Morgen darf ich essen, was ich will – und heute?

by Poesiearchitektin Lena

Kaum spürt man die ers­ten Son­nen­strah­len auf der Haut, wird man förm­lich von den Zeit­schrif­ten­co­vern ange­schrien. „7 Kilo in 7 Tagen ver­lie­ren!“ „Som­mer­body ganz leicht mit der Saft­kur!“ „Schön und schlank am Strand“. Poe­sie­ar­chi­tek­tin Lena erzählt von ihrer Erfah­rung mit der Diät.

Ich gehe schnell wei­ter und spüre plötz­lich die Weih­nachts­plätz­chen und die Scho­ko­la­den­os­ter­eier in mei­nem Bauch, den Ober­schen­keln und der Hüfte rhyth­misch mit­wa­ckeln. Sport ist nicht so meins. Also wie den Wohl­fühl­kör­per erarbeiten?

Eine Erin­ne­rung tauchte plötz­lich auf. Ein Gespräch zwi­schen einer Freun­din und mir, die mir etwas über die 1–0 Diät erzählt hatte, bei der man an einem Tag über­haupt nichts isst und am nächs­ten so viel und alles, was man will. Ich hatte damals gar nicht genau zuge­hört, weil es abso­lut unge­sund und anstren­gend klang. Jetzt aller­dings über­wie­gen für mich die Vor­teile. Man spart Geld, weil man nicht so viel ein­kau­fen muss, kochen fällt jeden zwei­ten Tag weg, an den Tagen, an denen man nichts isst, trinkt man umso mehr Was­ser, und die Fett­zel­len lee­ren sich im Schlaf, sodass man satt auf­wacht. Klingt ja gar nicht so schlecht.

Die erste Woche war der abso­lute Hor­ror. Am 0‑Tag bekam ich die Kopf­schmer­zen kaum weg und das Magen­knur­ren war noch nie so laut gewe­sen. Ich konnte mich kaum kon­zen­trie­ren und dachte nur an alles, was ich am Tag dar­auf essen wollte. Aller­dings konnte ich das alles gar nicht essen, da mein Hun­ger gar nicht so groß war wie mein Appe­tit. Außer­dem musste ich mich andau­ernd blö­den Kom­men­ta­ren und Bli­cken aus­set­zen, wenn ich eine Ein­la­dung zum Essen ableh­nen musste, weil an die­sem Tag essen „ver­bo­ten“ war. Mein sozia­les Leben fing an, unter dem „Ich darf nichts essen, nur Tee und Kaf­fee pur trinken“-Tag zu lei­den. Den­noch habe ich es durch­ge­zo­gen. Und die Waage hat mich belohnt. Lang­sam aber sicher bewegte sich der Zei­ger nach links, was moti­vie­rend war.

Doch wie sollte es wei­ter­ge­hen, wenn ich mein Wunsch­ge­wicht erreicht hatte? Der Jojo-Effekt würde sicher­lich auch mich heim­su­chen. Viel­leicht ein­fach gesund ernäh­ren und doch zum Sport zwin­gen? Und wie soll das spä­ter sein? Kann ich das mein gan­zes Leben lang machen? Wie soll ich spä­ter mei­nen Kin­dern erklä­ren, dass Mami nur jeden zwei­ten Tag mit ihnen zusam­men isst?

Der Som­mer ist da und ich liege im Bikini am Strand. Ich esse ein Eis, wäh­rend ich die schlak­si­gen Men­schen um mich betrachte, die kur­vi­gen, die sport­li­chen und alle ande­ren. Neben mir liegt mein Freund, der hin und wie­der ver­stoh­len auf mei­nen Po guckt. Ich habe inzwi­schen mit dem Inter­vall­fas­ten auf­ge­hört. Aus­lö­ser war das Ent­set­zen die­ses Man­nes hier. „Deine weib­li­chen Kur­ven, die ich so wun­der­bar finde, wer­den immer weni­ger!“ Tja. Er hat mir meine Augen etwas geöff­net. Das Wich­tigste ist, dass ich mich wohl­fühle, egal wie viel ich wiege. Des­halb esse ich heute und mor­gen, was ich will, und sor­tiere meine Zeit­schrif­ten aus.

Ein Bei­trag zum Spe­cial #lit­fut­ter. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

Bild: Satz­hü­te­rin Pia

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