set­zung der Zau­ber­worte fehlt der rote Faden, wie nah sich am eng­li­schen Ori­gi­nal ori­en­tiert wird. Mal fin­den sich gute Ent­spre­chun­gen im Deut­schen, dann aber wird schein­bar eins zu eins über­setzt, sodass der „magi­sche“ Cha­rak­ter eines geflü­gel­ten Wor­tes nur in Ver­wir­rung umschlägt. Das zeigt sich gerade bei Zau­bern, die aus eng­li­schen Lied­zei­len stam­men. Die Ein­deut­schung bekann­ter Text­zei­len zer­stört den Ein­druck von Leben­dig­keit – wer würde dar­auf kom­men, dass der Zau­ber „Melde dich mal“ (S. 50) eine Anspie­lung auf den Som­mer­hit „Call Me Maybe“ ist, den auch deut­sche Lese­rIn­nen noch im Ohr haben wer­den. An ande­ren Stel­len wird jedoch der eng­li­sche Text bei­be­hal­ten („U Can’t Touch This“, S. 237)) – mehr als verwirrend.

Pixies? Fai­ries? Egal, Haupt­sa­che Fabelwesen.

All das stört den Lese­fluss an sich genug, aber lei­der ist das noch nicht das Ende. Nur einige Bei­spiele: Die Über­set­zung zeigt sich einer­seits krea­tiv beim Über­tra­gen von Fabel­we­sen, die es bei uns nicht gibt („nump­ties“ wer­den zu „Brat­zen“), ande­rer­seits wird plötz­lich kein Unter­schied zwi­schen zwei unter­schied­li­chen Spe­zies gemacht: „fai­ries“ und „pixies“ sind nun bei­des „Feen“. Und dann haben sich einige grobe Über­set­zungs­feh­ler ein­ge­schli­chen. Es ist nicht das­selbe, ein Leben zu haben „that pas­ses the Bech­del test“ oder eines „abseits des Bech­del-Tests“ (S. 312). Genauso wenig wird ein Vam­pir Angst haben, vor ande­ren Men­schen zu essen, da seine „Fang­zähne kna­cken“ (S. 385) – wahr­schein­lich ver­rät ihn eher, dass die „fangs pop“, also „her­aus­kom­men“.
Ich hoffe, dass in einer neuen Auf­lage die gra­vie­ren­den Schwä­chen der Über­set­zung beho­ben wer­den, denn „Simon Snow“ hat durch­aus Poten­zial, den Jugend­buch­markt mit einem Augen­zwin­kern aufzumischen.

Wer kann, sollte Rain­bow Rowells Welt um Simon Snow unbe­dingt auf Eng­lisch erkun­den. Denn inhalt­lich lohnt es sich durch­aus. Gerade wenn es darum geht, ver­meint­lich immer glei­che Fan­tasy-Jugend­bü­cher sowohl zu par­odie­ren als auch mit ganz neuen Ideen auf­zu­war­ten, hat „Auf­stieg und Fall des außer­or­dent­li­chen Simon Snow“ durch­aus eini­ges zu bieten.

Auf­stieg und Fall des außer­or­dent­li­chen Simon Snow. Rain­bow Rowell. Über­set­zung: Bri­gitte Jako­beit. dtv. 2017. BK-Alters­emp­feh­lung: 13 Jahre.

Carry On! Auf unge­wöhn­li­che Weise gewöhnlich

Fan­girls l(i)eben eben anders

Weiterlesen

Leave a Comment

Diese Seite verwendet Cookies. Mit der Nutzung unserer Website erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. OK Erfahre mehr