Menschen und Meer an der schwedischen Westküste

by Bücherstadt Kurier

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Wie berüh­ren und prä­gen Wald, Was­ser und Meer die Men­schen? Man kann es an sich selbst erfah­ren, aus Wor­ten, Klän­gen und Bil­dern her­aus­le­sen, die Dich­tende und Künst­ler aus ver­schie­de­nen Zei­ten als Zeug­nisse ihrer Kul­tur, ihres Den­kens, Füh­lens und Schaf­fens hin­ter­las­sen haben – schon vor 3000 Jah­ren… - Von Bücher­städ­te­rin Susanne

Die süd­li­che Schä­ren­küste Schwe­dens ist eine beson­dere Land­schaft, die sol­che Ent­de­ckun­gen mög­lich macht – nicht nur durch ihre ein­zig­ar­tige Schön­heit und Fülle an Begeg­nun­gen mit dem Was­ser, son­dern auch durch die Spu­ren der Dich­ten­den, die einem hier begegnen.

Poe­tin­nen und Poe­ten der Küste

Bei­des scheint untrenn­bar mit­ein­an­der ver­bun­den: eine Natur, die in der Viel­falt und Weite an vie­len Orten gren­zen­los und (zumin­dest in der Vor­sai­son!) tou­ris­tisch fast unbe­rührt wirkt und eine Poe­sie, die hierin ihre Quelle fin­det: Frauen wie Karin Boye und Ebba Lind­q­vist sind zu nen­nen. Ebenso zwei Lie­der­dich­ter in der Tra­di­tion von Carl Michael Bell­mann: Bir­ger Sjö­berg und Evert Taube.

Und nicht zu ver­ges­sen: der so rei­che Schatz an schwe­di­scher Kin­der­li­te­ra­tur, der – deut­lich stär­ker als in vie­len päd­ago­gisch ambi­tio­nier­ten Bil­der­bü­chern aus Deutsch­land – vor allem dem Eigen­sinn, der natür­li­chen Ent­de­cker­lust und der Natur als freien Erfah­rungs­raum so viel Raum und Poten­tial für Phan­ta­sie einräumt.

Es ist bedau­er­lich, dass die Gedichte der genann­ten Dich­te­rin­nen und Dich­ter fast gar nicht und von den Kin­der­bü­chern kaum mehr als die Best­sel­ler ins Deut­sche über­setzt wor­den sind. So bleibt es hier zunächst bei weni­gen Links und Text­bei­spie­len, die etwas spür­bar wer­den las­sen von der „Poe­sie des Was­sers“ in ihren Werken:

Ich beginne in Göte­borg, wo die Fähre nach 3,5 Std. Über­fahrt von Fre­de­riks­havn anlegt und somit von Flens­burg aus eine kurze Anreise erlaubt: Karin Boye (1900 geb. in Göte­borg – 1941 gest.), der vor der Göte­bor­ger Stadt­bi­blio­thek ein Denk­mal gesetzt wurde, erkun­det in vie­len Gedich­ten das Meer als ein Raum, auf den man sich ganz und gar ein­las­sen muss, um Erkennt­nis und Ver­wand­lung zu erfah­ren. In ihrem Gedicht „Erkennt­nis“ heißt es:

… Doch wenn du wie ein Trop­fen in das Meer fällst,
um auf­ge­löst zu werden,
bereit zur Verwandlung …

Ein wei­te­rer Dich­ter ist in Göte­borg gebo­ren: Evert Taube (1890−1976), jener in Schwe­den über­aus popu­lä­rere volks­tüm­li­che Lie­der­ma­cher, der als Sohn eines Leuchtt­um­wär­ters in den Schä­ren vor Göte­borg auf­ge­wach­sen ist und in sei­nen Lie­dern das Meer, die Schä­ren­küste und das Rei­sen besingt.

