Manitu trifft Rosamunde Pilcher?

by Worteweberin Annika

„Schnee­tän­zer“ von Antje Baben­der­erde ist ein Lie­bes­ro­man für Jugend­li­che, gewürzt mit Umwelt- und Nach­hal­tig­keits­the­men. Worte­we­be­rin Annika ist mit dem Prot­ago­nis­ten auf einen Schnee­s­coo­ter gestie­gen und wurde über­ra­schend gut unterhalten.

Als Jugend­li­che habe ich schon ein­mal einen Roman von Antje Baben­der­erde gele­sen. Damals nahm ich fast jedes Buch mit nach Hause, das in unse­rer ört­li­chen klei­nen Stadt­bi­blio­thek neu ange­schafft wurde. In Erin­ne­rung ist mir neben dem Titel – „Libel­len­som­mer“ – nur geblie­ben, dass es darin um India­ner und die Liebe ging. Zumin­dest der Name der Autorin war mir aber bekannt, als „Schnee­tän­zer“ sei­nen Weg zu mir fand, nach­dem es den Geschmack einer Bücher­stadt-Kol­le­gin nicht getrof­fen hatte.

India­ner-Blut

In „Schnee­tän­zer“ geht es um einen acht­zehn­jäh­ri­gen Jun­gen, Jacob, der nach Kanada reist. Gerade erst hat er erfah­ren, dass dort seine Wur­zeln lie­gen. Dass sein Vater Cree-India­ner ist und Jacob die ers­ten vier Lebens­jahre sogar in Moo­so­nee ver­bracht hat, hatte seine Mut­ter ihm ver­heim­licht. Jacobs eigene Erin­ne­rung war nach einem Unfall ver­lo­ren gegan­gen und kommt nun lang­sam in Form von Träu­men zurück. Jetzt aber möchte er sei­nen Erzeu­ger ken­nen­ler­nen, bevor nach den Oster­fe­rien das Abi ansteht. Doch alles kommt etwas anders als geplant. Jacob wird in Moo­so­nee mit sei­ner Ver­gan­gen­heit kon­fron­tiert, von einem Bären ange­grif­fen und begeg­net einem Mäd­chen, das ihn in sei­nen Bann schlägt, bevor er über­haupt auf sei­nen Vater trifft.

Was die Kon­struk­tion der (Liebes-)Geschichte betrifft, erin­nert „Schnee­tän­zer“ an gän­gige Sche­mata, die zum Bei­spiel auch bei Rosa­munde Pil­cher oder Inga Lind­ström wun­der­bar funk­tio­nie­ren: Jemand kommt zurück in die Hei­mat, trifft auf einen unnah­ba­ren, aber fas­zi­nie­ren­den Gegen­part, es gibt einige Ver­wick­lun­gen, Annä­he­run­gen und Streit­punkte, bis am Ende das Happy End am rosa­ro­ten Hori­zont war­tet. Antje Baben­der­erde ver­legt die­ses Mus­ter von Corn­wall nach Kanada, wo es ebenso gut funk­tio­niert – schließ­lich gibt es Gründe, warum sich die Damen Pil­cher und Lind­ström im TV seit Jahr­zehn­ten gro­ßer Beliebt­heit erfreuen. „Schnee­tän­zer“ erfüllt die Erwar­tun­gen der Ziel­gruppe, erzählt von wil­der Roman­tik vor der rauen Natur, auf­ge­peppt mit eini­gen ero­ti­schen Szenen.

Fleisch, nein danke?

Dazu bringt die Autorin aber auch inter­es­sante andere The­men mit ein – und das sogar recht geschickt –, die „Schnee­tän­zer“ zu mehr als einem India­ner-Pil­cher-Ver­schnitt machen. Jacob ist Vege­ta­rier, seit er die Zustände in den Stäl­len gese­hen hat, in denen sein Stief­va­ter Schweine züch­tet. Doch bei den Cree wer­den Vege­ta­rier „schlechte Jäger“ genannt. In Kana­das Wild­nis lässt sich teil­weise schwer ohne Fleisch aus­kom­men und Jacob wird mit mora­li­schen Fra­gen über Kon­sum, Tod und Macht über andere Lebe­we­sen kon­fron­tiert. Seine neue Freun­din Kimi zum Bei­spiel läuft jeden Tag ihre Fal­len­stre­cke ab, um den Haus­halt mit Eichhörnchen‑, Elch- oder Kari­buf­leisch zu versorgen.

Außer­dem muss Jacob fest­stel­len, dass die India­ner-Idylle bedroht ist. Es gibt Pläne, im Gebiet der Cree groß­flä­chig Roh­stoffe abzu­bauen. Viele India­ner könn­ten dadurch Arbeit fin­den, um einem Stru­del aus Alko­hol und Gewalt zu ent­kom­men, aber gleich­zei­tig wür­den die unbe­rührte Natur und die Tra­di­tio­nen der Cree lei­den. Dabei war die Seele des India­ner­stam­mes schon ein­mal bedroht, als in der Genera­tion von Jacobs Groß­el­tern viele Cree-Kin­der auf soge­nannte Resi­den­tial Schools geschickt und schwer miss­han­delt wur­den. Dass auch diese Geschichte Teil von Jacob ist und sich in sei­nen Träu­men mani­fes­tiert, gehört zum mythi­schen Unter­bau von „Schnee­tän­zer“ und der dar­ge­stell­ten Cree-Kultur.

„Schnee­tän­zer“ ist solide Unter­hal­tung für Jugend­li­che, die sich in die wilde Natur Kana­das ent­füh­ren las­sen wol­len. Neben einer Lie­bes­ge­schichte spricht der Roman einige inter­es­sante The­men an, durch die auch ich mich als nicht mehr jugend­li­che Lese­rin gut unter­hal­ten gefühlt habe.

Schnee­tän­zer. Antje Baben­der­erde. Arena. 2019.

Übri­gens: Am 01.06.2020 star­tet unser The­men­spe­cial #BKUm­welt. Ab dann fin­det ihr viele wei­tere span­nende Rezen­sio­nen und Texte zu Umwelt­the­men hier.

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