Von Göte­borg aus ist es nicht weit, die Bohus­lan-Küste mit ihren vie­len Schä­ren­in­seln zu berei­sen. Hier ist die zweite „Dich­te­rin des Mee­res“ aus die­ser Region auf­ge­wach­sen: Ebba Lind­q­vist (1908−1995). Die weni­gen Infor­ma­tio­nen über sie in deut­scher Spra­che sind hier zu fin­den. Eine der ganz weni­gen Gedicht­über­set­zung von ihr beginnt mit den Zeilen:

Wie man vom Liebs­ten flieht,
es nicht ver­mö­gend, ver­zehrt zu wer­den und wie­der und wie­der erneuert,
So bin ich vom Meer geflohen…

Schiffs­ka­jüte mit Kla­vier – die Kin­der­lie­der der Alice Tegnér

Was­ser und Wald spie­len auch in den Kin­der­lie­dern der schwe­di­schen Dich­te­rin und Kom­po­nis­tin Alice Teg­nér (1864−1943) eine große Rolle – wenn auch eher von der öst­li­chen Küste Süd­schwe­dens inspi­riert. Erste Bei­spiele ihrer Kunst ent­stan­den am Kla­vier in der Schiffs­ka­jüte ihres Vaters. Gebo­ren wurde sie zwi­schen Was­ser und Wald in Karls­hamn. Kaum eine Über­set­zung ihrer in Schwe­den so popu­lä­ren Lie­der ist in Deutsch­land bekannt. Immer­hin sieht man in ihrem Sin­gen und Schrei­ben aus der kind­li­chen Per­spek­tive bereits eine Ver­bin­dung zu Astrid Lind­grens Sicht „vom Kind aus“, die die schwe­di­sche Kin­der­li­te­ra­tur bis heute in beson­de­rer Weise prägt.

Der Ver­such einer Nach­dich­tung von „Mors Lilla Olle“

Mit einem Körb­chen geht Olle-Klein
tief in den Wald und ist ganz allein.
Olle sucht Früchte und träumt vor sich hin:
„Schade, dass ich so alleine bin“.

Brum­mel­di­brum­mel, was kommt denn da?
Wer stampft und raschelt so sonderbar?
Ist das ein Hund? Nein, ein rie­si­ges Tier!
Olle ruft: „Hej, komm und bleib bei mir“

Ob so ein Bär gerne Früchte frisst?
Olle ruft: „Hej – ach, wie schön Du bist“!
Schnell frisst der Bär Olles Körb­chen ganz leer.
Groß ist der Hun­ger von Olles Bär!

Nur Olles Mama, die fürch­tet sich.
So große Bären, die mag sie nicht.
„Hab keine Angst”, flüs­tert Olle ihr zu.
„Bären sind freund­lich wie ich und du.”

Deut­sche Nach­dich­tung von Susanne Brandt nach dem schwe­di­schen Kin­der­lied „Mors Lilla Olle“ von Alice Teg­ner (1864−1943)

In Vär­ners­borg wie­derum war ein wei­te­rer Lie­der­dich­ter – eben­falls in der Bell­mann-Tra­di­tion ste­hend – zu Hause: Bir­ger Sjö­berg (1885−1925). Die Brü­cke und die Skulp­tur im See­ufer­park von Vär­ners­borg erin­nern an die lyrisch erträumte Liebe sei­ner bis heute in Schwe­den popu­lä­ren Lie­der. Ein Bei­spiel für eine deut­sche Über­set­zung gibt es hier.

Poe­sie, Lie­der, Tanz…

Bei so viel volks­tüm­li­cher San­ges­lust ist der Tanz nicht weit: natür­lich bei einer der zahl­lo­sen Mitt­som­mer­feste, aber ebenso auch in bild­li­chen Dar­stel­lun­gen wie in der Glas­ga­le­rie von Lars Ses­ter­vik in Sva­ne­sund an einem lau­schi­gen Ort mit Was­ser­blick und Kaf­fee in der Oran­ge­rie – oder sogar (als frühe Belege aus der Bron­ze­zeit) in Abbil­dun­gen auf Fel­sen die­ser Region, die neben den Schif­fen als Ver­bin­dung zur Welt immer auch die Magie des Tan­zes als Ver­bin­dung der Men­schen unter­ein­an­der zeigen.

Das Meer als Sehn­suchts­ort, als Erfah­rung von wei­ter Ferne und inten­si­ver Ver­bun­den­heit, als Ele­ment, das kei­nen Bestand hat, immer Ver­wand­lung und Bewe­gung mit sich bringt und gerade darin die Kul­tu­ren und Tra­di­tio­nen der Men­schen seit Jahr­tau­sen­den prägt und beglei­tet – viel­leicht macht das die Fas­zi­na­tion die­ser Land­schaft aus!

Fotos/Text: Susanne Brandt

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